Unser Bayern

Jürgen Rose bei der Probe zur "Zauberflöte"; Rose inszenierte selbst für die Oper der Stadt Bonn/Großes Haus (1996). (Foto: DTM, Boris Quednow)

02.07.2021

Magier des Bühnenbilds

Ein Streifzug durch Jürgen Roses Lebenswerk, das er dem Deutschen Theatermuseum als Vorlass anvertraut hat

Je höher einen die Treppen im Galeriebau am Münchner Hofgarten führten, desto schöner war die Aussicht auf die Residenz. Dabei galt der Besuch im vergangenen Jahr und noch vor dem Lockdown dem Deutschen Theatermuseum und im dritten Stock den Tiefen seiner Sammlungen, galt den fast 3700 Entwürfen, 111 Bühnenbildmodellen von Jürgen Rose. Die Mitarbeiterinnen dort haben den Besuch vorbereitet: damit man in aller realen Dinglichkeit sehen kann, was das noch längst nicht beendete Lebenswerk des 1937 in Sachsen-Anhalt geborenen Bühnen- und Kostümbildners sowie Regisseurs Jürgen Rose umfasst – auch mit Blick in die Zukunft. Denn der Vertrags- und Kaufabschluss mit ihm schließt ein, was Rose noch schaffen wird, wie die Ausstattung zum Mayerling-Ballett in Stuttgart (2019).

Claudia Blank, die Ende 2020 nach 18 Jahren Leitung der Institution in Pension gegangen ist, referierte stolz, was alles noch in den Sammlungen des Deutschen Theatermuseums aufbewahrt wird: „zwei Jahrhunderte zurück mit wunderbaren Raritäten“. Wobei die Bestände an Grafik und in der Bibliothek sogar bis zum Jahr 1500 zurückgehen. Man hat einen ansehnlichen Grafikbestand aus der Barockzeit mit 400 Blättern, Archivalien der Bühnenbildner-Familie Quaglio, die 2018 in der Ausstellung 200 Jahre Nationaltheater gezeigt wurden. Und aus der jüngeren Vergangenheit das gesamte Bühnenbildner-Lebenswerk von Ekkehard Grübler und Karl Kneidl – bis hin zur noch aktiven Anna Viebrock und zu den 13 Bühnenbildmodellen, die der Bühnenbildner und Rose-Schüler Stefan Mayer dem Theatermuseum im Oktober 2020 geschenkt hat, mit denen es „den Zauber des Theaters zu bewahren und Theatergeschehen bis in die jüngste Gegenwart zu dokumentieren weiß“, so Claudia Blank.

Vorlass heißt archivrechtlich, dass ein Lebenswerk noch zu Lebzeiten des Urhebers an ein Archiv beziehungsweise Museum abgegeben wird; so auch im Fall von Jürgen Rose, der dem Deutschen Theatermuseum sein Lebenswerk vorzeitig anvertraut hat. Das war 2015 der Grundstock für die große Rose-Ausstellung des Theatermuseums und der Akademie der Schönen Künste, für die ein Werkverzeichnis erstellt und Bestandszahlen ermittelt wurden. Seither weiß man, was zu jeder Inszenierung, an der Rose mitgewirkt oder die er in Personalunion als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner selbst verantwortet hat, vorhanden ist. Aus dem Sammlungsgut kann Jürgen Rose in Zukunft BSZ Unser Bayern 7,8 / 2021 17 etwas ausleihen, wenn irgendwo eine Wiederaufnahme, ein Remake geplant ist und er vielleicht Änderungen vornehmen will. Inzwischen hat Rose drei Tranchen des gesamten Vorlasses abgeliefert.

"Arbeitsehe" mit Dieter Dorn

Aus den fünf Jahrzehnten, in denen Jürgen Rose in München, Stuttgart, ganz Europa und weltweit bis hin zur New Yorker MET Theatergeschichte geschrieben hat, konnte Claudia Blank unendlich viel erzählen, vieles hatte sie selbst miterlebt. Über den Vorlass sagte sie: „Für uns im Theatermuseum ist es ein museales Objekt, für Rose war es Arbeit.“ Schon lange vor der Ausstellung von 2015 stand sie mit Rose in Kontakt und erinnerte sich, dass er „ein wunderbarer Erzähler bei den überschlägig 70 Führungen durch die Ausstellung war“. Wenn sie von der Ära Rose erzählte, ging sie zurück ins Jahr 1976 zu den Münchner Kammerspielen in der Maximilianstraße, zu Lessings Minna von Barnhelm mit Cornelia Froboess und Helmut Griem. Der Name, der wie selbstverständlich schon die ganze Zeit beim Blättern in den bereitliegenden Archivalien in der Luft lag, fiel schließlich: Dieter Dorn, der mit dieser Inszenierung seine Zeit an den Kammerspielen begonnen hat. Es war der Beginn einer „Arbeitsehe“ zwischen Dorn und Rose, es entwickelte sich der „Kammerspielestil“: „Ich kann nicht allein gut sein“, soll Rose gesagt haben.

Die „Minna“-Ausstattung, das Bühnenbild, die Kostüme: Das alles empfand Claudia Blank einst als „historisches Dokumentarspiel“, meinte das aber keineswegs trocken-abwertend im Vergleich zu all den 300 Inszenierungen, die Rose mit Bühnenbild und Kostümen gestaltet hat – es war ihm wichtig, beides zusammen in einer/seiner Hand zu haben. Das galt bei den Schauspiel- und Operninszenierungen von Rudolf Noelte, Hans Lietzau, Otto Schenk ebenso wie beim Stuttgarter Ballettwunder von John Cranko und bei dem in Hamburg von John Neumeier.

Für die Ausstattungen hat Rose grafische Entwürfe gemacht, die man nun vor sich hat auf den großen Tischen im Lesesaal des Museums. Er hat Modelle geschaffen (wie Dorn es am liebsten hatte), szenische Skizzen gezeichnet. Klar, dass bei einem 90 mal 40 Zentimeter großen Modell für Dorns König Lear und bei den kleinen gelben Kästen für den Faust von 1987 oder den weißen Wänden für Figaros Hochzeit an der Bayerischen Staatsoper das Sammlungsarchiv schnell an die Grenzen der räumlichen Möglichkeiten kommt. Wenn Rose selbst inszeniert hat, wie bei Verdis Don Carlo, Janáceks Das schlaue Füchslein oder Bellinis Norma (alle an der Bayerischen Staatsoper), hat er für sich selbst, für die Werkstätten und seine Verdi-Version Bühnenmodelle gebaut und Skizzen gezeichnet.

Ein besonderes Auge für Stoffe

Für jede Inszenierung hat Rose die Technik seiner Entwürfe variiert, sogar das Papier gewechselt: von einfachen Blockblättern bei den Kostümentwürfen für Rudolf Noelte bis zu Kreidezeichnungen, Gouachen. Was er sich an Kostümen vorgestellt hat, hat er vorskizziert und auch von der Stoffqualität abhängig gemacht: etwa für den Eugen Onegin an der Staatsoper. Auf diesem Gebiet war Rose, und das sieht man besonders gut in der Zusammenschau der Museumssammlung, absoluter Spezialist. Er hat indische Saris, seltene Spitzen aus Paris, alte Mieder aus der Barockzeit gesammelt, suchte oft unendlich lang und intensiv, ließ manches eigens anfertigen. „Etwas Fantasievoll-Stimmigeres lässt sich kaum erfinden“, heißt es in einem Ausstellungskatalog des Theatermuseums über Das Münchner Ensemble um Dieter Dorn. Diese Mühe galt, wie man an den Entwürfen sieht, nicht nur den Bühnenfiguren von Stand, sondern auch der bäuerlichen Welt oder den „älteren Ehefrauen“ – zu allem hatte Rose seine besondere Affinität. Er hat bis in seine Murnauer Zeit hinein historische Stoffe des Oberlands gesucht, alte Schnitte abgekupfert, hat nach Gegend und Zeit differenziert. Für die Werkstätten und Kostümschneidereien war das ein Arbeitsaufwand, der nur in engster Zusammenarbeit und in enormer Vielfalt geleistet werden konnte – aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwärmen heute noch davon und von der Ausdruckskraft des Details. Das große Vorbild Luchino Visconti lässt sich nicht leugnen. Das Einheitsschwarz der Straßenanzüge ... (Uwe Mitsching)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in UNSER BAYERN, Ausgabe Juli/August 2021 (BSZ Nr. 26 vom 2. Juli 2021)

Abbildungen:
Wozzeck in der Regie von Dieter Dorn an der Bayerischen Staatsoper. (Foto: DTM/Sabine Toepffer)
Szenenbildentwurf zu Peer Gynt in der Choreografie von John Neumeier für das Hamburg Ballett (2015). (Foto: DTM)
Jürgen Rose (rechts) mit Dieter Dorn. (Foto: DTM/Oda Sternberg)
Troilus und Cressida an den Münchner Kammerspielen, 1986. Regie führte Dieter Dorn. (Foto: DTM/Oda Sternberg)

 

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