Eigentlich läuft alles perfekt. Sämtliche Tische im Biergarten des Gasthauses Siebenbrunn sind besetzt. Die Kellnerinnen und Kellner tragen voll beladene Tabletts nach draußen. Alle mit Maske, wie sich das gehört. Für Martin Osterrieder, der das Münchner Gasthaus betreibt, eine Zumutung. Es gibt so einiges, was ihn an der Pandemiebekämpfung provoziert. „Aber dass meine Mitarbeiter acht Stunden am Tag mit Maske in der Sonne rumlaufen müssen, ist gerade das Allerschlimmste!“
Immerhin: Der Sommer kann sich sehen lassen. Das Siebenbrunn ist so gut besucht, dass Osterrieder jetzt Schulden abbaut und Rücklagen bildet. Wenig optimistisch blickt er allerdings in die kühlere Jahreszeit. Denn Familien- und Weihnachtsfeiern: Das ist, womit er in Herbst und Winter seinen Umsatz macht. Ein paar Reservierungen von Vereinen hat er zwar schon bekommen. Aber normalerweise ist der Kalender in dieser Jahreszeit viel voller. Osterrieder fürchtet: Die Betriebe lassen ihre Feiern ausfallen. Die Familien bleiben weg. Und auch in diesem Herbst wird nichts so, wie es einmal war.
2G sei „weder notwendig noch akzeptabel“
Ab kommenden Montag gilt in Bayern bei einer Inzidenz von 35: Wer nicht genesen oder geimpft ist, muss beim Gasthausbesuch einen Test vorlegen. Jedenfalls, wenn er drinnen essen und trinken will. Schülerinnen und Schüler sind von der Regel zwar ausgenommen, weil sie in der Schule getestet werden. Trotzdem könnte 3G so manchen Gast abschrecken.
Osterrieder fürchtet zudem, dass am Ende vielleicht doch noch 2G umgesetzt wird, also nur noch Geimpfte und Genesene kommen dürfen. Und weil der frisch geimpfte Gastwirt zwar nicht corona- aber ausgesprochen politikskeptisch ist, schließt er auch keineswegs aus, dass man die Gastronomie doch wieder dichtmacht. Obwohl ein Lockdown für die Politik gerade kein Thema ist. Er prophezeit: „Viele Wirtshäuser nehmen den Sommer noch mit. Wenn dann neue Einschränkungen kommen, sind sie nicht mehr da.“
Thomas Geppert vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern dagegen macht unter den Mitgliedern eine „sehr zuversichtliche Stimmung“ aus. „Die Sorge ist groß, weil man schon viel erlebt hat. Aber die Zuversicht überwiegt.“ Wichtig sei, dass es nicht zu Schließungen kommt. „Es gibt ein Impfangebot für alle, deswegen müssen wir wegkommen von der staatlichen Verbotspolitik und mehr auf Eigenverantwortung setzen.“ 2G sei „weder notwendig, noch rechtlich umsetzbar oder akzeptabel.“ Und für 3G müsse eine neue Kennzahl gelten, die nicht wie bislang die Zahl der Infektionen, sondern den Zustand des Gesundheitssystems abbildet.
Negativ auswirken werde sich 3G auf die Besucherzahlen in jedem Fall. Umso wichtiger seien Erleichterungen bei den einzuhaltenden Abständen und der Zahl der zugelassenen Personen. Das Testen selbst bereitet ihm dagegen wenig Sorge. Die Testinfrastruktur sei einfach wieder aufzubauen, die Gästeregistrierung müsste ja ohnehin jemand kontrollieren. Seine Hoffnung: Dass man nur wenige Tests braucht, weil so viele Menschen geimpft sind.
Das größte Problem der Branche ist derzeit allerdings der Personalmangel. „Etwa 12 Prozent der Mitarbeiter sind aufgrund der langen Perspektivlosigkeit verloren gegangen“, sagt Geppert. Zwar flossen finanzielle Hilfen und Entschädigungen, „aber mit Geld kann man auch nicht alles heilen.“
Eine Sprecherin der Arbeitsagentur bestätigt, dass sich einige Fachkräfte aus dem Hotel- und Gaststättenbereich langfristig umorientiert haben. Auch viele Minijobber*innen seien im Moment eher bereit, in anderen Branchen zu arbeiten. Andreas Keipp etwa fehlt gerade ein Beikoch in der Küche. Auch Reinigungskräfte hat er zu wenige. Der Wirt, der seit vier Jahren das Schnitzelgaudi im Sonnblick in Markt Schwaben betreibt, kennt Köche, die jetzt Landschaftsgärtner sind, ein Schankkellner arbeitet als Maler und Lackierer, ein Koch bei einer Firma, die Corona-Tests auswertet, was Keipp besonders ärgert, weil er findet: Der Staat nehme ihm die Leute weg. Zumal er gerüchteweise gehört hat, dass man dort während der Arbeit Zeit findet, Schafskopf zu spielen. Ein „Kraftakt“ war es für ihn, im Frühjahr wieder Servicepersonal zurückzugewinnen. Die Saisonverträge laufen Ende September aus.
Um langfristig Leute auszubilden und zu halten, hat Keipp begonnen, eine Kochausbildung im Fernkurs zu machen, um sich in zwei Jahren als Ausbildungsstätte zertifizieren zu lassen und selbst Personal auszubilden. Sein Wirtshaus allerdings hat während der Pandemie „ein Bombengeschäft“ gemacht. Denn es gibt dort nicht nur Gerichte wie „Pute im Kornfeld“ und Biergartenkonzerte, sondern auch „Schnitzel im Karton“. Und das hat Keipp in rauen Mengen verkauft. Sein Mitnahmegeschäft florierte so gut, dass er für den Fall von Einschränkungen im Herbst überlegt, in einen richtigen Lieferservice einzusteigen. Aber Ende August wird erst mal zwei Wochen zugesperrt. „Wir gönnen uns eine Verschnaufpause.“
(Monika Goetsch)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!