Politik

Mieteinnahmen in Höhe von 200 Euro täglich sind auf Vermietungsportalen wie Airbnb, Wimdu oder 9flats kein Problem - doch nicht alles ist legal. (Foto: dpa)

29.04.2016

Wohnen auf Kosten anderer

Vor allem München machen illegale Ferienapartments zu schaffen – die Landtags-SPD fordert eine Gesetzesverschärfung

Mieteinnahmen in Höhe von 200 Euro täglich für ein privates Ein-Zimmer-Apartment? Münchner Nutzer von Vermietungsportalen wie Airbnb, Wimdu oder 9flats in der Nähe von Krankenhäusern bekommen häufig solche Angebote. „Erst im März hat mir Yahia aus Dubai geschrieben, der seine Mutter auf einer medizinischen Reise begleitet hat“, erzählt Andrea Kuwer. Zwei Wochen habe er in ihrem Apartment in der Nähe des Isar Klinikums gewohnt. Dafür bekam die 32-Jährige von dem Araber 2800 Euro – mehr, als sie abzüglich Steuern im Monat verdient. Und heruntergerechnet mehr als das Elffache ihrer Miete.

Yahia ist kein Einzelfall: Allein 2014 besuchten 176 000 Gäste aus den arabischen Golfstaaten München – davon kamen rund 3500 zur medizinischen Behandlung. Im Schnitt geben sie täglich 500 Euro und damit doppelt so viel wie andere Touristen aus. Viele ziehen in Wohnungen, in denen sie selber kochen können. Für größere Wohnungen sind daher bis zu 30 000 Euro im Monat drin. Doch ganz abgesehen von häufigen Beschwerden der Nachbarn: Die Untervermietung an Patienten und Touristen ist in vielen Fällen verboten.

„Die Zweckentfremdung von Wohnraum für touristisches Übernachtungsgewerbe macht Wohnraum zum noch knapperen Gut und treibt das Mietpreisniveau in begehrten Städten weiter nach oben“, sagt der Geschäftsführer des bayerischen Städtetags Bernd Buckenhofer der Staatszeitung. Es bleibe daher unumgänglich, in Gemeinden mit Wohnraummangel das Zweckentfremdungsgesetz anzuwenden. Als einzige Gemeinde im Freistaat hat sich aber bisher München eine solche Satzung gegeben. Wer seit 2014 seine Wohnung länger als sechs Wochen pro Jahr als Ferienwohnung vermieten will, braucht die Genehmigung der Stadt – andernfalls droht ein Bußgeld von bis zu 50 000 Euro. Einzige, aber wichtige Ausnahme: Wer selber in der Wohnung wohnt und Gästen maximal 49 Prozent davon zur Verfügung stellt, benötigt keine weitere Erlaubnis – höchstens die Einwilligung des Vermieters.

Doch wer sich auf den Portalen umschaut, findet nur selten solche Angebote. Der Immobilienentwickler GBI vermutet, dass dadurch dem Markt bundesweit 46 000 Wohnungen dauerhaft entzogen werden. Die Stadt München hat daher seit Sommer letzten Jahres ein Sonderermittlungsteam zur Bekämpfung von illegalen Ferienwohnungsnutzungen – der Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Medizintourismus. Bis Ende des Jahres 2015 wurden dabei 237 zweckentfremdete Wohnungen entdeckt – davon 51 illegale Ferienwohnungen. In einem Fall wurde der Bußgeldrahmen von 50 000 Euro voll ausgeschöpft. Doch ob das zur Abschreckung reicht?

„Viele nehmen das Bußgeld bei einem relativ geringen Entdeckungsrisiko gerne in Kauf, weil es sich rechnet“, erklärt die Geschäftsführerin des Mieterbunds Bayern Monika Schmid-Balzer. Sie fordert die Stadt deshalb auf, „konsequent und zügig“ zu vollstrecken. „Außerdem muss der Tatbestand der Zweckentfremdung noch auf die zeitlich befristete Vermietung von möblierten Wohnungen mit einem deutlich über der ortsüblichen Miete liegenden Mietpreis erweitert werden“, ergänzt Schmid-Balzer. Dadurch will der Mieterbund verhindern, dass durch so genannte Relocation-Firmen die Mieten weiter in die Höhe getrieben werden.

Der Stadt München sind allerdings laut Sozialreferat die Hände gebunden: „Der Rechtsstaat stellt hohe Anforderungen an Eingriffe der Exekutive in die Rechte von Bürgern“, erklärt Ottmar Schader. Das gelte insbesondere für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten wie Zweckentfremdungen. Außerdem: „Gegen nahezu jede Anordnung der Stadt wurden Rechtsmittel eingelegt“, ergänzt er. Bisher habe es bereits elf Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gegeben, weitere Entscheidungen stünden unmittelbar bevor.

FDP sieht Airbnb als Chance

Andreas Lotte, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, mahnt die Staatsregierung, endlich aktiv zu werden. „Das Zweckentfremdungsgesetz muss im Landtag reformiert werden“, verlangt er im Gespräch mit der BSZ. Auch die damals von der CSU beschlossene zeitliche Befristung des Gesetzes bis 2017 sei „vollkommen indiskutabel“. Entscheidend ist laut Lotte, die Beweisführung für Kommunen zu vereinfachen. In Berlin kann die Stadt beispielsweise Internetportale zwingen, die Identität der Anbieter preiszugeben. „In Bayern reagiert die CSU auch auf Anfragen der SPD in dieser Sache nicht.“

Andere Städte im Freistaat beobachten ebenfalls eine zunehmend professionelle Vermarktung von privaten Unterkünften. Der bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) fordert daher, den Missbrauch stärker zu kontrollieren. Oft fehlten in den Wohnungen Feuerlöscher und Fluchtpläne, der Jugendschutz werde nicht eingehalten, und Steuern würden nicht ordnungsgemäß abgeführt. „Um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden, sind sicherheitsrechtliche oder steuerrechtliche Regeln für alle einzuhalten“, betont Dehoga-Sprecher Frank-Ulrich John.

Das Innenministerium rät allen betroffenen Kommunen zum Erlass einer Zweckentfremdungssatzung. In Nürnberg wird dies derzeit allerdings nicht als vorrangige Strategie zur Verbesserung der Wohnungssituation gesehen. In Augsburg besteht ebenfalls kein Bedarf: „Ob eine Vermietung unzulässig ist oder nicht, richtet sich bei uns allein nach dem zivilrechtlichen Mietvertrag“, betont Sozialreferent Stefan Kiefer. Auch den Entzug von Wohnraum durch Boardinghäuser, also Wohnen auf Zeit, erlebe er kaum. In Regensburg werden dem Markt nach Angaben der Stadt nur 0,2 Prozent der Wohnungen durch Ferienwohnungen entzogen.

Für die FDP in Bayern hingegen tragen Anbieter wie Airbnb zur „sinnvollen Nutzung von ansonsten leerstehendem Wohnraum“ bei. Der angespannte Wohnungsmarkt werde dadurch entlastet. FDP-Landesvorsitzender Albert Duin lehnt daher Kurtaxen für Privatanbieter wie in Paris oder eine Verschärfung des Zweckentfremdungsgesetzes ab. „Das restriktive Vorgehen der Stadt München und anderer deutscher Städte gegen solche Angebote schadet allen.“ (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Gibuld am 16.11.2016
    Nun, diese vermieteten Wohnungen werden ja zumindest ausgelastet (wenn auch zum Nachteil des Hotelgewerbes).
    Sehr viel mehr Kopfzerbrechen macht mir der Trend, dass die Superreichen zunehmend in jeder angesagten Metropole eine eigene Wohnung glauben besitzen zu müssen um nicht in profanen Hotels absteigen zu müssen.
    Und da langen die Araber mittlerweile ja auch kräftig zu - sogar ganze Häuser, um hier schlicht den Sommer zu verbringen.
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