Politik

Bereits im Juli braun verfärbt: Schwarzkiefern auf dem Volkenberg bei Würzburg. (Foto: dpa/Hildenbrand)

11.10.2019

Zweifrontenkrieg der Bäume

Das neue Waldsterben: Bund und Freistaat stecken viel Geld in die Aufforstung – aber reicht das?

Man muss kein Förster sein, um die Schäden in Bayerns Wäldern zu erkennen. Birken, die vor der Zeit ihre Blätter abgeworfen haben. Fichten, die rotbraun verfärbte Kronen haben, Buchen, an deren Ästen nur noch vertrocknete Blätter hängen.

Dem Wald geht es nicht mehr gut. Nicht nur im Freistaat. 180 000 Hektar Wald sind in Deutschland bereits verloren gegangen, das ist doppelte Fläche von Berlin, erklärte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) jüngst auf dem nationalen Waldgipfel. „Der Wald stirbt in einigen Teilen“, sagte sie.

Als waldreichstes Bundesland ist der Freistaat vom Waldsterben besonders betroffen. Stürme, Dürre und Schädlinge setzen den Bäumen zu. Daneben gab es im vergangenen Jahr noch einen Schwund anderer Art, wie die jährliche Waldflächenbilanz vom bayerischen Forstministerium zeigt. Erstmals seit 1980 ist der Wald in Bayern wieder kleiner geworden. Der Grund: 2018 wurden mehr Flächen gerodet als aufgeforstet. 138 Hek-tar beträgt rein rechnerisch das Defizit. Das entspricht in etwa 193 Fußballfeldern.

Mit Blick auf die 2,6 Millionen Hektar große Waldfläche in Bayern erscheint der Schwund zwar nicht sonderlich groß. Angesichts der scharfen Kritik an den Waldrodungen im Amazonas-Gebiet und vor allem der Bemühungen auf Bundes- und Landesebene für mehr Wald- und Klimaschutz verwundert er aber doch. Man müsse sich schon fragen, sagt Reinhard Mosandl, Professor für Waldbau an der Technischen Universität München, ob Bayern nicht mehr in Aufforstungen investieren sollte?

Warum aber werden in Bayern überhaupt Wälder gerodet? „Die Gründe verteilen sich zu etwa ähnlichen Anteilen auf Vorhaben in den Bereichen Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft sowie in kleineren Anteilen auf Bergbau und Freizeitanlagen“, erklärt ein Sprecher des Forstministeriums auf Anfrage. Dass die Zahl der Aufforstungen zurückgegangen ist, erklärt der Sprecher auch mit den unsicheren Perspektiven der Waldbewirtschaftung angesichts des Klimawandels.

Waldsterben 2.0 nennen Naturschützer das, was gerade in den Wäldern passiert. Das erste Sterben gab es in den 1980er-Jahren, als saurer Regen und Schadstoffemissionen den Bäumen schwer zu schaffen machten. Damals wurde umgesteuert. Industrieanlagen mussten zum Beispiel mit Katalysatoren und Filtern ausgestattet werden. Der Wald erholte sich.

Umbau der Wälder: Sie müssen klimafit werden

Der Klimawandel aber macht die Ausgangslage nun ungleich komplizierter. Die immer längeren Dürreperioden verursachen bei den Bäumen extremen Hitzestress. Gleichzeitig lassen die hohen Temperaturen die Populationen von Schädlingen wie Borkenkäfern und Eichenprozessionsspinnern geradezu explodieren. „Unsere Bäume befinden sich sozusagen in einem Zweifronten-krieg“, sagt Manfred Schölch, Professor für Waldbau und Waldwachstum an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Dieser Krieg forderte in Bayern bereits hohe Verluste. Nur noch 28,6 Prozent aller Waldbäume in Bayern sind ohne erkennbare Schäden, heißt es im Waldzustandsbericht 2018. Das ist eine Verschlechterung gegenüber dem Vorjahr um 2,9 Prozent. Deutlich geschädigt sind 25,6 Prozent der Bäume, ein Prozent mehr als 2017. Der Norden Bayerns ist aufgrund geringerer Niederschlagsmengen stärker betroffen als der Süden – und zwar mit Blick auf nahezu alle Baumarten. Beispiel Buchen, die wichtigsten Laubbäume Bayerns. In den nordbayerischen Trockengebieten, insbesondere dem Wuchsgebiet Keuper, weisen sie laut Bericht größere Blattverluste auf als im gesamtbayerischen Durchschnitt.

Ein Umbau der Wälder, darüber herrscht Einigkeit, ist unabdingbar. Nur klimafitte Wälder werden auch in Zukunft ihre lebenswichtige Funktion als CO2-Speicher erfüllen können. Beim nationalen Waldgipfel hat Klöckner den Bundesländern deshalb 547 Millionen Euro für Wiederaufforstungen im Sinne des Waldumbaus versprochen. Davon werden voraussichtlich 100 Millionen Euro nach Bayern fließen. „Die in Aussicht gestellten Bundesmittel ermöglichen uns zusätzliche Spielräume, unsere Wälder im Interesse der gesamten Gesellschaft auf Dauer zu erhalten“, sagt Bayerns Forstministerin Michaela Kaniber (CSU).

Aber auch der Freistaat ist längst aktiv geworden: Im Haushaltsjahr 2020 werden mehr als 40 Millionen Euro in die Schadensbewältigung und den Umbau der Wälder investiert. Im Freistaat gibt es rund 260 000 Hektar reine Fichten- oder Kiefernbestände, die besonders klimagefährdet sind. Deren Umbau zum Mischwald will die Regierung nun forcieren. Mehr Eichen, mehr Buchen und mehr Tannen sollen gepflanzt werden. Auch seltene aber trockenheitstolerante Baumarten wie die Elsbeere oder der Speierling kommen infrage. Bis 2030 sollen insgesamt 200 000 Hektar Waldfläche umgebaut werden, erklärt ein Ministeriumssprecher. 30 Millionen Bäume will Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zudem im Staatswald pflanzen lassen, um die Umbau-maßnahmen zu beschleunigen.

Der Landtagsopposition gehen diese Maßnahmen jedoch nicht weit genug. Die SPD dringt auf ein Sofortprogramm in Höhe von zehn Millionen Euro. „Die Staatsregierung hat den Waldumbau bislang zu zögerlich vorangetrieben“, kritisiert Martina Fehlner, forstpolitische Sprecherin der SPD. Hans Urban, forstpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, konstatiert gar einen „Widerspruch der Söder-Regierung zwischen Versprechen und Realität“. Die Ankündigung von 30 Millionen neuen Bäumen nennt er „einen Tropfen auf dem heißen Stein“. „Wir erleben gerade ein zweites großes Waldsterben in Bayern, dem wir nicht hinterherpflanzen können“, sagt Urban. Denn mit 30 Millionen Bäumen könnten gerade mal rund 5000 Hektar neu bepflanzt werden – nicht viel angesichts der gesamten Waldfläche Bayerns von 2,6 Millionen Hektar. Es brauche deshalb andere Ansätze, wie mehr Naturwald und ein „konsequentes Schalenwildmanagement“, so Urban. „Leider verhindern auf rund der Hälfte von Bayerns Waldfläche ein zu hoher Wildbiss und eine falsch verstandene Hege einen waldbaulichen Erfolg durch Naturverjüngung“, sagt er. „Hier muss dringend etwas passieren.“ Damit das 30-Millionen-Bäume-Programm Söders nicht nur eine neue Form der Ganzjahresfütterung für Rehe ist.
(Beatrice Oßberger)

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