Wirtschaft

Stellvertretend für die vielen in der Logistikbranche tätigen Unternehmen in Weiden und Umgebung steht die Witt-Gruppe. Von hier aus gehen die Waren in alle Welt. (Foto: Schweinfurth)

09.09.2016

Begehrte Einkaufsstadt

Weiden versorgt rund 250 000 Menschen in der nördlichen Oberpfalz und ist gleichzeitig ein wichtiger Logistikstandort

Weiden ist Logistikstandort und Einkaufsstadt. „Wir bespielen etwa 250.000 Menschen in der nördlichen Oberpfalz, wenn die Stadtgalerie 2017/18 fertig ist“, sagt Weidens Oberbürgermeister Kurt Seggewiß (SPD) der Staatszeitung. Sogar aus der benachbarten Tschechischen Republik kommen die Besucher, um in Weiden einzukaufen. Laut OB Seggewiß liegt das daran, dass die Ware in Deutschland qualitativ besser und obendrein wegen geringerem Mehrwertsteuersatz auch noch günstiger ist. Zudem verbinden viele Gäste aus dem Nachbarland das Einkaufserlebnis in der schönen Weidener Innenstadt mit einem Restaurantbesuch oder weiteren Aktivitäten wie Thermenwelt, Eisstadion oder anderen Vergnügen.

Logistischer Standortvorteil


Die starke Logistikorientierung der nordoberpfälzischen Stadt mit ihren rund 42.000 Einwohnern hat historische Ursprünge. Im Mittelalter kreuzten sich hier die Magdeburger und die Goldene Straße. Heute bieten die A93 und das benachbarte Autobahnkreuz einen logistischen Standortvorteil.

Ein Vorreiter in der Logistikorientierung ist der republikweit bekannte Versandhändler Witt Weiden. Zwar gehört Witt Weiden seit 1987 zur Hamburger Otto Gruppe, aber die Witt-Welt dreht sich nach wie vor in Weiden. Von hier aus werden tagtäglich unzählige Pakete zu Kunden in ganz Europa verschickt. Im Witt-Logistik-Center laufen auf hochmodernen Transportanlagen die Pakete von A nach B. Hierfür und für die Konfektionierung der Bestellungen und das Verpacken werden viele Arbeitskräfte benötigt.

So wird der Versandhandel, der in den letzten Jahren durch die Online- Bestellmöglichkeiten noch mehr Schwung erfahren hat, am Laufen gehalten. Gemessen an ihrer Beschäftigtenzahl ist die Logistik der drittgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland. Über 26.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gibt es in Weiden. „Rechnet man alle Erwerbstätigen, also auch Freiberufler und Beamte, zusammen, so kommen wir auf etwa 40.000“, so OB Seggewiß.

Aber trotzdem gibt es in Weiden eine Arbeitslosenquote von 6,1 Prozent. „Das hat sich zwar in den letzten zehn Jahren, als sie noch bei über 15 Prozent lag, deutlich verbessert, ist aber im bayernweiten Vergleich immer noch ein Spitzenwert“, so der OB. Die Gründe liegen, wie in den anderen bayerischen Kommunen mit hoher Arbeitslosenquote auch, an mangelnder Qualifizierung. „Viele junge Leute haben es halt gemacht wie ihre Eltern: Statt eine Lehre zu beginnen, haben sie gleich einen Job angenommen. Da hat man halt mehr verdient als in der Ausbildung“, erklärt Weidens Sozialreferent Herrmann Hubmann die Ursachen. Seitens der Stadt versuche man in Kooperation mit der Arbeitsagentur die Betroffenen nachzuqualifizieren und ein Bewusstsein zu schaffen, dass Ausbildung Voraussetzung für einen Arbeitsplatz ist. „Denn in den betroffenen Familien herrscht immer noch die gerade beschriebene Denke“, so Hubmann.

Briefmarken für alle Welt


Dabei gebe es in und um Weiden genügend Unternehmen, die qualifizierte Leute brauchen. Neben Witt Weiden zum Beispiel Conrad Electronic in Wernberg, der Steuerungssystemhersteller für Hochregallager, die Witron GmbH, oder den Weidener Automobilteilelieferanten ATU mit seinen Werkstätten überall in Deutschland. Ein großer Arbeitgeber ist auch die Deutsche Post AG. Sie unterhält in Weiden die Philatelie. Von hier aus versendet sie unter anderem Briefmarken und Münzen in alle Welt. Dort werden auch ganze Packstationen mit Material versorgt oder Unternehmen, die Büroausstattung ordern.

Ein weiteres Unternehmen, das sich in den Logistiksektor einfügt, ist die BHS Corrugated. Sie ist der weltweit größte Lösungsanbieter in der Wellpappenindustrie und stellt Wellpappenanlagen und Riffelwalzen her – ohne Wellpappe keine Pakete für den Versand. Aber auch ein Automobilzulieferer sitzt in Weiden. Als sogenannter Hidden Champion entwickelt und fertigt die Hör Technologie Komplettgetriebe und technisch anspruchsvolle Einzelteile wie zum Beispiel Nockenwellen, Exzenterwellen und Verzahnungsbauteile unter anderem für Audi Ingolstadt.

Mit internationalen Call Center Services in 18 Sprachen und 20-jähriger Erfahrung ist die Samhammer AG spezialisiert auf Helpdesk und Servicedesk-Leistungen. Sie ist außerdem Fullservice-Dienstleister in den Bereichen E-Commerce, Zahlungsverkehrsterminals und Kassensystemen und bietet Lösungskonzepte für das Servicemanagement.

Neu in Weiden angesiedelt hat sich der Online-Fahrradhändler Rabe-Bike aus München. Auch beim ihm dreht sich alles um den Versand. Von seinem Zentrallager in Weiden liefert er Premium-Markenfahrräder an regionale und überregionale Kunden.

Güterverkehrszentrum nötig


Bei so viel Versandtätigkeit ist es nur allzu logisch, dass die Region Weiden ein Güterverkehrszentrum braucht, um die Warenströme aus aller beziehungsweise in alle Welt termingerecht dirigieren, insbesondere im Hauptlauf von der Straße auf die Schiene verlagern zu können. Dies wird demnächst im benachbarten Weiherhammer entstehen. „Die Stadt Weiden hat hier maßgeblich mitgeholfen, damit es dort Realität werden kann“, sagt Bau- und Planungsdezernent Hansjörg Bohm.

Eine zentrale Rolle in der Logistikwelt wird auch die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg -Weiden spielen. „Sie widmet sich bereits dem Thema E-Commerce. Neben vielen innovativen Studiengängen lehrt die OTH auch im Bereich E-Commerce für die Unternehmen der Region aus dieser Branche“, erklärt Wirtschaftsförderin Cornelia Fehlner. Dazu passt auch das Digitale Gründerzentrum, welches das bayerische Wirtschaftsministerium in Weiden errichten wird. Das Digitale Gründerzentrum entsteht im Schulterschluss der Hochschulstädte Regensburg, Amberg und Weiden. Am Bildungscampus wird zudem das E-House aus der Taufe gehoben.

Daran, dass sich die Wirtschaft in Weiden wohlfühlt, hat auch die Bevölkerung ihren Anteil. Während andernorts die Ausweisung neuer Gewerbegebiete oftmals via Bürgerentscheid verhindert wird, ist in Weiden das Gegenteil der Fall. Ein 50 Hektar großes neues Gewerbegebiet wird von der Mehrheit der Weidener ausdrücklich befürwortet. In rund einem Jahr soll es soweit erschlossen sein, dass sich die ersten Unternehmen dort ansiedeln können. Angesichts der Größe des Areals könnte sich ja BMW dort niederlassen und sein nächstes E-Auto dort produzieren. „Zumindest läge Weiden auf der BMW-Achse von München über Landshut-Dingolfing-Regensburg nach Leipzig“, scherzt OB Seggewiß.

Betrachtet man die wirtschaftlichen Aktivitäten, kann man durchaus behaupten, dass Weiden boomt. Das macht sich laut Seggewiß am angespannten Wohnungsmarkt bemerkbar. Die Stadt braucht in allen Segmenten dringend neue Wohnungen. Innerhalb der Verwaltung ist man gerade dabei eine Bedarfsanalyse durchzuführen, um dann entsprechende Baumaßnahmen umzusetzen.

Probleme mit Grundwasser


Noch mehr Attraktivität wird Weiden im kommenden Jahr haben. Dann wird das neue Einkaufszentrum, die „Stadtgalerie Weiden“, fertig sein. Mitten in der Stadt klafft derzeit eine große Baugrube. Wegen der problematischen Grundwassersituation ruhte die Baustelle gerade einige Wochen, weil die Ingenieure erst eine Lösung finden mussten, wie sie mit dem Grundwasser umgehen. Die Stadtgalerie wird einmal rund 14 000 Quadratmeter Verkaufsfläche umfassen und liegt mitten im Bereich der Weidner Fußgängerzone. Ein neues Parkhaus mit 480 Stellplätzen wird dafür sorgen, dass die Kauflustigen auch ihr Auto abstellen können. Fast 90 Millionen Euro wird die Stadtgalerie kosten und ist seit Langem das größte Immobilieninvestment in der Stadt. Die Münchner Fondara Immobilien AG baut und betreibt das Einkaufszentrum, nachdem ein britisch-portugiesischer Investor im Frühjahr 2012 wieder absprang.

„Alles english spoken“


Wenn die Stadtgalerie 2017/18 fertig ist, wird Weiden als Einkaufsstadt noch mehr prosperieren, ist man sich in der Stadtspitze sicher. Denn nicht nur die einheimische Bevölkerung und die kauflustigen Tschechen, sondern auch die im nahegelegenen Grafenwöhr stationierten Soldaten der US Army mit ihren Familien kommen gern zum Shoppen nach Weiden. „Bei uns ist eigentlich alles english spoken“, betont Bau- und Planungsdezernent Bohm. Also beste Voraussetzungen für gute Geschäfte.
(Ralph Schweinfurth)

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