Unser Bayern

Ob Schokolade, Knödel, Waschmittel oder Alkoholisches: Werbebotschaften "von oben" schienen vielen Firmen in ganz Nachkriegsdeutschland (hier in Berlin-Tempelhof) besonders vielversprechend. (Foto: SZPhoto)

16.11.2012

Himmlische Botschaften

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg boomten in Bayern Werbeflüge

Die Beeinflussung des Menschen zu kommerziellen Zwecken – kurz Werbung – ist heute ein wesentliches Moment in unserem Leben, das beinahe überall anzutreffen ist und uns förmlich überflutet. Vor allem die neuen Medien, wie das World Wide Web oder E-Mail sind beliebte Kommunikationswege für die Wirtschaft, um Werbebotschaften zu verbreiten. Getreu dem Motto der Firma Koch Luftwerbung „Nur der Himmel ist die Grenze für Ihre Werbebotschaft" wird aber auch heute noch auf das traditionelle Mittel der Luftwerbung zurückgegriffen. Über Münchner Dächern sieht man einen Zeppelin schweben zjm Beispiel mit dem Schriftzug der Süddeutschen Zeitung. Alljährlich bietet das Oktoberfest einen idealen Anlass, die große Masse der Volksfestbesucher auf ein bestimmtes Produkt vom Himmel herab aufmerksam zu machen. Aber die Luftwerbung ist keine Erfindung erst unserer Tage: Bei einer Aussonderung in der Registratur des Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie stießen Mitarbeiter des Bayerischen Hauptstaatsarchivs auf einige interessante Akten zu den ersten Reklameflügen in der Nachkriegszeit. Professionelle Werbung erlebte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg einen Boom. Markenprodukte gewannen an Bedeutung und wurden um 1930 zunehmend strategisch vermarktet. Das Backpulver von Dr. Oetker oder Persilwaschmittel sind klassische Beispiele für gezielt beworbene Massenprodukte dieser Zeit. Sogenannte Himmelsschreiber – Flugzeuge die mittels eines speziellen Rauchs einen Schriftzug am Himmel hinterlassen – warben etwa in den 1930er Jahren für Persil. Als sich in den 1950er und 1960er Jahren zunehmend Selbstbedienungsläden durchsetzten, wurde es zunehmend wichtiger, die Aufmerksamkeit der Konsumenten für einzelne Produkt zu wecken – ob am Boden oder in der Luft. Die Genehmigung zur Durchführung von Reklameflügen war bis 1955 jedoch durch die alliierten Besatzungsmächte streng reglementiert. Bis zur Wiederherstellung der deutschen Lufthoheit musste für die Erteilung einer Genehmigung für Reklameflüge und Rundflüge in Deutschland nach § 75 der Verordnung über Luftverkehr folgendes Verfahren beschritten werden: Das zuständige Luftamt – in Bayern das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr – musste seine Zustimmung erteilen und diese zusammen mit einer gutachterlichen Stellungnahme an das Bundesministerium für Verkehr weiterleiten. Stimmte dieses dem Reklameflug für ein bestimmtes Gebiet und zu einem bestimmten Zeitpunkt zu, ging der Antrag weiter zur Alliierten Hohen Kommission nach Frankfurt. Die Genehmigung konnte letzten Endes nur das Zivile Alliierte Luftamt erteilen. Vor Übergang der Lufthoheit an Deutschland im Jahr 1955 gestalteten sich Reklameflüge wie über das Oktoberfest, das als Massenveranstaltung besonders im Fokus der Werbewirtschaft lag, noch schwierig. Die Zündapp-Werke etwa waren nicht nur als Aussteller im Elektrohof der Landwirtschaftsschau auf der Wiesn 1951 vertreten. Sie planten auch die Luftwerbung mit der Schleppschrift „Zündapp-Nähmaschinen": Ausländische Flugzeuge sollten insgesamt fünf Flugstunden absolvieren. Das bayerische Wirtschaftsministerium schob dieser geplanten Aktion jedoch einen Riegel vor, da eine fernmündliche Aussage beim Bundesverkehrsministerium ergeben hatte, dass nicht die geringste Aussicht bestehe, den Antrag beim Zivilen Alliierten Luftamt durchzubringen. Mehr Erfolg hatte dann bereits die Schweizer Uhrenfirma Georges Piaget & Co., die im Jahr 1953 nicht nur Reklameflüge in Augsburg, Neu-Ulm und Ulm, sondern auch während des Oktoberfests in München und Umgebung durchführen konnte. Gegen die langsam, aber stetig zunehmende Werbung in der Nachkriegszeit etablierte sich die „Arbeitsgemeinschaft gegen die Auswüchse der Außenreklame" mit Sitz in Hildenbach/Westfalen. „Statt Regen Feuerwasser von oben" – so betitelte die AG eines ihrer Beschwerdeschreiben, in dem sie besonders die mehrwöchige Werbetournee der Firma Underberg anprangerte. Nach einem sechswöchigen Rundflug durch Deutschland landete ein mit dem Underberg-Logo bestückter Hubschrauber auf dem Jahn-Platz in Siegerland, wo sich eine große Menschenmenge versammelt hatte, die nach einem Bericht der Lokalpresse vom 4. November 1953 von den Polizeiabsperrmannschaften kaum im Zaum gehalten werden konnte. Hunderte von kleinen Underberg-Schnapsfläschchen wurden kostenlos in der Menge verteilt. In einigen dieser Fläschchen befanden sich sogar Freiflugscheine für einen Hubschrauberflug, die gleich an Ort von den glücklichen Gewinnern eingelöst werden konnten. Dies begeisterte die Menge wohl noch mehr als die Flugkunststücke des Hubschrauberpiloten. Die AG kritisierte nicht nur die Freiflüge aller Siegener Polizeichefs, sondern warnte auch davor, dass diese Art von Reklame bald Schule machen würde. Nach Übergang der Lufthoheit im Jahr 1955 änderte sich die Lage schlagartig und die Befürchtungen der AG bewahrheiteten sich: Die Genehmigungen für Reklameflüge nahmen sprunghaft zu. Nicht nur die Firma Henkel machte mittels eines Hubschraubers Werbung am Himmel für ihr Waschmittel Persil. Schleppbänder an Flugzeugen warben für viele Produkte verschiedener anderer Firmen: Für Zigaretten ebenso wie für „Pfanni-Knödel" (Spruchband an einem Doppeldecker mit gelben Tragflächen und rotem Rumpf am 7. Juli 1957 in München und Umgebung), „Edeka-Sonne-Margarine", „Trumpf-Schokolade" und „Trumpf-Praletten". Zuständig für die Genehmigung war nun allein die oberste Landesverkehrsbehörde, in Bayern also das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr. Zusätzlich dazu war auch die schriftliche Äußerung der örtlich zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erforderlich. In Bayern wurden grundsätzlich nur Reklameflüge genehmigt, die durch Berufspiloten durchgeführt wurden. In Großstädten waren diese Flüge nur in einer Höhe von mehr als 500 m über Grund erlaubt. Die Bewilligung von Reklameflügen über dem Stadtgebiet von München während des Oktoberfests behielt sich das Wirtschaftsministerium in jedem Einzelfall vor. Mit der Zahl der Reklameflüge stieg auch die Zahl der Beschwerden über die Lärmbelästigung, die vor allem aus dem Großraum Nürnberg im Ministerium einliefen. Am „Tag des Kindes" in Nürnberg (22. Oktober 1956) sei der Lärm der Reklameflüge so stark gewesen, dass die Vorführungen teilweise unterbrochen werden mussten, wie einem Beschwerdeschreiben in einem Ministerialakt zu entnehmen ist. Um das Ruhe- und Erholungsbedürfnis der Allgemeinheit zu wahren wurde – auch im Hinblick auf die strengeren Bestimmungen in anderen Bundesländern – das Flugverbot für Reklameflieger in Bayern im Jahr 1957 verschärft und an Sonn- und Feiertagen der Luftraum komplett für diese Zwecke gesperrt. Ausnahmen von den erlaubten Flugzeiten von Montag bis Freitag zwischen 8 und 18 Uhr sowie am Samstag von 8 bis 14 Uhr aus Anlass von Massenveranstaltungen, Volksfesten und ähnlichen Menschenansammlungen entschied das Ministerium von Fall zu Fall. Ausnahmegenehmigungen für Reklameflüge mit Schleppbannern anlässlich von Volksfesten oder Massenveranstaltungen lassen sich jedoch zuhauf in den Akten finden: etwa im Jahr 1957 die Werbeaktionen anlässlich des Landauer Volksfestes im Luftraum über Landau an der Isar und Simbach am Inn sowie während wichtiger Fußballspiele über dem Nürnberger Sportstadion oder in Erlangen aus Anlass des Motor-Cross-Rennens am 18. Mai 1958. Heiß begehrt für die Verbreitung von Werbebotschaften war der Himmel über der bayerischen Landeshauptstadt, vor allem zu Zeiten von Großveranstaltungen. So etwa anlässlich der Kundgebung der Zeugen Jehovas auf der Theresienwiese, wo sich am Juliwochende 20./21. im Jahr 1957 etwa 40 000 Menschen versammelt hatten, beim Fußballoberligaspiel TSV 1860 München gegen FSV Frankfurt am 22. August 1957, während des Faschingsumzugs im Jahr 1958 oder in der Gegend der Badeplätze am Starnbergersee. (Irmgard Lackner) Lesen Sie den vollständigen Beitrag im November-Heft von Unser Bayern.

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