Manchen Orten nähere sie sich immer mit einem Herzklopfen, schrieb die Kunsthistorikern und Schriftstellerin Johanna von Herzogenberg (1921 bis 2012): „Salzburg ist so eine Stadt oder Bamberg.“ In der Tat haben beide Städte einiges gemeinsam. Und wie auch in Würzburg oder Prag eröffnen sich schon bei der Annäherung Perspektiven auf ein altes städtisches Zentrum am Fluss sowie auf die oberhalb der Städte gelegenen Kunstdenkmale.
Vor 1000 Jahren wurde in Bamberg das Benediktinerkloster St. Michael auf der als „Michelsberg“ bezeichneten Anhöhe über der Regnitz gegründet. Baugeschichtlich ist es bewusst auf repräsentative Sichtachsen hin angelegt. Manche Reisende mögen deshalb den schlossartigen Klosterkomplex, der höher als der Dom aufragt und dem Prager Hradschin ähnelt, im ersten Moment für den Bamberger Kaiserdom oder die angrenzende Neue Residenz der Fürstbischöfe halten. Am Domplatz angekommen, fällt die Verwechslung schnell auf, aber ein Blick vom nahen Rosengarten der Residenz
aus entschädigt vollkommen: Über die verschiedenfarbigen Rosen, die allegorischen Figuren von Ferdinand Tietz und den Rokoko-Pavillon von Johann Jakob Michael Küchel geht der Blick unweigerlich zur Klosteranlage hinauf, wodurch der barock gestaltete Rosengarten sehr wohl vergleichbar ist mit dem Garten des Palais Waldstein in Prag, dem Mirabellgarten in Salzburg und dem Garten der Würzburger Residenz; denn von jeder dieser Anlagen aus ist eine berühmte Burg oder Kirche zu sehen.
Archäologische Untersuchungen beweisen, dass es vor dem Bau des Klosters auch auf dem Michelsberg eine befestigte Anlage gegeben hat, die dann jedoch aufgeschüttet respektive eingeebnet wurde. Nachdem Heinrich II. noch als König (Kaiser ab 1014) im Jahr 1007 sein Bistum Bamberg ins Leben gerufen und den Dombau begonnen hatte, war es ihm und gewiss auch seiner Gemahlin Kunigunde von Luxemburg ein Anliegen, ein Kloster zu Ehren des Erzengels Michael zu gründen. Die kultische Verehrung des heiligen Michael geht auf die Antike zurück und hat sich vom Orient her nach Westen und Norden ausgebreitet. Er galt seit dem Mittelalter als ritterlicher Beschützer des Christentums und des Heiligen Römischen Reichs, wobei nicht zuletzt durch die ihm gewidmeten Heiligtümer vorchristliche Kultstätten überformt wurden: Bekannt sind etwa die Abtei Mont Saint Michel in der Normandie oder das Felsenriff Skellig Michael, weit draußen im Atlantik vor der Westküste Irlands.
Eines der ursprünglichen Michaelsheiligtümer ist auf dem Monte Gargano/Monte Sant’Angelo in Süditalien zu finden, wo der Erzengel im Jahr 495 erschienen sein soll. Diesen Wallfahrtsort wird Kaiser Heinrich vermutlich selbst besucht haben. Jedenfalls passte die Michaelsverehrung gut in sein herrschaftliches Weltbild, zumal er seine neue Bistumsstadt Bamberg wie das weltliche und kirchliche Zentrum Rom auf sieben Hügeln errichtete, den Dom dem heiligen Petrus weihte und die frühen Kirchenbauten in Form eines überdimensionalen Kreuzes anlegen ließ. Und hoffte das kinderlose Kaiserpaar nicht auf die endzeitliche Seelenwägung, die dem Erzengel zugeschrieben wird?
Im Jahr 1015 war es dann soweit: Kaiser Heinrich II. übertrug seinem Kanzler Eberhard, dem ersten Bamberger Bischof (regiert 1007 bis 1040), 14 Güter, die als Ausstattung des vom Bischof zu initiierenden Klosters auf dem Michelsberg gelten. Dass vor allem nach den klösterlichen Urkunden des 12. Jahrhunderts die Klostergründung unmittelbar vom Kaiser ausgegangen sein soll, ist eine absichtliche Verfälschung der Tatsachen und dem Wunsch geschuldet, die Reichsunmittelbarkeit des Klosters zu begründen, wonach die Ernennung der Äbte und die Regentschaft nicht den Bamberger Bischöfen zugestanden hätte.
Diese Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien, die 1673 gar in der bischöflich angeordneten Verhaftung des Michelsberger Abtes Roman Kauer gipfelte, dauerte bis zur Säkularisation, also der Aufhebung des Fürstbistums Anfang des 19. Jahrhunderts an und blieb letztlich für das Kloster erfolglos.
Der Bau der Benediktinerabtei, die wahrscheinlich von Mönchen aus dem Kloster Fulda besetzt wurde, hatte rasche Fortschritte gemacht, sodass die Klosterkirche am 2. November 1021 von Bischof Eberhard I. geweiht werden konnte – und das unter Anwesenheit des Kaiserpaars sowie hoher Adeliger des Reiches. Zudem wirkten zwei Erzbischöfe, nämlich Aribo von Mainz und Pilgrim von Köln, bei der Konsekration mit.
Das Ansehen und der Reichtum der Abtei wuchsen stetig. Durch Zustiftungen des Adels – sei es wegen des Seelenheils oder durch Eintritte adeliger Nachkommen ins Kloster – verfügte sie im 12. Jahrhundert über mehr als 400 Liegenschaften in der ganzen Südhälfte des Reiches, gegen Ende des Mittelalters sogar über mehr als 1400. Deren Verwaltung war allerdings nicht unproblematisch, denn die einzelnen Besitztümer lagen oft weit verstreut. Nachrichten zu übermitteln oder Einnahmen und Naturalien zu transportieren, war nur unter erheblichem Aufwand möglich. Dem versuchte man durch den Tausch oder den Verkauf von Immobilien zu begegnen. .
Auch im direkten Umfeld des Klosters verfügten die Mönche über Gärten, Ackerflächen, Weinberge, Wälder, Handwerksbetriebe oder eine Brauerei. Wege wurden ausgebaut, Rodungen vollzogen, Keller, Furten, Brunnen, Fischteiche und Brücken angelegt. Seit Ende des 15. Jahrhunderts war ein klösterliches Forstamt für die Waldungen zuständig. Schon früh wurden im Michelsberger Wald eine tiefe Brunnenstube und eine Wasserleitung zum Kloster angelegt. Bereits für das 11. Jahrhundert sind Teile einer Holzrohrleitung archäologisch nachgewiesen; schriftliche Aussagen erwähnen Bleirohre etwa ab dem Jahr 1130.
Dennoch war der Michelsberg im Gegensatz zu anderen Bamberger Stadtteilen wenig besiedelt. Auf dem Klosterberg lebten der Historikern Karin Dengler-Schreiber zufolge vorwiegend Bedienstete des Ordens, nämlich „Köche, Bäcker, Brauer, Weingärtner, Gärtner, Schuster, Walker (= Tuchmacher) und Schneider“; in den kleineren Höfen und den Dörfern des Klosters arbeiteten neben den Bauern unter anderem Kessler, Kandelgießer, Apotheker und Müller. Auf den Ackerflächen wurde hauptsächlich Getreide für die Broterzeugung sowie als Viehfutter angebaut.
Wenn man die Klostergeschichte verfolgt, fällt auf, dass kulturelle Blütezeiten mehrmals mit Zeitenwenden, Missständen und wirtschaftlichen Krisensituationen zusammenfielen. Schon bald nach Beginn trat das Problem der Simonie auf, also das Bestreben der in der Regel adeligen Mönche und Äbte, möglichst viele einträgliche Ämter zu erwerben. Von mönchischer Askese war oft keine Spur, wenn die Ordensmitglieder ihre luxuriöse weltliche Lebensweise pflegten. Bischöfliche Reformvorhaben scheiterten über die Jahrhunderte auch am Widerstand der Adelsfamilien mit der Begründung, dass sie mit ihren Stiftungen für das Wohlergehen des Klosters gesorgt hätten... (
Stefan Fröhling/ Andreas Reuß)
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Juni-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 25 vom 19. Juni 2015)
Abbildungen:In den letzten Jahren wurden statische Probleme in der Klosterkirche festgestellt. Als sogar Teile vom Deckengewölbe herab fielen, wurde der Zugang geschlossen. Untersuchungen und erste Sicherungen begannen, die Instandsetzung wird noch Jahre beanspruchen. (Foto: dpa)
Die Heilig-Grab-Kapelle am südlichen Querhausarm hat als Vorbilder das Heilige Grab zu Jerusalem, einen Totentanz in der Loreto-Kapelle der Wiener Hofkirche und die Wallfahrtskirche Maria Plain bei Salzburg. Den berühmten Stuck schuf Johann Georg Leinberger um 1730. Unten: 1611 entstand das Grabmal für Fürstbischof Johann Philipp, „entsprossen dem sehr berühmten wie uralten fränkischen adeligen Rittergeschlecht von Gebsattel“, so die Inschrift; es wurde 2006 von Adelbert Heil restauriert. (Foto: Andreas Reuß)
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