Wirtschaft

Im Gespräch (v.l.): Jürgen Busse, Maria Wellan, Martin Zeil, Moderatorin Ursula Heller, Ulrich Maly und Marcel Huber. (Foto: Schweinfurth)

02.12.2011

„An den heutigen Stand von Partizipation herangerobbt“

Kommunen und Staatsregierung bekunden bei der Konferenz „Energie innovativ – kommunal“ in Nürnberg ihren Willen zur Kooperation bei der Energiewende

Das gemeinsame Umsetzen der Energiewende im Freistaat mit den Kommunen ist erklärtes Ziel der bayerischen Staatsregierung. Dies soll in einem intensiven Dialogprozess stattfinden, in den ständig sämtliche Akteure ihre Ideen einbringen können. „Wir werden Fördermittel für kommunale Energiecoaches bereitstellen“, sagt Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) bei der Konferenz „Energie innovativ – kommunal“ in Nürnberg. Zusammen mit Bayerns neuem Umweltminister Marcel Huber erläutert er den knapp 200 Kommunalvertretern den Stand der Dinge in Sachen Energiewende in Bayern.
Neues Informationsportal geht Mitte Dezember online
Noch Mitte Dezember soll das neue Informationsportal www.energie-innovativ.de online gehen, kündigt der Leiter der bayerischen Energieagentur, Ministerialrat Robert Götz, an. Er betont, dass die Agentur offen ist für die Anliegen der Kommunen. Um Städte, Gemeinden und Landkreise bei der Energiewende zu unterstützen, kommt zum bestehenden Leitfaden „Energienutzungsplan“ demnächst der Leitfaden „Bürgerenergieanlagen“ heraus. Nützliche Hinweise für kommunale und vor allem interkommunale Enerigekonzepte sollen ebenfalls folgen. „Der neue Windatlas, basierend auf 3D-Simulationen zur Windhöffigkeit, wird Mitte des kommenden Jahres fertig sein“, betont Götz. Und Umweltminister Huber ergänzt: „Aber bereits jetzt haben die Kommunen mit dem bestehenden Windatlas und unseren Informationen eine gute Basis, um Windkraftanlagen planen und bauen zu können.“ Er betont, dass nach dem Vorbild von Neumarkt in der Oberpfalz in allen Regierungsbezirken Windstützpunkte errichtet werden sollen. Dort könnten sich alle, die in den Kommunen mit der Energiewende befasst sind, über sämtliche Aspekte von Windkraftanlagen informieren.
Wirtschaftsminister Zeil kündigt an, dass jetzt auch bald der Windkrafterlass kommen wird. Dann kann die Genehmigung zum Bau von Windrädern von zehn auf drei Monate verkürzt werden. Denn in Bayern sollen statt der bisherigen etwas über 400 Windkraftanlagen künftig rund 1500 stehen. Auf die Kritik, dass es in Sachen Energiewende mit den Rahmenbedingungen seitens des Freistaats nicht schnell genug vorwärts geht, reagiert der Minister nur lapidar: „Wir haben seit dem Beschluss der Energiewende im Mai jetzt im Monatstakt Dinge auf den Weg gebracht. Andere Bundesländer haben noch nicht einmal ihren ersten Energiegipfel abgehalten.“
Den jetzt angestoßenen Dialogprozess bewerten Ulrich Maly (SPD), Vorsitzender des Bayerischen Städtetags und Oberbürgermeister von Nürnberg, Jürgen Busse, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Gemeindetags und Maria Wellan, ständige Vertreterin des Geschäftsführenden Präsidialmitglieds des Bayerischen Landkreistags, sehr positiv. „Auch wenn wir uns zum heutigen Stand von Kommunikation und Partizipation mühsam herangerobbt haben“, so der Städtetagsvorsitzende.
Maly, Busse und Wellan fordern aber „eine ordnende Hand“ in der Energiewende. Diese Rolle könne nur die bayerische Staatsregierung übernehmen. Dieser Wunsch ist für Umweltminister Huber neu, da ja die Kommunen klassischerweise immer auf ihre Entscheidungshoheit vor Ort pochen. „Es wird also die Kunst sein, zwischen staatlichen Vorgaben und kommunaler Eigenverantwortung auszubalancieren“, nimmt Huber aus der Konferenz mit.
Auf die Forderung von Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU), stärker in die Erforschung neuer Speichertechnologien zu investieren, weil der Neubau von Pumpspeicherkraftwerken, wie man am Beispiel Riedl sieht, den Widerstand der Bevölkerung hervorruft, meint Wirtschaftsminister Zeil: „Wir setzen auf die Methanisierung und auf die chemische Speicherung.“ Beides soll in Forschungsschwerpunkten in Sulzbach-Rosenberg und in Straubing erforscht werden.
Oberbayerns Regierungspräsident Christoph Hillenbrand appelliert an die Landratsämter, ihre Bündelungsfunktion wahrzunehmen. Dort sollten die Energienutzungspläne der Kommunen ausgewertet werden. „Dann kann ein patentes Planungsbüro beauftragt werden, das nicht nur schick verpackte Zahlen und schöne Präsentationen liefert, sondern optimale Lösungen bietet. Diese können und sollen auch landkreisübergreifend und landkreisausgleichend sein.“
Mehr interkommunale Zusammenarbeit fordert auch Gerhard Hausladen von der TU München. „Das sich jede Gemeinde autark mit Energie versorgt, geht nicht“, betont der Professor. So lobt er beispielhaft das Vorbild der Münchner Umlandgemeinden Aschheim, Kirchheim und Feldkirchen. Diese haben sich in einem Zweckverband zusammengeschlossen, um Erdwärme zu nutzen. Hausladen warnt auch davor, auf Patentlösungen zu setzen. Die regionalen Unterschiede in Bayern seien so groß, dass es eine Vielzahl von Lösungen zur erneuerbaren Energieversorgung geben wird. Er empfiehlt den Kommunen, Energienutzungspläne aufzustellen. „Das sind nichts anderes als Bestandserfassungen.“ So könne man an unterschiedlichen Stellen optimieren. In Taufkirchen an der Vils zum Beispiel schließt man sechs Biogasanlagen an Gasleitungen an. „Auf diese Weise bringt man die Stromerzeugung an die Stadt heran.“
Bundesrat soll Blockadehaltung aufgeben
Beim Thema energetische Gebäudesanierung, die Reiner Knäusl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags, anmahnt, sind sich alle Konferenz-Teilnehmer einig, dass die Blockadehaltung im Bundesrat aufgegeben werden muss. Nur mit steuerlichen Anreizen wären die privaten Hausbesitzer bereit, in diesem Bereich zu investieren.
Städtetagsvorsitzender Maly unterstreicht die Bedeutung der Stadtwerke in Bayern. Diese hätten allein in 2010 eine halbe Milliarde Euro in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie gesteckt. „Und für 2011 haben wir eine Milliarde Euro in der Pipeline. Wir liefern schon, um im Sprachbild der FDP zu bleiben.“ Laut dem Verband der Deutschen Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft sind allein 2010 rund 6,5 Millarden Euro in Bayern in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien investiert worden, so Maly. Dass Stadtwerke bereits seit über 100 Jahren die Kompetenz für Energieversorgung haben, betont Gunnar Braun, Geschäftsführer der Landesgruppe Bayern des Verbands Kommunaler Unternehmen. Planung und Bau von Energieerzeugungsanlagen sowie von Netzen sei von jeher Kernbereich der Stadtwerke. Sie sorgen für Versorgungssicherheit. Netzentgelte sollen steigen
Im Bereich der Netze fordert Thomas Barth, Vorstandschef der E.ON Bayern AG, dass sich die bayerische Staatsregierung im Bund mehr für steigende Netzentgelte einsetzt. „Wir kriegen unsere Kosten für innovative Lösungen derzeit nicht ersetzt.“ Auch TU-Professor Hausladen fordert mehr Investitionen in die Netze. Denn der Industriestandort Bayern müsse an die künftigen Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee angeschlossen werden. „Die Chinesen bauen bereits über 4000 Kilometer Gleichspannungsübertragungsnetze. Die Technik ist also vorhanden“, so Hausladen.
Dass dies alles zu höheren Strompreisen für die Bürger führen wird, stellt als einziger Städtetagsvorsitzender Maly heraus. Er thematisiert die Forderungen der Industrie, im Sinne der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie Standort- und Arbeitsplatzsicherung hierzulande von den Kosten der Energiewende weitestgehend ausgenommen zu bleiben. „Der Stromerzeugungsmarkt ist schon seit 60 Jahren staatlich reguliert, weil er subventioniert ist. Erst wurde die Steinkohle, dann die Atomenergie subventioniert. Und das wird auch immer so bleiben. Nur der Handelsmarkt ist liberalisiert“, so Maly. Deshalb findet er Aussagen mancher Politiker, die Energiewende dürfe nicht zur Planwirtschaft führen, als unsinnig. Bei der Energieerzeugung könne es nur mit staatlicher Planung gehen.
(Ralph Schweinfurth)

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