Wirtschaft

Der „Weißbier-Index“ ist von 101 auf 93 Punkte gefallen. (Grafik: vbw)

20.11.2023

2023 ist ein Jahr der Stagnation

Der vbw „Weißbier-Index“: Verschlechterte Lage und schwache Erwartungen

Das laufende Geschäftsjahr ist nach den Worten des Präsidenten der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Wolfram Hatz, ein Jahr der wirtschaftlichen Stagnation. Es dürfe nicht auch noch ein Jahr des politischen Stillstands werden. Deshalb müsse die Bundesregierung jetzt endlich handeln.

Der vbw Index der bayerischen Wirtschaft ging laut Hatz gegenüber dem Frühjahr 2023 um acht auf 93 Punkte zurück. „Unser Weißbierglas leert sich weiter.“ Der Lageindex Wachstum, der die allgemeine Konjunkturlage beschreibt, ging deutlich um zwölf auf 96 Punkte zurück. Die pessimistischen Erwartungen aus dem Frühjahr haben sich, so der vbw-Präsident bewahrheitet. Der Prognoseindex Wachstum, der die künftige Geschäftslage angibt, ist ebenfalls noch einmal zurückgegangen – um acht auf 81 Punkte. Der Rückgang liegt laut Hatz vor allem an den pessimistischen Stimmungsindikatoren.

Der Lageindex Beschäftigung ging leicht von 102 auf 99 Punkte zurück, der Prognoseindex Beschäftigung sank dagegen spürbar von 106 auf 96 Punkte. Die schwache Konjunktur hinterlasse allmählich ihre Spuren auf dem Arbeitsmarkt.

Die Konjunktur hat
sich weiter eingetrübt

Die deutsche Wirtschaft kommt nach den Worten des vbw-Präsidenten nicht von der Stelle. „Faktisch heißt das: Stagnation, wirtschaftlicher Stillstand.“ In den letzten Monaten habe sich die Konjunktur weiter eingetrübt. Die kaum gebremste Inflation, die anhaltend hohen Energiekosten, die gestiegenen Zinsen und die schwache Weltwirtschaft belasten die Unternehmen. Zwar würden sich die Lieferengpässe und der Materialmangel in den meisten Bereichen entspannen, parallel dazu verschlechtere sich jedoch die Auftragslage. Hinzu kommen die geopolitischen Konflikte und Kriege, die die Unsicherheit nochmals erhöhen. „Und unsere Bundesregierung trägt ebenfalls nicht dazu bei, das Vertrauen der Wirtschaft zu stärken.“

Der Bau und insbesondere der Wohnungsbau leiden laut Hatz massiv unter den gestiegenen Zinsen; und das bei ohnehin hohen Baukosten. Die Bauproduktion in Bayern lag in den ersten acht Monaten 2023 um 6,1 Prozent unter dem Vorjahreswert und die Baugenehmigungen lagen insgesamt in den ersten neun Monaten sogar um 22 Prozent niedriger als im Vorjahr. Im Wohnungsbau liegt das Minus sogar bei 33 Prozent.

Der Einzelhandel und andere konsumnahe Bereiche werden durch die hohe Inflation gebremst, die die Kaufkraft reduziert. So lag der reale Einzelhandelsumsatz in den ersten acht Monaten 2,8 Prozent niedriger als im Vorjahr, berichtete der vbw-Präsident. Tourismus und Gastgewerbe können seinen Worten zufolge noch vom Aufholeffekt nach Corona profitieren. Die Gästeübernachtungen in Bayern lagen von Januar bis September um zehn Prozent höher als im Vorjahr und der Umsatz in der Gastronomie übertraf das Vorjahresniveau um 3,7 Prozent, im Beherbergungs-Bereich um 6,6 Prozent.

Die Industrieproduktion liegt laut Hatz im laufenden Jahr um knapp zwei Prozent über dem Vorjahr. Innerhalb der Industrie sei die Lage aber unterschiedlich. Produktionszuwächse konnten zum Beispiel die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Elektroindustrie verzeichnen – oft von niedrigem Niveau ausgehend. Dagegen mussten die energieintensiven Branchen wie die Chemieindustrie, die Papierindustrie, die Steine-und-Erden-Industrie, die Gießereien und das Ernährungsgewerbe zum Teil deutliche Produktionsrückgänge hinnehmen.

Die geopolitischen Spannungen führen sowohl bei Unternehmen als auch Verbrauchern zu Pessimismus und dies führt zu Zurückhaltung bei Konsum und Investitionen.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten für 2024 wieder ein positives Wirtschaftswachstum von über einem Prozent. „Wir sehen die Lage differenzierter und können uns zum heutigen Zeitpunkt diesen Prognosen nicht anschließen.“ Positive Impulse sind zu erwarten, falls die Inflation nachlässt und infolgedessen die Geldpolitik weltweit wieder gelockert werden kann. Andererseits gehen die Aufträge in vielen Industriebereichen und vor allem im Bau zurück. Im Moment wird hier der aufgestaute Auftragsbestand abgearbeitet; wenn das im nächsten Jahr durch ist, wird man die fehlenden Neuaufträge spüren, so der vbw-Präsident. „Das laufende Jahr ist und bleibt auf jeden Fall ein Jahr der Stagnation. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die bayerische Wirtschaft im Gesamtjahr 2023 in etwa auf dem Vorjahresniveau verharren wird, im besten Fall ist ein leichtes Plus möglich.“
Harsche Kritik übte Hatz an der Bundesregierung. „Die Ampel-Koalition in Berlin trägt durch ihre internen Reibereien und ihren Zick-Zack-Kurs erheblich zur Verunsicherung in der Wirtschaft bei. Wir können uns kein Jahr des politischen Stillstands leisten. Die Bundesregierung muss aufhören, zu streiten und zu diskutieren. Sie muss jetzt handeln und umsetzen.“ Als wesentliche Punkte nannte der vbw-Präsident die Energiekosten und Energieversorgung – Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe auf das europäische Mindestmaß sowie ein effektiver Brückenstrompreis, der mindestens bis 2030 angelegt ist.

Ferner nannte er den Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel, den Bürokratie- und Regulierungsabbau – „nichts geht schneller, als Vorschriften und Regulierungen einfach abzuschaffen“. Wichtige Punkte sind für Hatz aber auch die Arbeitskosten sowie die Steuern und Abgaben. „Auch hier ist eine kurzfristige Reform wenig wahrscheinlich. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, immer wieder auf die hohe Steuerbelastung in unserem Land hinzuweisen und mutige und entschlossene Reformen einzufordern. Diese sind notwendig und sie sind möglich.“

Hatz Forderung: „Wir müssen dringend unseren Standort fit machen.“

Klare Absage an Vier-Tage-Woche

Extrem kritisch sieht der vbw-Präsident den für spezielle Fördeermaßnahmen vorgesehenen Tarifvorbehalt in der von Bundewirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorlegelegten Industriestrategie. „Das geht nicht. Tarifungebundene Unternehmen sind genauso förderwürdig wie tarifgebundene.“

Allen müsse klar sein, so der vbw-Präsident, dass die Herausforderungen, vor denen Deutschland und Bayern stehen, nur mit Leistung gemeistert werden können. „Wir müssen handeln, wir müssen umsetzen, wir müssen anpacken. Das werden wir mit Sicherheit nicht mit einer Vier-Tage-Woche schaffen.“

Wer ernsthaft eine Arbeitszeitverkürzung fordert, der hat laut Hatz die Zeichen der Zeit nicht erkannt. „Wir leiden über alle Branchen hinweg nicht nur unter einem Fachkräftemangel, sondern unter einem Arbeitskräftemangel. Uns fehlen Arbeitskräfte aller Qualifikationsstufen. Wie wollen wir auf einen Wachstumspfad zurückkehren, wenn wir das Arbeitsvolumen künstlich weiter verknappen? Das kann nicht funktionieren.“ Und mit Lohnausgleich könne es schon zwei Mal nicht funktionieren, damit würde die Wirtschaft komplett an die Wand gefahren. Es gelte jetzt: Handeln und Anpacken, um die Wirtschaft und den Standort fit für die Zukunft zu machen. „Wir, die bayerische Wirtschaft, wir wollen anpacken. Man muss uns nur lassen.“ (Friedrich H. Hettler)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Tut Bayern zu wenig für den Hitzeschutz in den Kommunen?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.