Politik

09.04.2020

Zum Scheitern verurteilt

Ein Kommentar von David Lohmann

Die Bundesregierung will nach Ostern eine Tracking-App anbieten, um die Corona-Ausbreitung einzudämmen. Die Wunschvorstellung: Einmal installiert, soll das Programm anonym alle Smartphones speichern, die in unmittelbarer Nähe des Geräts waren. Wird ein Besitzer positiv auf Covid-19 getestet, erhalten alle betroffenen App-Nutzer eine Nachricht, sich in häusliche Quarantäne zu begeben. So richtig es ist, endlich zur Normalität zurückzukehren: Handy-Tracking ist dafür die falsche Methode.

Wer mit wem Kontakt hatte, soll per Bluetooth festgestellt werden – ein Funksignal, das meist nur wenige Meter weit reicht. Allerdings: Bei neueren Smartphones wie dem iPhone 8 liegt die Bluetooth-Reichweite bei 100 Metern. Das heißt, beim Einkaufen oder einem Spaziergang speichert die App „Begegnungen“, obwohl die Menschen Dutzende Meter entfernt oder durch Scheiben und Mauern abgeschirmt sind. Die Entwickler betonen, die App könne das unterscheiden. Aber wer ist angesichts solcher Unsicherheiten bereit, sich freiwillig zwei Wochen in Quarantäne zu begeben? 

18 Millionen Deutsche haben kein Smartphone

Ganz abgesehen davon muss bezweifelt werden, ob infizierte Menschen eine Covid-19-Erkrankung in jedem Fall der App melden. Denn wie sicher ist es, dass ihre Daten vertraulich behandelt werden? Immer wieder ist es Hackern gelungen, verschlüsselte Daten zu kapern, und eine aktive Bluetooth-Verbindung ist ein ideales Einfallstor. Zudem ist fraglich, ob sich symptomfreie Kontaktpersonen freiwillig 14 Tage wegsperren. Erst recht nicht, wenn die App öfter Alarm schlägt – und man somit in Dauerquarantäne wäre.

Funktionieren könnte das Handy-Tracking nur, wenn alle Bürger verpflichtend mitmachen. Dann würde sich die App aber wie in China zur Fußfessel entwickeln, die Infizierte und Menschen in Quarantäne auf Schritt und Tritt überwacht. Es darf bezweifelt werden, dass Gerichte einen weiteren und so einschneidenden Grundrechtseingriff zulassen. Im Übrigen bleibt die Frage, wie gerade die Risikogruppe zur Nutzung einer App verpflichtet werden soll: 60 Prozent der Deutschen über 65 Jahre besitzen gar kein Smartphone. Wenn es für sie alternative Bluetooth-Geräte geben soll, bräuchte man davon in den nächsten Tagen 18 Millionen Stück.

Kommentare (1)

  1. Sternchen am 10.04.2020
    Großartiger Kommentar, endlich erheben sich Stimmen, die helfen der ganzen Hysterie recht bald ein Ende zu bereiten. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen steht in keinem Verhältnis zu den Todesfällen. Natürlich ist jeder Fall einer zu viel, aber wenn bei einer normalen Grippewelle im Winter 25.000 Menschen sterben, wird keine vergleichbare Aktivität sichtbar.
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