Wirtschaft

Arbeiten bis ins hohe Alter, steigende Versicherungsbeiträge oder immer weniger Rente: Die aktuellen Perspektiven klingen wenig verlockend für Berufstätige. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

13.08.2021

Alternativen zur Rente mit 68 für alle

Ausweitung der Beitragszahlenden, ein individuelles Pensionierungsdatum, Aktien statt Bargeld – es gibt viele Möglichkeiten

Die Debatte um die Anhebung des Rentenalters auf 68 Jahre verlief erwartbar. Protest beziehungsweise Zustimmung von Gewerkschaften und Arbeitgebern waren fast erwartbar, den meisten Politiker*innen ist das Thema in einem Wahljahr wohl eher zuwider. Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz befand sogar, die Wissenschaftler*innen hätten schlicht falsch gerechnet.

Fakt ist: Das Rentensystem in Deutschland steht auf tönernen Füßen, das ist unstrittig in der Forschung und auch auch bei den Haushaltspolitiker*innen in Bund und Ländern. Länger arbeiten, höhere Beiträge zahlen oder weniger rausbekommen: An einer dieser drei Stellschrauben wird in den nächsten Jahren immer wieder gedreht werden müssen, wenn man das Modell nicht grundlegend reformiert.

Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, die Rente für alle sicherer zu machen. Eine häufige Forderung: Es sollten alle Berufstätigen in Deutschland in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen – also auch Beamte, Selbstständige und Freiberufler. Österreich und die Schweiz praktizieren das schon lange. Und nicht nur, dass die Durchschnittsrente dort deutlich höher ausfällt als in Deutschland – es sind auch wiederkehrende Debatten um die Finanzierbarkeit eher unbekannt.

"45 Arbeitsjahre sind genug"

Möglich wäre auch, sich von der starren Grenze eines Lebensjahrs für den Eintritt in die Rente zu verabschieden. In der Politik vertritt vor allem die FDP dieses Modell. Es müsse eher entscheidend sein, wie viele Jahre ein Mensch gearbeitet (oder auch Kinder erzogen) hat. „Jeder, der 45 Jahre gearbeitet hat, hat seinen Dienst geleistet“, meinte unlängst auch der bayerische Wirtschaftsminister und Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger.

Wer mit 15 oder 16 Jahren nach Quali oder der Mittleren Reife beginnt zu arbeiten, der habe sich einen Renteneintritt mit 63 verdient. Wer lieber bis Ende 20 studieren möchte, für den verschiebt sich die Rente eben zeitlich entsprechend nach hinten. Häufig wären diese Personen dazu auch in der Lage.

Konsens innerhalb der Parteien – mit Ausnahme der AfD – sowie der Arbeitsmarktforschung: Es braucht weiterhin Zuwanderung nach Deutschland, um die sinkende Zahl an Beitragszahler*innen zu kompensieren. Uneinigkeit herrscht, wer alles unter dieses Label fallen darf. Für Union, FW und FDP sollte man sich auf Fachkräfte beschränken, die der Arbeitsmarkt wirklich benötigt.

Mit Aktien fürs Alter spekulieren ist nicht jedermanns Sache

Und eben nicht auch Schlecht- und Geringqualifizierte, wie es dagegen die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock der Grünen fordert und was auch Die Linke und Teile der SPD unterstützen. Denn aktuell leben in Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit bereits mehr als eine Million Migranten von Hartz IV.

Gern ins Spiel gebracht wird – vor allem von Politikern der FDP und der Union –, statt einer reinen Umlage die Rente auch aus Erträgen aus Aktien aufzufüllen. Das Risiko dabei, wenn man es zur Verpflichtung macht: Mit Aktien zu spekulieren gefällt nicht jedem Menschen, damit ist auch immer eine gewisse nervliche Belastung verbunden.

Außerdem braucht es entsprechende Kenntnisse, über die nicht alle Menschen verfügen. Die USA, wo das schon lange praktiziert wird, haben gezeigt, dass viele Berufstätige da auch ein böses Erwachen erleben können, wenn ihre Investments nicht erfolgreich sind.

Ob wir tatsächlich alle immer älter werden - fraglich

Reformen am Rentensystem werden von der Politik meist auch damit gerechtfertigt, dass „die Deutschen immer älter werden“ – gern ergänzt um den Zusatz, „worüber wir uns alle freuen“. Für die Vergangenheit mag das stimmen. Ob es künftig so bleiben wird, ist eher fraglich. Dazu beitragen werden die Langzeitfolgen der aktuellen und wohl auch „künftiger Pandemien“, vor denen die Kanzlerin unlängst warnte.

Corona könnte erst der Anfang sein. Hinzu kommen die immer belastenderen Auswirkungen des Klimawandels mit Hitzesommern auf den Organismus. Bereits jetzt sprechen Mediziner*innen davon, dass die globale Erwärmung die Lebenserwartung eher negativ tangieren wird.

Und dann ist da noch ein völlig überlastetetes deutsches Gesundheitssystem: Krankenschwestern, Therapeuten, Pflegekräfte, Hausärzte: Es fehlt an allem – und es wird immer schlimmer. Die Deutschen werden also sicher nicht alle weitgehend fidel ihren 90. Geburtstag feiern. Und bis 68 arbeiten müssen sie deshalb auch nicht alle. (André Paul)

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