Jahrelang fuhr Jürgen Ascherl mit dem Lkw Kfz-Teile aus. Nach seinem regulären Dienst als Polizist. „Ich hatte eine Frau und drei Kinder. Das Geld war immer knapp“, erklärt er der Staatszeitung. Ascherl, heute Vize-Vorsitzender der Polizeigewerkschaft DPolG in Bayern, kennt viele Kollegen, die auf ein zusätzliches Einkommen angewiesen sind. „Mit dem normalen Polizeigehalt wird es einfach schwierig, sich etwas zu leisten“, klagt er.
Tatsächlich haben rund 6300 der 42 000 Polizisten in Bayern einen Nebenjob. 1233 von ihnen leben in München. Das heißt, fast ein Fünftel der Münchner Polizeikräfte verdient sich etwas hinzu. Aber auch in anderen Bereichen ist die Zahl der Staatsdiener, die nebenher arbeiten, groß. Jeder fünfte Justizvollzugsbedienstete jobbt nebenbei. Bei Bayerns Finanzbeamten beträgt die Quote 12,2 Prozent – rund 2200 Beamte der bayerischen Steuerverwaltung haben eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit angemeldet. Die Zahl der Nebenjobber dürfte aber auch dort weit höher sein, denn genehmigungsfreie Nebentätigkeiten werden bei der Steuerverwaltung nicht erfasst. Dazu zählen etwa wissenschaftliche Arbeiten.
Grundsätzlich hat jeder Staatsbedienstete das Recht, nebenher zu arbeiten, solange dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt und acht Stunden in der Woche nicht überschritten werden. Dazu kommen ressortspezifische Regeln. Polizisten dürfen nicht als Taxifahrer oder in der Gastronomie arbeiten. Auch alle Jobs im Sicherheitsbereich, etwa in einer Detektei oder als Türsteher sind tabu.
Zankapfel Ballungsraumzulage
Dass es den jobbenden Polizisten in erster Linie ums Geldverdienen geht, will das bayerische Innenministerium nicht bestätigen. Schließlich sei eine Vielzahl der Nebentätigkeiten nicht mit einer Gewinnerzielungsabsicht verbunden, etwa die Betreuung Angehöriger oder kommunale Ehrenämter. Allerdings: Nur sechs Prozent der jobbenden Münchner Polizeikräfte haben ein Ehrenamt übernommen, und nur drei Prozent sind als Betreuer aktiv. 16 Prozent dagegen arbeiten als Kassierer, Fahrer oder Aushilfe. Dass solche Jobs der Selbstverwirklichung am Feierabend dienen, darf bezweifelt werden. Dazu kommt: Die Nebenjobber lassen sich vor allem bei den niedrigeren Einkommensgruppen (2390 bis 3251 Euro) finden.
Ralf Simon, Vorsitzender des Landesverbands der Justizvollzugsbediensteten klagt: „Die steigenden Mieten in den Ballungsräumen stellen ein echtes Problem dar.“ Allerdings sieht er in der Geldnot nicht das Hauptmotiv für eine Nebentätigkeit. Tatsächlich fällt auf, dass die meisten jobbenden Justizvollzugsbeamten nicht in München, sondern in der JVA Straubing arbeiten. Roland Retzbach, stellvertretender Leiter der Anstalt in Straubing, erklärt sich die Spitzenposition auch damit, dass über 50 Handwerksmeister dort tätig sind, von denen einige nebenher ein eigenes Gewerbe betreiben. Viele würden auch im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mithelfen.
Zwar liegt die Besoldung der bayerischen Justizvollzugsbediensteten im bundesweiten Vergleich mit an der Spitze. Allerdings: Auch die Lebenshaltungskosten sind im Freistaat und vor allem im Ballungsraum München spitze. Die etwas höhere bayerische Entlohnung fängt das nicht auf.
Der Bayerische Beamtenbund (BBB) fordert finanzielle Hilfen für Staatsbedienstete in München. Dass Finanzminister Markus Söder die Ballungsraumzulage von rund 80 Euro um 50 Prozent erhöhen will, ist laut BBB-Vorsitzendem Rolf Habermann „ein großer Schritt in die richtige Richtung“. Nötig sei aber auch, die Einkommensgrenze für den Bezug der Zulage zu erhöhen.
Die Landtags-SPD fordert dagegen die Verdoppelung der Zulage. Auch DPolG-Mann Ascherl hält die Erhöhung um 40 Euro für unzureichend. Er will ein Plus von 500 Euro monatlich. „Bei BMW bekommt ein Mitarbeiter in München auch mehr als ein Kollege in Niederbayern“, betont er. Ascherl überlegt sogar, für eine höhere Zulage vor Gericht zu ziehen. 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde eines Münchner Polizisten zwar abgewiesen und erklärt, dass Beamte in Großstädten nicht besser bezahlt werden müssen als ihre Kollegen auf dem Land. Allerdings, so schränkte das Gericht ein: solange sich die Bezüge in Ballungsräumen „noch als angemessen erweisen“ und einen „dem Amt angemessenen Lebenskomfort“ ermöglichen. Das aber ist gewiss nicht mehr der Fall. Seit 2007, klagt Ascherl, „haben sich allein die Münchner Mieten verdoppelt.“
(Angelika Kahl)
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