Politik

Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder auf eine Privatschule, die Gründe sind vielfältig. (Foto: Daniel Karmann, dpa)

07.08.2019

Zwischen elitärem Statussymbol und rettendem Hafen

Vorurteile über Privatschulen gibt es zuhauf: In Waldorfschulen werden ständig Namen getanzt, an Montessori-Schulen machen die Kinder nur, was sie wollen, und an Elite-Internaten kaufen reiche Eltern ihren Sprösslingen den Abschluss. Doch ganz so simpel ist es nicht

"Für mich kam nur das Privatgymnasium infrage." Hochnäsiger kann eine Viertklässlerin kaum auf die Frage antworten, auf welche Schule sie nach den Sommerferien geht. Das Mädel steht im oberbayerischen Holzkirchen in einem Supermarkt, zwischen den Kühlregalen für Milch und Käse, reckt den Kopf in die Luft und wirft den brauen Pferdeschwanz in den Nacken. Ganz offensichtlich ist die Kleine davon überzeugt, dass das öffentliche Gymnasium am Ort für sie unangemessen ist. Doch längst nicht bei allen Familien stehen elitäre Motive bei der Wahl einer Privatschule im Vordergrund.

Vielen geht es in erster Linie um eine individuelle, ganzheitliche Förderung, die sie im öffentlichen Schulsystem vermissen; um Geborgenheit und um einen gewissen Schutz vor den Anforderungen des sehr leistungsorientierten bayerischen Schulsystems.

"Eine private Schule wirkt emotional überschaubarer und geschlossener als ein unübersichtliches öffentliches Schulsystem", erläutert Henrike Paede vom Bayerischen Elternverband. Manche Eltern hätten Angst, dass ihr Kind gerade an den großen weiterführenden Schulen mit teils mehr als 1000 Kindern untergehen könnte. "Die stellen sich unter einer staatlichen Schule eine anonyme Masse von Schülern und Lehrern vor."

Bei manchen spielt ein gewisser Standesdünkel eine Rolle

Andere Eltern wählen Privatschulen ganz bewusst aus, weil diese ein besonderes pädagogisches Konzept, die eigene Weltanschauung oder auch eine bestimmte Konfession vertreten. Gerade in gehobenen Schichten spielt auch ein gewisser Standesdünkel eine Rolle. "Oder mein Kind soll nicht an die Schule, wo die ganzen Ausländer sind. Und wenn es gar nicht anders geht wegen der Sprengelpflicht, dann komme ich um die öffentliche Schule nur herum, wenn ich eine private Schule wähle", schildert Paede.

Im zu Ende gehenden Schuljahr 2018/2019 gingen im Freistaat nach Angaben des Statistischen Landesamtes 141 500 Kinder und Jugendliche auf 594 allgemein bildende Privatschulen. Das sind 11,4 Prozent aller Schüler im Freistaat. Zehn Jahre zuvor gab es erst 523 private Schulen mit allerdings knapp 146 300 Schülern, was damals einem Anteil von 10,4 Prozent entsprach.

Es entscheiden sich also mehr Eltern für eine Privatschule - obwohl sie dafür zum Teil tief in die Tasche greifen müssen. Zwar zahlt ihnen der Freistaat bei staatlich anerkannten Realschulen, Gymnasien, beruflichen Schulen und Schulen des Zweiten Bildungsweges bis zu 106 Euro Schulgeldersatz pro Monat. Doch etwa für das Privatgymnasium Holzkirchen sind monatlich 335 Euro fällig - plus 3,70 Euro täglich für ein warmes Mittagessen. Was noch moderat ist, verglichen mit den Kosten für elitär ausgerichtete Privatschulen, die leicht 1500 Euro und mehr pro Monat betragen können.

Ganzheitliche Bildung - oft ein Plus von Privatschulen

Geld, das tatsächlich oft einen Unterschied macht, wie Simone Fleischmann weiß. Die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands war zuvor Rektorin einer öffentlichen Hauptschule und sieht durchaus die Vorteile von Privatschulen - nicht nur, was Gebäude und Ausstattung, sondern auch was pädagogische Konzepte und die Ansprüche an politische sowie ganzheitliche Bildung oder die Projektorientierung anbelangt. "Da gibt es Arbeitsgemeinschaften, von denen träumen wir, weil wir an vielen öffentlichen Schulen gerade einmal das Regelangebot anbieten."

Ohne Neid resümiert sie: "Da ist schon noch mal eine ganz andere Angebotsvielfalt und Professionalität unterwegs, weil viele dieser Privatschulen eine ganz andere finanzielle Basis haben." Dies könne auch zu einer deutlich individuelleren Förderung des einzelnen Kindes führen. Mit Blick auf die öffentlichen Schulen hingegen bilanziert Fleischmann: "Wir müssen für alle ein Angebot machen und können dadurch nicht mehr für alle die Individualität abbilden, weil wir die Ressourcen nicht haben."

Für so manches Kind ist die Privatschule daher der rettende Hafen. Carsten L. beispielsweise wäre als "nichtbeschulbar" auf einer Förderschule gelandet, hätte ihn seine Mutter nicht stattdessen in eine Waldorfschule gesteckt. Der damals Elfjährige rebellierte gegen alles, erst recht gegen Autoritäten. In der Waldorfschule konnte er sich in vielen Bereichen ausprobieren, fand Halt. Heute ist Carsten L. nicht nur ein fürsorglicher Familienvater und stark ehrenamtlich engagiert. Als studierter Sozialarbeiter versucht er zudem, Kindern aus Problemvierteln eine Perspektive aufzuzeigen.
(Elke Richter, dpa)

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