Wirtschaft

Die Einlagen bei den Sparkassen nehmen ab. (Foto: dpa)

30.06.2017

„Das ist wettbewerbsverzerrend“

Bayerischer Sparkassentag 2017 in Erlangen: Sparkassenpräsident Netzer kämpft für eine maßvolle Bankenregulierung auf europäischer Ebene

Zu Zeiten der Finanzkrise 2008 waren wir die Kings und alle haben uns gedankt, dass es uns gibt. Jetzt sind wir der stabile Anker vor Ort“, sagte Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern beim Bayerischen Sparkassentag 2017 in Erlangen. Leider sei aber die finanzmarktstabilisierende Wirkung der Sparkassen in Brüssel offenbar vergessen worden. Denn die aktuellen Regulierungsbestrebungen würden die kleinen Institute finanziell und personell überfordern.

Im Vergleich zu kapitalmarktorientierten internationalen Großbanken tragen Sparkassen Netzer zufolge wenig Risiko, weil sie vom Einlagen- und Kreditgeschäft in ihrer Heimat leben. Die Flut an neuen Regulierungsmaßnahmen unterscheide allerdings nur unzureichend zwischen den großen, systemrelevanten und international aktiven Banken auf der einen Seite und kleinen, mittleren und regional verankerten Kreditinstituten auf der anderen Seite. Sie werden deutlich stärker belastet als Großbanken. „Das ist wettbewerbsverzerrend“, monierte Netzer. Und Walter Strohmaier, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Niederbayern-Mitte sowie Landesobmann der bayerischen Sparkassen, ergänzte: „Rein auf die Bilanzsumme zu schauen, wäre ein Geburtsfehler der europäischen Bankenregulierung.“

"Wir brauchen Proportionalität"


Darum forderte Bayerns Sparkassenpräsident in der Hugenottenstadt: „Wir brauchen dringend Proportionalität in der Regulierung!“ Die Sparkassen schlagen dafür ein eigenständiges Regelwerk für Regionalbanken vor, das sich vor allem hinsichtlich aufwändiger Melde- und Offenle-gungspflichten von der Regulierung für systemrelevante Banken unterscheidet. „Für welche Kreditinstitute diese ‚Small and Simple Banking Box‘ Anwendung findet, sollte primär vom Geschäftsmodell abhängen“, so Netzer.

Verbündete im Kampf für differenzierte Regelungen finden die deutschen Sparkassen auf europäischer Ebene laut Netzer und Strohmaier in den Niederlanden und in Österreich. „Unsere Hauptverbündeten sind aber unsere 50 Millionen Kunden hierzulande“, so Strohmaier. Denn die Sparkassen seien auch mitverantwortlich für gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland. Wertpapierberatung und Wohnbaufinanzierung nur noch in den großen Niederlassungen anzubieten, sei fatal für die ländlichen Räume. Diese Services müsse es schon in jeder Geschäftsstelle geben.

Drei-Säulen-Modell retten


Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fordert eine maßvolle Bankenregulierung. Die Besonderheiten der Sparkassen im Freistaat müssten ausreichend berücksichtigt werden, mahnte er. Die Staatsregierung werde sich in Brüssel weiter „mit aller Macht“ für das deutsche Drei-Säulen-Modell aus Privatbanken, Sparbanken und Genossenschaftsbanken einsetzen.

Dass sich die Sparkassen auch den aktuellen Marktbedingungen anpassen, ist laut Sparkassenpräsident Netzer an geglückten Fusion der Stadt- und Kreissparkasse Erlangen mit der Kreissparkasse Höchstadt zur neuen Sparkasse Erlangen Höchstadt Herzogenaurach abzulesen. Ab dem morgigen 1. Juli wird die Fusion wirksam.

„Modernes Banking heißt für uns Sparkassen, unseren Kunden Orientierung zu geben. Orientierung durch spürbare Präsenz vor Ort genauso wie auf digitalen Kanälen und durch kompetente Beratung, wie Ersparnisse auch in zinslosen Zeiten aufgebaut werden können“, so Netzer. Die bayerischen Sparkassen zeigen dabei auch selbstbewusst auf ihr Geschäftsmodell: „Wir bleiben Sparkasse, nah an den Menschen. Wir sind berechenbar, langfristig ausgerichtet und als Finanzierungspartner Nummer eins des Mittelstands mit dem regionalen Geschäftsgebiet ‚verheiratet‘.“

Keine Minuszinsen


Der Sparkassenpräsident unterstrich noch einmal, dass es das Ziel aller bayerischen Sparkassen ist, dem Sparer keine Negativzinsen für seine Einlagen abzuverlangen. Allerdings könne die Marktentwicklung die Sparkassen durchaus zu so einem Schritt zwingen. „Wenn andere Banken Minuszinsen verlangen, strömt automatisch Geld zu uns“, so Netzer. Doch auch die müssen dafür, dass sie das Geld bei der EZB parken, Zinsen bezahlen. Und diese Verwahrgebühr müssten die Sparkassen dann wiederum von den Kunden verlangen. „Momentan tun wir das nur bei Firmenkunden und Kommunen“, so Netzer.

„Wenn so eine Ankündigung für Verwahrgebühren kommt, sehen wir das als Aufforderung zur Beratung“, erläuterte Ulrich Reuter (CSU), Landrat des Landkreises Aschaffenburg. Was Kommunen und Landkreise früher nicht mussten, sei heute, wie bei Unternehmen auch, nötig: „Liquiditätsmanagement ist angesagt. Dann muss man Gelder für drei oder sechs Monate revolvierend anlegen, um Gebühren zu vermeiden.“

Gutes Kreditgeschäft in den ersten fünf Monaten 2017


Für die ersten fünf Monate 2017 verzeichneten die bayerischen Sparkassen Netzer zufolge ein sehr gutes Kreditgeschäft: Das Kreditvolumen stieg um 1,7 Milliarden Euro (+1,3 Prozent) auf nun 128 Milliarden Euro. Dieser Anstieg werde besonders durch das sehr dynamische Unternehmenskreditgeschäft getragen (+2,1 Prozent). Die starke Entwicklung der Firmenkredite spiegele sich auch in den Zusagen für künftige Darlehen wieder: Bisher wurden 2017 +11,5 Prozent mehr Kredite an Unternehmen und Selbstständige als im gleichen Zeitraum 2016 zugesagt.
„Die Einlagen bei den bayerischen Sparkassen nehmen derzeit ab“, so der Sparkassenpräsident. Seit Jahresbeginn sei der Einlagenbestand um 0,7 Prozent auf knapp 156 Milliarden Euro gesunken. Dies resultiere aus Abflüssen bei Unternehmenskunden und öffentlichen Haushalten. „Während etwa die Sichteinlagen unserer Privatkunden auch weiterhin zunehmen (+2,7 Prozent), werden sie überkompensiert vom Mittelabzug vieler Firmen und Kommunen“, so Netzer. Diese Verschiebungseffekte seien Folge der bei einigen Sparkassen neu eingeführten Verwahrentgelte.
(Ralph Schweinfurth)

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