Unser Bayern

Die Violinen des Georgianums aus dem späten 18. Jahrhundert sind Mittenwalder Geigenbauerkunst. (Foto: Jan Kopp)

05.07.2019

Disziplin nach Noten

Einige historische Instrumente im Herzoglichen Georgianum erinnern an die Musikpflege der Theologen in spe

Angaben darüber, wie die Musikpflege an der altbayerischen Landesuniversität Ingolstadt beschaffen war, sind äußerst selten. Das hängt insbesondere damit zusammen, dass die hierfür einschlägigen Bestände des Universitätsarchivs kurz vor Kriegsende 1945 verbrannten. Man ist daher auf zeitgenössische Beschreibungen angewiesen, wie sie hauptsächlich aus Anlass von Besuchen berühmter Persönlichkeiten entstanden.

Im Jahr 1778 besuchte der Schweizer Theologe Johann Caspar Lavater Ingolstadt. Sein Hauptinteresse galt einem Gemälde in der Kunstsammlung der Universität, dem sogenannten Orbanschen Saal, das er in Verbindung mit seinen physiognomischen Studien setzte. Zu Lavaters Ehren organisierten die Studenten eine „Musica“, die ihn außerordentlich erfreute. Eine ähnliche Begeisterung stellte der Berichterstatter fest während der Vorführung physikalischer Experimente. Weiter liegen Angaben vor über den Fürstenbesuch des Jahres Disziplin nach Noten Einige historische Instrumente im Herzoglichen Georgianum erinnern an die Musikpflege der Theologen in spe 1794. Kurfürst Karl Theodor erreichte Ingolstadt mit dem Schiff. Ihm fuhr ein von der Universität ausgestattetes Schiff entgegen, auf dem sich „20 Herrn academici mit türkischer Musik und einem Chor, Paucken und Trompetten“ befanden. Mittags veranstalteten die Studenten eine Tafelmusik, die vom Landesherrn sehr goutiert wurde. 

Lob und Geschenke

Diese beiden Beispiele zeigen, dass die Universität, und hier wiederum die Studentenschaft, in der Lage war, Festlichkeiten musikalisch adäquat zu begleiten. Zudem enthielt das Repertoire auch Sonderformen wie Serenaden („Kassationen“). Daneben boten solche Aufführungen die Möglichkeit, einzelne begabte Musiker potenziellen Förderern zu präsentieren. Das geschah auch beim Besuch von Karl Theodor. Dieser bewunderte die schöne Stimme eines Tenoristen und die „Fertigkeit und Geschicklichkeit“ eines Violinisten, der in der Hauptsache jedoch Absolvent der Rechtswissenschaft war. Außerdem fiel das musikalische Engagement der jungen Akademiker nicht zu deren Ungunsten aus – die Mitwirkenden an der Wassermusik erhielten aus München ein „Douceur“, also ein Geldgeschenk, übersandt.

Wesentlich besser ist die musikalische Überlieferung für das Herzogliche Georgianum, also für jenes 1494 von Herzog Georg dem Reichen als Zustiftung zur Landesuniversität errichtete Kolleg, das seit dem späten 18. Jahrhundert ausschließlich zur Heranbildung künftiger Priester diente. Sowohl die Musikinstrumente als auch die Musikhandschriften (siehe Seiten 6 und 7 dieser Ausgabe) wurden im Zweiten Weltkrieg evakuiert. Außerdem lassen sich aus dem Archiv des Georgianums, das in seinem Altbestand ebenfalls keine Kriegsverluste zu verzeichnen hat, zahlreiche Hinweise zur Musikpflege gewinnen.

Dem Stiftungsbrief des Georgianums kann entnommen werden, dass die elf Stipendiaten für das Seelenheil Herzog Georgs des Reichen sorgen sollten, und zwar durch musikalisch gestaltete Gottesdienste und Andachten. Wichtigste Zugangsvoraussetzung war denn auch die annäherungsweise Beherrschung des gregorianischen Gesangs. Neben den Sänger-Stipendiaten gab es Stipendiaten, die parallel zum Studium die Orgel schlugen, den Chor leiteten oder als Diskantisten den mehrstimmigen Gesang beherrschten.

Detaillierte Aufschlüsse darüber, wie sich im Georgianum das kirchenmusikalische Leben gestaltete, finden sich in der ältesten erhaltenen Jahresrechnung von 1591/92. Darin ist auch erstmals eine Orgel in der Hauskapelle erwähnt, wohingegen konkrete Hinweise auf andere Instrumente erst für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten sind. Das hängt auch damit zusammen, dass die bayerischen Landesherren der fortgeschrittenen Aufklärungszeit, die in selbstverständlicher Weise das oberste Patronat über das Herzogliche Georgianum ausübten, sich nicht mehr mit den knappen Zugangsvoraussetzungen des späten Mittelalters begnügen wollten, sondern bei den Stipendiaten gediegene musikalische Fähigkeiten einforderten. Der Georgianer als künftiger Landpfarrer musste Volks-, Tugend- und Sittenlehrer sein, also eine Vorbildfunktion ausüben. Aus den Quellen geht deutlich hervor, dass das dilettierende Musizieren für den ländlichen Seelsorger als sinnvolle Beschäftigung betrachtet wurde, die ihn abhalten sollte von nicht standesgemäßen Aktivitäten wie den ohnehin untersagten Wirtshausbesuchen – Musik als Form der Sozialdisziplinierung.

Musik und Moral

In der Rubrik „Disciplin-Sachen“ heißt es dementsprechend 1781 in einer die Verhältnisse im Georgianum regelnden Verordnung, der Regens habe darüber zu wachen, dass alle Stipendiaten an unterrichtsfreien Tagen unter Anleitung des Chorregenten auf ihren Instrumenten übten und im Speisesaal musikalische Darbietungen organisierten. Die tatsächliche Umsetzung dieser Verordnung schildert Regens Joseph Cölestin Haltmayr: „Sammentliche Stipendiaten und Convictoren, so in der Music erfahren, versammeln sich im Wintter im Refectorio, im Sommer auf dem Saal nach dem Nachtessen an jeden Schulltägen und führen, unter meiner Direction (denn meine Wenigkeit ist auch musikalisch, und macht selbst mit) Symphonien, Concerten, auf dem Violin, Flautrovers, und dergleichen Instrumenten auf. Manchmal werden auch Kürchenstück zur Probe untermischt usw. Alles dieses geschicht aber von darumen, weill einestheils vermög Höchstdero Befehlen dergleichen Music-Exercitien, und damit die herkömlichen Gottesdienst fundationsmässig wieder abgehalten werden möchten, anzustellen sind, anderntheils aber so eine Unterhaltung verursachet, daß die Alumnen, und Kostgänger desto liber an Schulltägen nach dem Tisch zu Hause bleiben, durch so ein Exercitium in der Music geübter, verfeinert, und von Spillen, und anderen schädlichen Dingen abgezogen werden.“... (Claudius Stein)

Abbildung: Das Violoncello aus der Instrumentensammlung des Georgianums wurde 1762 in Mittenwald gebaut. (Foto: Jan Kopp)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Ausgabe Juli/August von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 27 vom 5. Juli 2019 beiliegt.

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