Die 39-jährige Regensburgerin Ronja Endres fungiert seit 2021 als Vorsitzende der Bayern-SPD, bis Juli 2024 in einer Doppelspitze mit Florian von Brunn. Endres hat nach einer Ausbildung zur Chemielaborantin Internationale Beziehungen und Management an der OTH Regensburg studiert und arbeitet beim gewerkschaftsnahen PECO-Institut.
BSZ: Frau Endres, wie ist es denn so als alleinige Vorsitzende der Bayern-SPD?
Ronja Endres: Das war jetzt schon ein intensives Jahr. Aber es hat Spaß gemacht. Ich habe aus der Partei auch viel Unterstützung bekommen. Wir haben es gemeinsam geschafft, wieder Ruhe in den Laden zu bekommen.
BSZ: Sie leiten die Partei im Ehrenamt und ohne Absicherung durch ein Abgeordnetenmandat. Ist das neben dem Beruf überhaupt zu schaffen?
Endres: Das hat ja auch seine Vorteile. Man hat aus dem Beruf heraus eine andere Sichtweise auf die Dinge. Und ja, es lässt sich vereinbaren. Ich arbeite 32 Stunden pro Woche im Beruf und dann, je nachdem was anfällt, in ruhigeren Zeiten 20 Stunden für die Partei und im Wahlkampf oder wenn gerade mal mehr los ist, auch schon mal 60 Stunden. Insgesamt hält es sich die Waage, sodass es immer wieder Phasen zum Kraft-tanken gibt.
BSZ: Im Herbst wollen Sie wieder antreten als Parteivorsitzende. Würden Sie gerne solo weitermachen oder suchen Sie schon nach einem neuen Ko-Vorsitzenden?
Endres: Wir führen dazu gerade interne Gespräche in der Partei. Mir ist wichtig, dass wir zusammen ein gutes Team für unsere BayernSPD aufstellen.
BSZ: Sie waren vergangene Woche auf dem SPD-Bundesparteitag und haben den heftigen Dämpfer für Lars Klingbeil miterlebt. Haben Sie Bammel vor der eigenen Wiederwahl?
Endres: Ich bedauere das Ergebnis für Lars Klingbeil. Ich hätte ihm etwas anderes gewünscht. Zu meiner Situation in Bayern sehe ich aber keinen Zusammenhang.
BSZ: Warum neigt die SPD dazu, ihr Spitzenpersonal abzuwatschen?
Endres: Da muss man sich jeden Fall einzeln anschauen, ich sehe da kein Muster. Die SPD ist eben eine sehr ehrliche Partei. Es war jetzt wohl einigen ein Bedürfnis, ihren Unmut über das schlechte Wahlergebnis auszudrücken, vielleicht waren auch einzelne unzufrieden mit der Personalpolitik von Lars Klingbeil. Insgesamt steht die SPD aber hinter ihrem Vorsitzenden. Das hat die Abstimmung zum Leitantrag gezeigt, der vor allem aus seiner Feder stammte. Es geht jetzt darum zu zeigen, dass die SPD verstanden hat, dass sie Veränderung braucht. Das ist auf dem Parteitag deutlich geworden, dafür steht auch Lars Klingbeil.
BSZ: Kontrovers diskutiert wurden auf dem Parteitag die Themen Wehrpflicht und Aufrüstung. Wie stehen Sie dazu?
Endres: Beim Wehrdienst muss es darum gehen, ihn so freiwillig und so attraktiv wie möglich zu gestalten. Dazu hat es einen guten Kompromiss zwischen den Jusos und dem Bundesverteidigungsminister gegeben. Man darf die Debatte nicht auf die Wehrpflicht verengen, sondern muss über eine allgemeine Dienstpflicht reden. Die Freiwilligendienste müssen besser bezahlt werden, damit die sich auch junge Menschen leisten können, die von zu Hause keine finanzielle Unterstützung erhalten. Das würde der Gesellschaft insgesamt guttun.
BSZ: In der SPD gab es kürzlich eine Debatte zum Umgang mit Russland. Plädieren Sie auch für mehr Diplomatie oder steht für Sie die Unterstützung der Ukraine im Mittelpunkt?
Endres: Beides darf sich nicht ausschließen. Ich finde es richtig, dass das Manifest zum Umgang mit Russland und in Sachen Verteidigungsfähigkeit geschrieben wurde, weil es ein wichtiger Debattenbeitrag ist. Ich stehe aber nicht zu dessen Inhalt. Es gibt nun mal einen Krieg in Europa, und den hat Russland angefangen, indem es die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen hat. Putin will auch nicht reden, der will das alte Zarenreich wiederherstellen. Solange Putin ernsthafte Gespräche über einen Frieden verweigert, muss man hart bleiben.
„Es scheint nichts zu bringen, sich in der Migrationspolitik von der AfD treiben zu lassen“
BSZ: Können Sie mit der härteren Migrationspolitik der neuen Bundesregierung leben?
Endres: Es ist ja so, dass schon die Ampel strengere Regeln eingeführt hat. Aber selbst das hat die AfD nicht kleiner gemacht. Es scheint also nichts zu bringen, sich in der Migrationspolitik von der AfD treiben zu lassen. Wir müssen uns an dem orientieren, was für das Land wichtig ist. Ich will wissen, wer bei uns im Land ist. Ich will Ordnung in den Verfahren haben, ich will schnelle Verfahren haben und ich will, dass die Leute mit Bleibeberechtigung sich schnell in die Gesellschaft integrieren können. Dazu müssen sie Deutsch lernen und arbeiten können, denn wir brauchen sie ja auch auf dem Arbeitsmarkt. Und ich will, dass Schutzbedürftige wirklich Schutz erhalten. Mit dem Schließen von Grenzen auf nationaler Ebene löst man keine Probleme.
BSZ: Auf dem Bundesparteitag hat sich die SPD für die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen. War das eine richtige Entscheidung?
Endres: Wir als bayerische SPD waren federführend an der Ausarbeitung des Antrags beteiligt. Ich habe lange überlegt, ob das der richtige Schritt ist. Denn wenn man die AfD verbietet, ist das Gedankengut weiterhin da, und es gibt weiter Menschen, die dieses Gedankengut unterstützen. Ich habe das am Ende ganz pragmatisch gesehen: Ich will nicht, dass mit dem von mir mit meiner Arbeit erwirtschafteten Steuergeld nachgewiesene Verfassungsfeinde finanziert werden. Deshalb muss jetzt geprüft werden, ob die AfD so verfassungsfeindlich ist, dass sie verboten werden muss. Wenn das das Ergebnis ist, dann muss ein Verbot durchgesetzt werden. Dass damit die Arbeit nicht getan ist und wir mit unserer Politik die Menschen zu den demokratischen Parteien zurückholen müssen, das ist mir bewusst.
BSZ: Blicken wir nach Bayern. Bei der Landtagswahl 2023 hat die SPD ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Wächst die Angst vor dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde?
Endres: Ich denke, man hat die Brisanz dieses Wahlergebnisses in der gesamten bayerischen SPD verstanden. Wir haben bei der Aufarbeitung festgestellt, dass wir als Partei nicht nah genug an der Lebensrealität der Menschen waren. Wir haben darauf vergangenes Jahr beim kleinen Parteitag mit einem Leitantrag reagiert, der mal nicht ausformuliert war wie eine Doktorarbeit. Da steht zum Beispiel nicht drin, dass wir zum motorisierten Individualverkehr stehen, sondern schlicht zum Auto. Wir müssen wieder näher ran an die Leute, die jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen, die Kinder großziehen, die das Land am Laufen halten. Wir sind als SPD eine Programmpartei, wir haben gute Positionen, aber es fehlt ein roter Faden und oft der Realitätsbezug zur Lebenswelt der Menschen. Ich finde es deshalb gut, dass wir nun mit Holger Grießhammer einen sehr lebens- und realitätsnahen Fraktionsvorsitzenden haben. Das merkt man schon in unserer praktischen Politik.
BSZ: Holger Grießhammer positioniert die bayerische SPD recht offensiv als möglichen Koalitionspartner für die CSU. Findet das Ihre Zustimmung?
Endres: Na klar. In unserem Wahlprogramm vor der letzten Landtagswahl stand klar drin: Wir wollen regieren! Natürlich würden wir mit allen Parteien reden, die es mit unserer Demokratie gut meinen. Und da gehört die CSU dazu. Wir wollen schließlich auch wichtige Punkte unseres Wahlprogramms in Regierungsarbeit umsetzen.
BSZ: Welche wären das konkret?
Endres: Wir sind eine Partei, der unter anderem Bildungsgerechtigkeit wichtig ist, die für gute Arbeitsbedingungen steht.
BSZ: Hand aufs Herz: Könnten Sie sich vorstellen, als – sagen wir – Arbeits- und Sozialministerin unter einem Regierungschef Markus Söder zu arbeiten?
Endres: (lacht) Ja klar. Aber ich bin kein Fan davon, Posten zu verteilen, bevor man Teil einer Regierung ist. Mein Lebensziel ist es zunächst einmal, die Bayern-SPD wieder aufzurichten. Aber ich hätte schon Lust, Verantwortung für Bayern zu übernehmen.
BSZ: Auch unter einem Ministerpräsidenten Markus Söder?
Endres: Wenn es sein muss, ja. (Interview: Jürgen Umlauft)
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