Wirtschaft

Laut Stephan Götzl profitieren auch große Energieversorger von Energiegenossenschaften. (Foto: GVB)

30.03.2012

„Da kann sich jeder ganz leicht beteiligen“

Stephan Götzl, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, über die Vorteile von Energiegenossenschaften

Im Zuge der Energiewende erfreuen sich Genossenschaften immer größerer Beliebtheit. Wir sprachen mit Stephan Götzl, dem Präsidenten des Genossenschaftsverbands Bayern, unter anderem über die Vorteile dieser Rechtsform.
BSZ: Herr Götzl, wie viele Energiegenossenschaften gibt es denn inzwischen in Bayern?
Götzl: Mit Stand 1. März 2012 sind es 133. Davon sind 103 seit dem Jahr 2006 neu gegründet worden. BSZ: Um welche Arten handelt es sich bei den 103?
Götzl: Das sind 52 Photovoltaik-Genossenschaften, 32 Wärmeversorgungs-Genossenschaften, zehn Biogas-Genossenschaften und neun Energieversorgungs-Genossenschaften. BSZ: In welchen Teilen Bayerns finden sich diese Genossenschaften?
Götzl: Grundsätzlich stark vertreten sind Energiegenossenschaften in den Regierungsbezirken Unterfranken, Mittelfranken, Schwaben und Oberbayern. In den verbleibenden Bezirken gibt es noch erkennbaren Nachholbedarf. Aber letztlich ist alles eine Frage des Maßstabs. Legt man die Zahl der Genossenschaften auf die Einwohnerzahl um, dann ist der Norden Bayerns aktiver als der Süden, wenn es um Energiegenossenschaften geht. BSZ: Erwarten Sie im Zuge der Energiewende Ähnliches für Südbayern?
Götzl: Ja, ich bin optimistisch, dass die südlichen Landesteile nachziehen werden. Hier sehe ich im Energiebereich noch einiges an genossenschaftlichem Potential, das bislang nicht ausgeschöpft ist. Vor allem, wenn man bedenkt, dass letztes Jahr rund zwei Drittel der neuen Energiegenossenschaften in Unter- und Mittelfranken gegründet wurden. Und etwa ein Fünftel in Oberbayern und Schwaben. BSZ: Warum war man im Norden früher dran? Wollte man im Süden die Landschaft schonen?
Götzl: Das glaube ich nicht. Man muss dabei immer auch sehen, um welche Art von Genossenschaften es sich handelt. Neben energieerzeugenden Genossenschaften sind vermehrt auch Wärmeversorgungsgenossenschaften gegründet worden. Hier wurden Infrastrukturmaßnahmen genossenschaftlich organisiert, weil das Kommunen aufgrund zunehmend leerer Kassen in diesem Umfang nicht möglich war. Hinzu kommt: Energieerzeugung bietet hervorragende Geschäftsperspektiven, in den nördlichen Landesteilen hat man erkannt, dass sich damit sowohl die Einnahmen privater wie kommunaler Haushalte verbessern lassen. BSZ: Warum wählen denn so viele Bürger die Rechtsform der Genossenschaft, wenn sie selbst vor Ort in so genannte Dorfheizungen investieren wollen oder andere Projekte der Versorgung mit erneuerbarer Energie anstreben? Das könnte man doch auch mit einer GmbH machen.
Götzl: Mit einer Genossenschaft ist man flexibler. Da kann sich jeder ganz leicht beteiligen. Bei einer GmbH wird das schon schwieriger. Wenn man da irgendwann einmal wieder aussteigen will, muss man seinen Geschäftsanteil bewerten lassen, bevor man ihn verkaufen kann. Einen Genossenschaftsanteil kann man einfach zurückgeben. BSZ: Ist das der einzige Vorteil?
Götzl: Nein, eine Genossenschaft bietet auch im Sinne von Demokratie und Nachhaltigkeit jedem einzelnen Mitglied echte Mitbestimmungsmöglichkeiten. Das ist bei der GmbH nicht so. Dort kann ein Anteileigner über entsprechend viele Geschäftsanteile, die er hält, den Kurs der GmbH vorgeben. BSZ: Ist die Genossenschaft auch dann noch eine attraktive Rechtsform, wenn sich zum Beispiel große Energieversorger wie E.ON beteiligen wollen?
Götzl: Die großen wollen selbstverständlich für ihre in der Regel großvolumigeren Investitionen entsprechenden Schutz. Dies kann man durch eine Vorschaltgenossenschaft gewährleisten. In der Oberpfalz beispielsweise entsteht gerade so eine Konstruktion.
BSZ: Beeinträchtigen denn die geplanten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz den Erfolg von Energiegenossenschaften?
Götzl: Nein. Die Anpassung der Fördersätze ist sicher richtig. Doch die Geschwindigkeit, in der die Bundesregierung vorgeht, verprellt Investoren. Diese wollen langfristige Anlagesicherheit. Sie haben ein Anrecht auf solide Kalkulationsgrundlagen - egal ob es Bürger sind, die investieren, oder Konzerne. Generell gilt es einmal darüber nachzudenken, ob man die Förderung nicht umdreht. Also nicht mehr über Entgelte die Energieabnahme subventioniert, die nur die Solarpanelhersteller in China unterstützt, sondern schon im Vorfeld Innovationen fördert. So könnte sich vielleicht manch eine Technik gerade bei der Energiespeicherung entwickeln, die effizienter ist und den Standort Deutschland stärkt. BSZ: Wie bewerten Sie denn die Problematik der Versorgungssicherheit in der Energiewende?
Götzl: Wir brauchen eine Grundlastfähige Energieversorgung, um den Industriestandort Deutschland bzw. Bayern halten zu können. Und hierzu muss der Energiepreis in einem Rahmen bleiben, dass wir weiterhin international wettbewerbsfähig sind. Was derzeit auf Bundesebene überlegt wird, um Investoren für Gaskraftwerke ins Boot zu holen, ist ein bemerkenswerter Vorgang. So sollen Gasproduzenten als Lieferanten, Pipeline-Eigner und Gaskraftwerksbetreiber agieren können. Damit wird ein Monopol geschaffen, das zu Monopolgewinnen für die jeweiligen Konzerne führen wird.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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