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Das Bürgerspital um 1583 in einer Rekonstruktion des Würzburger Grafikers Leo Flach (1937) nach Studien von Gustav Henns; den Kupferstich hat Eugen Biegert angefertigt. (Foto: Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist)

06.05.2019

Wein und Wohltat

Das Würzburger Bürgerspital zum Heiligen Geist erfüllt seit über 700 Jahren seinen sozialen Stifterzweck

Wer heute vom Bürgerspital Würzburg spricht, sei es Einheimischer oder Tourist, meint in erster Linie den Wein, wohl auch den großen Gebäudekomplex mit dem Glockenspiel nahe der Residenz in der Theaterstraße/Ecke Semmelstraße, und vielleicht denkt er an dort verbrachte weinselige Genießerstunden, beflügelt vom Heiligen Geist im Rebensaft. Doch der Wein ist nur ein, allerdings prägnanter Aspekt des Bürgerspitals. Der Weinbau stellt eine tragende Säule der Stiftung Bürgerspital dar, die in der Stadt und im Umland mit Immobilien präsent ist und sich der Sorge um Senioren in diversen Einrichtungen widmet.

Die Stiftung wurde vor über 700 Jahren aus christlich fundiertem Antrieb zu sozialen Zwecken von einem wohlhabenden Würzburger gegründet. Johannes de Ariete – das ist die latinisierte Form des altdeutschen Namens von Steren (das heißt Widder) – wollte mit der Einrichtung eines Neuen Spitals vor dem Hauger Tor, also vor der Stadtmauer, ein Werk der Nächstenliebe vollbringen. Er stiftete für dieses Hospital ansehnliche Vermögenswerte und wollte mit diser barmherzigen Tat sein ewiges Heil und die Erinnerung an sich sichern.

Wann genau dieses Neue Spital begründet wurde, ist nicht bekannt, vermutlich war es um 1316. Zwei spätere Urkunden nämlich belegen, dass es bei deren Abfassung schon bestand. So gewährte der Bischof von Chur am 19. August 1317 jedem einen Ablass von Sündenstrafen, der als Buße versprach, für das Neue Spital Almosen zu spenden. Und am 23. Juni 1319 nahm Bischof Gottfried von Würzburg laut Urkunde das Neue Spital teilweise aus dem Pfarrverband des Hauger Kapitels heraus, das eigentlich für die religiöse Betreuung zuständig war. Dessen Pfarrer wurde nur bezahlt für Gottesdienste und Begräbnisse. Ansonsten hatte die Pfarrei keinerlei Ansprüche auf  Vermögen und Einkünfte des Spitals. Bestätigt wurden Schenkung und Einrichtung des Neuen Spitals mit der päpstlichen Urkunde vom 1. Oktober 1320, und am 2. Januar 1321 durch Bischof Gottfried.

Aus all dem geht hervor, dass die Eheleute Johannes von Steren mit seiner Gemahlin Mergardis, ihr Schwiegersohn und seine Frau Margarethe und der Sohn Johannes von Steren Grundstücke mit Weinbergen, jährliche Zinsen, Häuser, Gärten und einen Hof uneingeschränkt zum Nutzen und Nießbrauch an das von ihnen eingerichtete Hospital schenken. Es soll geleitet werden vom Stifter und seinem Sohn, ersatzweise von einer durch die Bürgerschaft zu bestimmenden Person. Zugriff auf Verwaltung und Vermögen hatten weder der Rat der Stadt noch kirchliche Institutionen.

Das Neue Spital war nicht zur Krankenpflege bestimmt. Vielmehr sollte es der Aufnahme und Pflege „bresthafter Christgläubigen und der Versorgung der hungernden Armen“ dienen („bresthaft“ meint im heutigen Sinne gebrechlich, behindert). Ursprünglich nahm das Spital für kurze Zeit auch durchreisende Fremde auf, Bettler, Pilger und arme und gebrechliche, kranke Personen. Erst ab 1352 entwickelte es sich zu einem Pflegeheim für Einheimische, indem es in die kommunale Verwaltung überstellt und in eine Pfründneranstalt verwandelt wurde, sich also zu einer bürgerlichen Versorgungseinrichtung entwickelte.

Gutes Essen für alle

Es kristallisierten sich zwei Klassen von Pfründnern heraus: Die reichen Oberpfründner kauften sich ein, konnten besondere Stuben bewohnen, sich eine eigene Magd halten und sich bekochen lassen, sie besaßen eigene Gartenbeete. Die ärmeren Unterpfründner wohnten meist im Erdgeschoss, mussten bestimmte Arbeiten leisten. Die Vermögenden kauften sich gerne zur sicheren Altersversorgung mit einem Geldbetrag oder der Überlassung von Grundstücken ins Spital ein, wo das Essen reichlich und gut war, übrigens für beide Klassen.

Alle Pfründner hatten sich der strengen Spitalordnung zu unterwerfen, die sich am Klosterleben orientierte. So hatten sie die zahlreichen religiösen Verpflichtungen einzuhalten, hatten an den Gottesdiensten in der Spitalkirche teilzunehmen, die vorgeschriebenen Gebete am Morgen, zum Mittagessen, nachmittags und abends zu verrichten. Erwartet wurden ordentliches Verhalten, Arbeitseinsatz, Reinlichkeit (man badete alle zwei Wochen!), Sauberkeit in Kleidung und Stube. Das Verlassen des Spitals war verboten, es sei denn auf ausdrückliche Erlaubnis. Man musste den Spitaloberen gegenüber gehorsam sein und ein friedliebendes Verhalten gegenüber den Mitbewohnern an den Tag legen. Die Hausordnung im Spital war also genau strukturiert.

Fünf Schoppen am Tag

Ein Platz im Spital war begehrt. Täglich bekamen die Pfründner wenigstens eine Maß Wein, das sind 1,22 Liter, also etwa fünf Schoppen. Zu besonderen Feiertagen kam meist noch eine halbe Maß Wein dazu. Wasser war ja zumeist ungesund, weil es verunreinigt war; das Vermischen des Weins mit Wasser war bei Strafe verboten. Verspeist wurde sehr viel Fleisch, Brot zum Essen, zu Martini auch eine Gans; es gab Gemüse aus dem Hausgarten, in Fastenzeiten Fisch; jeden Tag Suppe. Für das Gesinde und für Kranke gab es extra Essen. Auch von dieser Seite her ist das hohe Alter der meisten Pfründner erklärbar.

Bedeutende Zustiftungen erweiterten von Anfang an den Besitz und das Vermögen der Stiftung: ab 1321 durch Verwandte und Freunde der Gründer, denn das Kapital der Stifterfamilie war begrenzt und bedurfte weiterer Schenkungen, um das Spital zu unterhalten. So stifteten die Brüder Rüdiger und Wölflin Teufel, reiche Würzburger Bürger, dem neuen Spital ihren Besitz im Dorf Laub bei Gerolzhofen. Dort wurde das Spital ab 1392 Zehntherr. Diese Schenkung ermöglichte die Erweiterung des Spitals: So konnten zwölf Arme zusätzlich wenigstens mit einem täglichen Mittagessen versorgt werden. Zu dieser Zeit war übrigens der Begriff „arm“ noch weit gefasst; er bezeichnete Personen, die Hilfe brauchten.

Ein weiterer Schritt in die Zukunft des Spitals war 1371 die Weihe der Spitalkirche (es gab wiederum Ablässe für diejenigen, die mildtätige Spenden beitrugen). Davon auszugehen ist, dass schon vorher ein Altarraum bestand. Die Kirche hatte drei Altäre sowie einen in der Sakristei; geweiht waren sie zur Ehre des Hl. Geistes, der Jungfrau Maria und weiterer Heiliger. Es gab auch einen Spitalfriedhof. Für die Gründungszeit ist wohl das Patrozinium der Allerheiligsten Dreifaltigkeit anzunehmen, wie es das Spitalsiegel von 1340 und das Relief des – mittlerweile rekonstruierten – „Gnadenstuhls“ um 1350 aus der Kirche belegen: Gottvater sitzt, den gekreuzigten Christus vor sich mit der Taube des Hl. Geistes darüber, unten kniet das Stifterpaar, zwischen ihnen ihr Wappen mit dem Widder.

Die Kirche war klein. Sie wurde beim Bombenhagel 1945 zerstört, aber wieder aufgebaut und gibt heute wenigstens den ursprünglichen räumlichen Gesamteindruck wieder. Zur frühesten Ausstattung gehörten wohl zwei Grabmäler; das des Stifters wurde im Krieg zerstört, das seines  Bruders Ecko von Steren, Bürgermeister und Ratsherr, ist künstlerisch bedeutsam.

Testamentarische Verfügungen, Schenkungen und Ankäufe mehrten das Vermögen und den Grundstücksbesitz des Spitals. Der heutige Winkelbau, von der Kirche in der Semmelstraße aus mit den Eingangsarkaden in den Hof, wo sich früher ein Tor befand, über die Ecke mit dem langgestreckten Bau mit zwei Stockwerken entlang der Theaterstraße reichend, entspricht im Grund der frühen Spitalgliederung.

Grundbesitz sukzessive erweitert

Durch die große Zahl der Pfründner musste das Spital erweitert werden. So wurde bald in östlicher Richtung eine Badstube erworben, hinzu kamen zwei Häuser an der Kürnach (sie floss hinter dem Gebäude durchs Gelände), eine Mühle, eine weitere Badstube sowie Gärten. Durch eine geschickte Umgehung des für Christen geltenden Zinsverbotes durch Tausch konnte das Neue Spital weitere Grundstücke kaufen. So gelang innerhalb der sicheren Stadtmauern der Erwerb des Ulmer Hofs, wo fortan der Wein ausgebaut und gelagert wurde. Außerhalb Würzburgs kamen Höfe,  Wiesen, Wälder und Mühlen hinzu. So besaß das Bürgerspital im 16. Jahrhundert allein 369 Morgen Weinberge. Es war also reich und konnte sich attraktive Bauten leisten... (Renate Freyeisen)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Mai/Juni-Ausgabe von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 18 vom 3. Mai 2019 beiliegt.

Abbildungen:

Das Bürgerspital in einer aktuellen Ansicht. (Foto: Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist)

Das Weingut Bürgerspital zum Hl. Geist ist bis heute eine der wichtigen wirtschaftlichen Grundlagen der Stiftung. Die Reben wachsen vor allam in der bekannten für Weinlage „Stein“ mit ihren Steilhängen. (Foto: Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist)

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