Unser Bayern

Einige Motive benötigen umfangreiche Kameraufbauten wie jene hier abgebildete, die auf dem Dach der Münchner ARRI-Zentrale für die Fotografie vom Mond installiert war. (Foto: Peter C. Slansky)

04.05.2018

Himmlische Spektakel

Besonders das bayerische Alpenvorland bietet gute Möglichkeiten für außergewöhnliche Astronomiefotos

Ist der Himmel über Bayern etwas Besonderes? Als aus dem Rheinland Zugereister kann ich das wohl ohne den Verdacht des Eigenlobs behauptenstätigen (wobei der Bayer in Bezug auf Letzteres nicht zu Überempfindlichkeit neigt). Seit ich im Herbst 1999 meine Professur der Film- und Fernsehtechnik an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (HFF) antrat, beobachte und fotografiere ich die vielfältigen Himmelslichterscheinungen von Bayern aus, und zwar am Tage und in der Nacht. Mit dieser dunklen – beziehungsweise lichten – Leidenschaft, der Astronomie, kann ich meine professionellen Kenntnisse über die Grundlagen der Farben und des Lichts und über Film- und Fernsehkameras auf das Schönste verbinden. Da ich kein eigenes Observatorium besitze, sind die meisten Beobachtungen für mich mit Reisen verbunden. So verschmelzen in jedem der in diesem Beitrag gezeigten Bilder stets vier Dinge:
• das astronomische oder meteorologische Objekt beziehungsweise Ereignis,
• der Zeitpunkt,
• der Beobachtungsort und
• die eingesetzte Bildtechnik. Die Voralpen, vor allem aber das Gebiet um den Wendelstein, sind bekannt für das häufige Auftreten farbiger Himmelslichterscheinungen wie Nebensonnen, Lichtbögen, Gloriolen oder irisierende Wolken am Tage. Sie alle haben ihre Ursache in der Wellenlängenabhängigkeit der Brechung, Beugung oder Streuung des Lichts in der Erdatmosphäre. Manchmal sind die Wetterbedingungen aber auch dergestalt, dass diese Lichterscheinungen schon im Alpenvorland gesehen werden können. Insofern ist der bayerische Himmel tatsächlich etwas Besonderes. Zur Dokumentation bedarf es oft keiner besonders ausgefeilten Fototechnik – gut ist die Kamera, die man gerade dabei hat.

Irisierende Wolken am Starnberger See

Am 10. Januar 2015 fuhr bei frühlingshaften 16 Grad Celsius ein Föhnsturm über die Voralpen. Auf meiner gesamten Wanderung am Starnberger See entlang, von Tutzing bis Seeshaupt, konnte ich das intensive Farbenspiel der Sonne in einer Höhenwolke beobachten (Bildergalerie: Bild 2). Anders als bei einem Regenbogen, beruht das Irisieren nicht auf der Brechung, sondern auf der Beugung des Lichts an den Wassertröpfchen der Wolke. Diese Beugung ist sowohl vom Durchmesser der Wassertröpfchen abhängig als auch von der Wellenlänge des Lichts. Auf diese Weise können sich unter bestimmten Einfallswinkeln unterschiedliche Farbwirkungen ergeben. Das Irisieren war an dem Tag auch mit dem bloßen Auge sehr gut zu sehen, besonders gut aber durch die Sonnenbrille. Die Aufnahme erfolgte mit einer einfachen Digitalkamera. Diese Kamera habe ich übrigens 2009 auf dem Eis des Schneefernergletschers auf der Zugspitze gefunden – aber das ist eine andere Geschichte …

Doppelter Halobogen über dem Herzogstand

Die Fotografie, die Sie an erster Stelle in der Bildergalerie am Ende des Beitrags sehen, entstand mit einer digitalen Spiegelreflexkamera bei einer Wanderung vom Herzogstand über den Grat zum Heimgarten. Sie zeigt einen relativ seltenen doppelten Halobogen. Diese Lichterscheinung ist kein Verwandter des Regenbogens, sie entsteht vielmehr aufgrund der wellenlängenabhängigen Beugung des Sonnenlichts an feinen Eiskristallen in der Luft. Die Bögen treten bei bestimmten Winkeln zur Sonne auf, entsprechend tragen sie eigene meteorologische Bezeichnungen. In diesem Fall sieht man einen „Parrybogen“ über einem „oberen Berührungsbogen“. Nicht nur am Tag, sondern auch bei Nacht bietet der Himmel über Bayern gute Beobachtungsbedingungen. Davon kündet, aus allen Himmelsrichtungen von weit her sichtbar, das Observatorium der Universitätssternwarte München auf dem 1838 Meter hohen Wendelstein. Doch auch in tieferen Lagen lohnt sich für Fotografen der Blick gen nächtlichen Himmel. Ein ideales Beobachtungsobjekt für den astronomischen Einsteiger ist der Mond. Dabei ist es durchaus schwierig, den visuellen Eindruck beim Blick durch ein Teleskop in ein adäquates Foto umzusetzen, da die Kontraste sehr hoch sind.

Schmale Mondsichel als Kameratest

Bildergalerie, drittes Bild: Ein aufnahmetechnisch besonders anspruchsvolles Motiv stellt die schmale Mondsichel dar, wenige Tage vor oder nach Neumond, wenn man die helle und die dunkle Seite des Mondes gleichzeitig abbilden möchte. Lange Zeit überforderte der enorm hohe Kontrast von weit mehr als 1000:1 die meisten Kameras. Die schmale Sichel des abnehmenden Mondes ist nur am morgendlichen Herbsthimmel gut zu beobachten, wenn der Mond kurz vor Dämmerung noch hoch genug am Himmel steht. Leider ist in dieser Jahreszeit das Wetter oft sehr unsicher. Die Aufnahme realisierten Matthias Knülle und ich am 21. November 2011 um 6 Uhr morgens vom Dach der ARRI-Zentrale in der Münchner Türkenstraße aus mit einem 10 cm Zeiss-Teleskop. Das Bild  zeigt den sehr hohen übertragbaren Kontrastumfang einer digitalen Filmkamera vom Typ ARRI Alexa: Sowohl der helle als auch der dunkle Teil des Mondes wird mit Zeichnung wiedergegeben, ohne dass ein einziger Pixel überbelichtet wird. Dabei handelt es sich um einzelnes Bild aus einer Filmaufnahme mit 24 Bildern pro Sekunde zu Testzwecken, wobei die dunkle Mondseite nicht getrennt von der hellen nachbearbeitet wurde.

Mondfinsternis über der Kampenwand

Nicht allgemein bekannt ist, dass Mondfinsternisse seltener sind als Sonnenfinsternisse. Allerdings kann eine Mondfinsternis überall auf der Erde beobachtet werden, sofern der Mond zu sehen ist, während eine Sonnenfinsternis immer nur entlang eines Streifens, des sogenannten Finsternispfades, auftritt. Die Aufnahme einer Mondfinsternis - Motiv 4 in der Bildergalerie - wurde am Abend des 15. Juni 2011 um 22:20 Uhr vom Ortsrand von Loitersdorf bei Aßling aus mit einem Teleobjektiv und einer digitalen Spiegelreflexkamera aufgenommen. Bei Mondaufgang hatte die Totalität gerade begonnen, sodass der Mond zur Finsternismitte besonders dunkel am noch aufgehellten Abendhimmel stand. Mit bloßem Auge war der verfinsterte Mond kaum zu erkennen, erst die Fotografie mit einer Sekunde Belichtungszeit macht ihn richtig sichtbar. Außer dem Mond sind noch einige Sterne zu erkennen; das helle Licht unten stammt von der Bergstation der Seilbahn auf die Kampenwand. Ich liebe dieses Bild besonders, weil es zwei entgegengesetzt farbige Objekte zeigt, deren Farben aus derselben physikalischen Ursache entstehen: Sowohl das Blau des Himmels als auch das Rotorange des verfinsterten Mondes beruhen auf der Streuung des Lichts an den Molekülen der Luft. Diese nach ihrem Entdecker Lord Rayleigh benannte Streuung funktioniert für kurze Wellenlängen besonders gut, daher erscheint der Himmel blau. Der durch den Schatten der Erde verfinsterte Mond wird dagegen nur noch von dem Sonnenlicht erreicht, das durch die Erdatmosphäre gebrochen wird. Da dieses Licht – wie beim Abend- oder Morgenrot – extrem flach auf die Erdatmosphäre fällt, fehlen ihm die gestreuten Blauanteile. Daher leuchtet der verfinsterte Mond kupferrot. Weil die astronomischen und atmosphärischen Bedingungen bei jeder Mondfinsternis unterschiedlich sind, variiert auch die jeweilige Rotfärbung des verfinsterten Mondes entsprechend in Farbton und Farbsättigung. Insofern bilden die Farben jeder Mondfinsternis gewissermaßen deren einmaligen „Fingerabdruck“.

„Fehlfarben“ im Sonnenlicht

Das Licht der bis hierher gezeigten Objekte beziehungsweise Phänomene hat seinen Ursprung in der Sonne. Und die Beobachtung der Sonne hat in Bayern eine lange Tradition. So betrieben zum Beispiel Joseph von Utzschneider und Josef von Fraunhofer in Benediktbeuern im 19. Jahrhundert ihre Glashütte, über die wesentliche Fortschritte in der Herstellung von Linsen und Prismen für Teleskope erreicht wurden. Mit seinen eigenen Teleskopen entdeckte Joseph von Fraunhofer vor 200 Jahren im Spektrum des „weißen“ Sonnenlichts zahlreiche dunkle Linien, „Fehlfarben“ gewissermaßen, deren Ursache erst später durch Andere erklären werden konnte. Dieser Beginn der Spektroskopie stellt einen Wendepunkt in der Geschichte der Astronomie dar.
Doch auch andere Faktoren spielten für die Sonnenbeobachtung in den Alpen eine Rolle. So stören die gewaltigen Magnetfelder der Sonne, die einem ständigen Wechsel durch die Sonnenaktivität unterliegen, die Funkwellen. Das war im Zweiten Weltkrieg von entscheidender Bedeutung. Es war die deutsche Luftwaffe, die auf Anregung von Johannes Plendl und Karl Otto Kiepenheuer ein Netz von vier Sonnenbeobachtungsobservatorien aufbaute: auf dem Schauins­land bei Freiburg, auf der Zugspitze, auf dem Wendelstein und auf der Kanzelhöhe oberhalb von Villach in Kärnten. Während das ursprüngliche Sonnenobservatorium auf der Zugspitze nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern demontiert wurde, „überlebte“ das Sonnenobservatorium auf dem Wendelstein und wurde sogar ausgebaut. 1963 wurde ein damals hochmodernes 20-cm-Sonnenteleskop der Firma Zeiss in Betrieb genommen, ein sogenannter Koronograph, der auch die Beobachtung der Sonnenkorona zulässt. Das Gerät ist heute noch einsatzbereit. Doch aufgrund der auch in den Alpen stärker gewordenen Luftverschmutzung hat sich der Schwerpunkt von der Sonnenforschung weg und hin zur Nachtbeobachtung verlagert. Daher wird der Koronograph heute nur noch im Rahmen von Führungen eingesetzt – oder bei besonderen Gelegenheiten. Manche Amateurastronomen reisen deswegen um die ganze Welt: Eine Sonnenfinsternis zählt zu den spektakulärsten Himmelsereignissen überhaupt. Einmal traf ich einen deutschen SoFi-Fan, der bereits 23 totale Sonnenfinsternisse beobachtet hatte. Die Finsternis vom 31. Mai 2003 (Motiv 5 der Bildergalerie) war zwar in München nur partiell und hatte auch bereits vor Sonnenaufgang begonnen, andererseits lag darin auch ihr ästhetischer Reiz und ihre fotografische Herausforderung... (Peter C. Slansky)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe Mai/Juni von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 18. vom 4. Mai 2018 beiliegt.Weitere Themen im Heft:

- Das Herz Altbayerns. 800 Jahre Neustadt Straubing: eine Stadtgründung zur Absicherung wittelsbachischer Herrschaft

- Durchtriebene Mätresse. Der aus Vilseck stammende Elias Peißner spielte eine wichtige Rolle in der Staatskomödie um Ludwig I. und Lola Montez

- Begnadeter Entertainer. Der kleinwüchsige Matthias Buchinger aus Ansbach verschaffte sich selbst bei Kaisern und Königen Anerkennung

- Maria hat geholfen. Im Marienmonat Mai suchen viele Wallfahrer den Weg ins oberbayerische Birkenstein

- Ohne Holz kein Salz. Warum Bayern auf österreichischem Gebiet Wälder gehören: Die Saalforste schreiben ein kurioses Stück Rechtsgeschichte

- „Das arme Bayerlandt“. Wie und warum der Dreißigjährige Krieg nach Bayern kam – und was er dort anrichtete

- Gottes warnender Fingerzeig. 1618 erschienen gleich drei Kometen: Bußprediger redeten sich in Rage, die Drucker hatten alle Hände voll zu tun

- Diplomatisch, aber machtlos. Vor 150 Jahren wurde Otto von Dandl geboren, der letzte Ministerpräsident des Königreichs Bayern

- Einst tat die E-Lok Johanna im Ammertal ihren Dienst – jetzt steht sie als technisches Denkmal in Murnau

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