Wirtschaft

Vermehrte Nutzung von Biogas könnte die Gaskrise lindern. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

25.07.2022

Biogas hat viel mehr Potenzial als gedacht

Erdgas wird immer knapper, Russland kann die Bundesrepublik lahmlegen – doch es gibt eine bislang unbeachtete Alternative

Erdgas wird immer knapper. Würde man aber das gewaltige Potenzial von Biogas hierzulande heben, hätte Deutschland wesentlich weniger Energieprobleme. Laut den Berechnungen des Fachverbands Biogas aus Freising könnte man mit Biogas 80 Prozent der Erdgasimporte aus Russland ersetzen. Dieser Wert ist bezogen auf das Importvolumen vor dem Krieg in der Ukraine.

Nötig hierzu ist die Umwandlung von Biogas in synthetisches Methan. Das erzeugt man durch die Herstellung von Wasserstoff via überschüssigen Ökostrom aus Solar- und Windkraftanlagen. In einem zweiten Schritt wird der Wasserstoff mit Kohlendioxid aus Biogasanlagen versetzt. Dann hat man ein Potenzial von bis zu 450 Terawattstunden (TWh) Methan. Damit kann man dann 80 Prozent russisches Erdgas ersetzen. Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte rund 1003 TWh Erdgas im Jahr 2021. Etwa 55 Prozent davon stammten aus Russland.

Um genügend Biogas zu erzeugen, benötigt man auch Energiepflanzen. Der Anbau dieser Pflanzen steht aber in Konkurrenz zum Anbau von Nutzpflanzen für die Nahrungsmittelproduktion, was oft moniert wird. Laut Fachverband Biogas würde die aktuelle Anbaufläche für Energiepflanzen in Deutschland allerdings ausreichen, wenn man zur Biogaserzeugung wesentlich mehr vergärbare, biomassehaltige Reststoffe wie Klärschlamm, Bioabfall oder Speisereste sowie Wirtschaftsdünger, also Gülle oder Mist, und bisher nicht genutzte Pflanzen einsetzte.

Um das enorme Potenzial an synthetischem Methan zu heben, ist aber erst einmal der politische Wille nötig. Heißt: Man bräuchte wesentlich mehr Biogasanlagen. Tatsächlich sind Bundes- und Staatsregierung derzeit sehr auf den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft fokussiert. Das ist unverständlich angesichts der bereits vorhandenen Infrastruktur für den Einsatz von Gas. Es gibt Erdgaspipelines, Erdgasnetze und Autos, die mit Erdgas fahren. Wasserstoffpipelines müssten dagegen erst gebaut werden.

Schneller als der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft

Sicher würde es auch zwei bis drei Jahre dauern, um mehr Biogas- und entsprechende Einspeiseanlagen für den Einsatz von synthetischem Methan zu realisieren. Aber es ginge doch schneller als der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Rainer Ludwig, energiepolitischer Sprecher der Freie-Wähler-Landtagsfraktion, zeigt sich immerhin offen für eine entsprechende Diskussion.

Kurzfristig können nach Angaben der Bundesnetzagentur nur rund 5 Prozent mehr Biogas für die Strom- und Wärmeerzeugung bereitgestellt werden. Würde man lediglich das Potenzial an herkömmlichem Biogas, das aus der Vergärung von Bioabfällen und nachwachsenden Rohstoffen entsteht, nutzen, könnte man etwa 42 Prozent der Gasimporte aus Russland ersetzen. Auch hierfür müsste man mehr Biogas- und Einspeiseanlagen bauen.

Fazit: Mit entsprechender Vorlaufzeit ließe sich über Biogas durchaus die Importabhängigkeit von Primärenergieträgern wie Öl und Gas reduzieren. Das sollte die Politik bei allem Bemühen um Ersatz für russisches Erdgas im Blick haben. Denn neue Abhängigkeiten sorgen auch für neue Zwänge. Zum Beispiel müsste die Bundesregierung über die schwierige Menschenrechtslage in Katar hinwegsehen, wenn sie aus dem Emirat künftig Flüssiggas beziehen will.
(Ralph Schweinfurth)

 

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