Unser Bayern

Die Reismühle bei Gauting ist seit 1314 belegt. Sie ist ein „sagenhafter“, amouröser Ort: Angeblich wurde in ihr Karl der Große gezeugt. Aber diese „Adelung“ beanspruchen auch andere Mühlorte. (Foto: BLfD)

19.12.2014

Zwielichtige Handwerker

Mahlmühlen sicherten die Lebensmittelversorung. Ihre Betreiber standen lange Zeit im Ruf, ihre Kunden zu betrügen

Mühlen waren im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit sehr aufwendig gebaute und komplizierte technische Großeinrichtungen. Unter Ausnutzung der Wasserkraft wurde mit ihnen nicht nur Mehl gemahlen – sie taten ihren Dienst auch als Papier-,Walk-, Kugel-, Schleif-, Loh-, Pulver- und Sägemühlen. Hier soll es um die Mahlmühle gehen, die wohl gängigste und bekannteste Mühlentechnik. Wie arbeits intensiv ihr Betrieb für den Müller war, lässt sich am besten beschreiben, wenn man den Weg des Getreides durch die Anlage verfolgt. Das gereinigte Getreide musste zunächst mühsam auf den Dachboden, zumindest jedoch auf die Höhe des Einfüllstutzens, der„ Gosse", getragen oder durch einen Flaschenzug gezogen werden. Das Getreide benötigte eine gewisse Fallhöhe (Lageenergie), um denlangen Weg bewältigen zu können. Unter der Gosse war der „Rüttelkasten" angebracht; dieser erhielt seine Bewegung durch einen in den Läuferstein eingelassenen Eisenring mit vorspringenden Nocken, die gegen einen am Rüttelkasten angebrachten Stab schlugen. Durch das gleichmäßige Schütteln rieselte das Getreide aus dem Rüttelkasten zwischen die Mühlsteine. Deren Abstand zueinander konnte mit der Aufhelfstange verstellt werden. Der obere Stein war der Läufer; er wurde mit dem „Mühleisen" über mehrere Umsetzgetriebe, die vom Mühlrad ausgingen, angetrieben. Seine Oberfläche hatte im äußeren Bereich radial verlaufende Erhöhungen („Mahlbalken")und Vertiefungen („Schlenzen"), wodurch die Getreidekörner aufgebrochen und zerrieben wurden. Durch die Zentrifugalkraft wurden die Körner nach außen geschleudert und von der hölzernen Ummantelung der Steine, der Zarge, aufgefangen. Über den Ablauf gelangten sie in den Beutelkasten. Hierbei handelt es sich um einen schrägliegenden, feinmaschigen „Beutelstrumpf " aus Seidengaze, der in der Mitte an der Beutelstrumpfgabel befestigt war. Diese reichte am anderen Ende an das Mühleisen und wurde durch die bereits erwähnten Nocken in gleichmäßige Rüttelbewegungen gebracht. Dadurch entstand einlautes Geräusch – das Klappern der Mühle. Beim ersten Zermahlen gab es zunächst Schrot und in geringen Mengen feines Mehl, das aus dem Beutelstrumpf fiel. Erst durch mehrere Mahlgänge und anschließendes Sichten im Beutelkasten entstanden die unterschiedlichen Mahlprodukte Mehl, Schrot oder Kleie. Sie konnten, nachdem sie erneut durch den Beutelstrumpf auf das Rüttelsieb gefallen waren, voneinander getrennt werden. Die Arbeitsgänge Mahlen und Sichten mussten bis zu sieben Mal wiederholt werden. Für zwei Zentner Weizen brauchte der Müller einen ganzen Tag. Seit dem Frühmittelalter war die Mühle aufgrund ihrer wichtigen Funktion zur Versorgung der Bevölkerung durch einen eigenen Sonderfrieden, den Mühlfrieden, geschützt. Zu dieser Zeit waren die Mühlen Eigentum der Müller. Im Hochmittelalter wurden sie zunehmend ein Element der Grundherrschaft, verfügten doch nur die weltlichen und geistlichen Herren über das Kapital zur Errichtung der technisch immer aufwendigeren Mühlen. Die Müller gerieten so in die grundherrschaftliche Abhängigkeit eines Obereigentümers: Sie mussten für die Überlassung der Mühle ertragsunabhängige Abgaben leisten; den meisten Müllern blieb jedoch ein gutes Auskommen. Als sich im 12. Jahrhundert ein königliches Regal an allen schiffbaren Flüssen im Reich entwickelte, das dann vom König auf die Landesherren oder die reichsfreien Städte übertragen wurde, entstand daraus das „Mühlregal". Dieses beinhaltete grundsätzlich zwei Rechtstitel: den Mühlenbann und den Mahlzwang. Der Mühlenbann besagt ganz allgemein, dass zum Bau einer Mühle die Genehmigung des Landesherren einzuholen war. In Bayern war dies so geregelt, dass nur zur Errichtung einer Mühle an öffentlichen Gewässern die Genehmigung des Herzogs bzw. des Pflegrichters nötig war. Im Übrigen stand es den Grundherren frei, Mühlen an den ihnen gehörigen Bächen zu errichten – vorausgesetzt, sie verletzten nicht das Recht einer bereits bestehenden älteren Mühle. Zur Errichtung einer Ehaftmühle, also einer Mühle mit Zwing- und Bannrechten, war jedoch auch bei Privatgewässern eine landesherrliche Genehmigung erforderlich. Der Mahlzwang bedeutete, dass die Untertanen eines Grundherren ausschließlich dessen Mühle benutzen durften – allerdings konnte man sich in Altbayern von dieser Verpflichtung loskaufen. ImGegensatz zu Brandenburg, wo der Mahlzwang für König Friedrich Wilhelm I. eine so hohe Einnahmequelle darstellte, dass die militärische Aufrüstung davon bezahlt werden konnte, behandelte man in Bayern den Mahlzwang eher locker. Bereits weit vor der gesetzlichen Aufhebung der Ehaftmühlenrechte am 23. Februar 1863 durch die neue Gewerbeordnung, hieß es in der Mühlordnung von Dachau aus dem Jahr 1759: Die „Ehaftmühlle, welche über Mannsgedenken und jeziger Zeit verhanden seynd, sollen fleißigist zuegericht und besuecht werden, damit kein ehehafft Müll nit zugrund gehe oder verderbe". Geregelt war der Mühlbetrieb in eigens ausgetüftelten Mühlordnungen. Die älteste im heutigen Bayern bekannte Mühlordnung stammt aus dem Jahr 1412 und regelt die Arbeiten auf den „Newen Muln zu Wurtzburg". Die älteste bisher bekannte Mühlordnung aus dem altbayerischen Raum stammt aus dem Jahr 1437 und regelte den Mühlbetrieb in der Stadt Ingolstadt. Wie alle mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Mühlordnungen sind diese sehr knapp gehalten und regeln überwiegend technische Details, die Mühlbeschau und die Entlohnung der Müller. Die späteren Mühlordnungen beschäftigen sich fast ausschließlich mit der Zunftverfassung der Müller und regeln die Zulassung zum Handwerk sowie die Details der Gesellen- und Meisterprüfung. So behandelt die Mühlordnung von Wasserburg aus dem Jahr 1776 fast ausschließlich die Zunftstatuten und schweigt sich über die Bezahlung der Müller aus, die in allen vorausgegangenen Ordnungen einer der Hauptpunkte gewesen war. Kontrolliert wurde die Einhaltung der jeweiligen regionalen Bestimmungen durch die Mühlbeschau, deren Durchführung im Zuständigkeitsbereich der Pfleggerichte lag. Dabei inspizierte eine Gruppe von Pflegern, Amtmännern, Gerichtsschreibern, Mühlgrafen, Wassergrafen, Handwerkern und ähnlichen Honoratioren einmal oder öfter im Jahr sämtliche Mahlmühlen des Pfleggerichts. Wurden Verstöße gegen die Artikel der Mühlordnungen festgestellt, drohten empfindliche Strafen. Eine solche Mühlbeschau kam der Staatskasse allerdings teuer zu stehen. 1691 kosteten die Überprüfungen im Rentamt München 341 fl (Gulden), im Rentamt Straubing 281 fl, im Rentamt Burghausen 223 fl. Es stellte sich die Frage nach der Rentabilität. Betrachten wir zum Beispiel die Mühlbeschau des Jahres 1614 im Pfleggericht Griesbach genauer: Das Beschauerkollegium bestand aus dem Pfleger, dem Gerichtsschreiber, zwei geschworenen Wassergrafen, dem Amtmann, zwei Knechten und einem Diener mit zwei Pferden. Die Beschau dauerte zehn Tage, für jedes der fünf Ämter des Pfleggerichts benötigte man zwei Tage. Der Pfleger erhielt täglich 3 fl, der Gerichtsschreiber 1 fl, die Wassergrafen und der Amtmann je 24 hl (Heller). Die Gesamtkosten der Beschau beliefen sich auf 64 fl 36 hl. Bei der Beschau der 40 Mühlen des Pfleggerichts wurden insgesamt 14 Mühlen straffällig, das entspricht einem Prozentsatz von 35. Die eingenommenen Strafen betrugen 35 Pfund Pfennige. Hinzu kam noch das von den straffällig gewordenen Müllern eingenommene Deputat für die Beschau, sodass summa summarum 65 fl eingenommen wurden. Es handelte sich hier also rein buchhalterisch gesehen um ein Nullsummenspiel. Doch die Mühlbeschau hatte sicherlich einen anderen als einen monetären Hintergrund: Es ging um ein staatliches Herrschaftsinstrument zur Überprüfung und Einhaltung der festgelegten gesetzlichen Bestimmungen und damit um eine frühe lebensmittelrechtliche Gesetzgebung... (Christoph Bachmann) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Dezember-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 51/52 vom 19. Dezember 2014) Abbildungen:
Maschinenbaukunde einst: 1735 erschien aus Jacob Leupolds großem Enzyklopädieprojekt der reich bebilderte Band über den Bau und die Technik von Mühlen. Hier eine Illustration, die den Mühlenaufbau mit Gosse, Mühlgerüst, Bodenstein, Läufer, Kammrad, Wellenbaum mit Beutelkasten und Beutelstrumpf zeigt. (Foto: Archiv) Das A und O für eine gute Mehlqualität hing wesentlich vom Mühlstein ab. Zum einen musste er exakt eingebaut sein, zum anderen entschied seine Qualität über den Mahlgrad. Hier ein historischer Mühlstein im Freilichtmuseum Glentleiten.       (Foto: Freilichtmuseum Glentleiten)

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