Wirtschaft

Benno Strauß war der Erfinder des Edelstahls. (Foto: Wraneschitz)

19.10.2012

Der Edelstahl-Mann aus Franken

Benno Strauß: Der Vater des Edelstahls ist ein unbekanntes Genie

NIROSTA: Wer bei der altbekannten Bezeichnung für Rostfreien Edelstahl an Krupp in Essen denkt, liegt goldrichtig. Das „Verfahren zur Herstellung eines nichtrostenden Stahls auf Basis einer Nickel-Chrom-Legierung“ wurde in der dortigen Krupp-Forschungsanstalt entwickelt. Die Patentanmeldung trägt das Datum 17. Oktober 1912. Als Erfinder eingetragen ist Clemens Pasel. Doch der wirkliche Vater des Edelstahls ist ein anderer: Krupp-Forschungsdirektor Prof. Dr. phil. Benno Strauß, geboren am 30. Januar 1873 in Fürth.
„Krupp meldete das Patent unter dem Namen des Archiv-Mitarbeiters Pasel an, um die Konkurrenz, vor allem die aus England, nicht neugierig werden zu lassen“, hat der Kalchreuther Psychologe Wolfgang Stark herausgefunden, seit fünf Jahren ernsthafter Benno-Strauß-Forscher. Denn 1912, das war eine Zeit, als Stahl immer wichtiger für Staatslenker wurde: Der 1. Weltkrieg zeichnete sich längst ab. „Deshalb sind im 1912 beantragten Patentschutz für Legierungen und Verfahren und Wärmebehandlung Gewehrläufe neben Turbinenschaufeln konkret erwähnt“, zitiert Wolfgang Stark.
Strauß wurde am 30. Januar 1873 im „fränkischen Jerusalem“ Fürth geboren. Nach seinem Tod am 27. September 1944 im Nazi-Arbeitslager Vorwohle wurde er unerkannt verscharrt, 1964 wurden die sterblichen Überreste nach Essen umgebettet. Doch zwischen Geburt und Tod lag viel Bemerkenswertes. So zwei Studienjahre an der Technischen Hochschule – heute TU – München, wo er Maschinenbau, Elektrotechnik und Physik belegt hatte. Unter anderem war Carl von Linde einer seiner Hochschullehrer gewesen.
Dann wechselte Strauß auf die ETH Zürich. „Die war 1893 eine absolute Exzellenzuniversität. Auf 600 Studenten kamen 90 Professoren. Seine Doktorarbeit schrieb Strauß an der Uni Zürich: Obwohl Naturwissenschaftler, pro
„Strauß hat sofort die neu entdeckten Röntgenstrahlen begriffen und Krupp zu einem Qualitätsvorsprung verholfen“, auch gegenüber der englischen Stahl-Konkurrenz in Sheffield, erzählt Wolfgang Stark. 1912 folgte die NIROSTA-Entwicklung, die Benno Strauß im selben Jahr eine Professur an der Uni Münster einbrachte. Bei Krupp stieg er zum Leiter aller Prüfinstitute und Versuchsanstalten auf. Viele weitere Erfindungen bei Krupp gehen auf Benno Strauß zurück – „nicht aber WIDIA-Stahl, dessen Kürzel „wie Diamant“ bedeutet. Das wird oft falsch dargestellt“, weiß Stark.
Bis zur Machtergreifung der Nazis im Jahre 1933 arbeitete der Franke Benno Strauß in Essen erfolgreich weiter, wurde mit Preisen überhäuft. Er glaubte, als 1916 zum evangelischen Glauben übergetretener Jude habe er von den Nazis nichts zu befürchten. Doch deren Ziel war die Ausrottung der jüdischen Rasse. Deshalb durften Menschen mit jüdischen Wurzeln ab 1933 nicht mehr als Beamte oder als Angestellte in der Privatwirtschaft arbeiten. Benno Strauß wurde die Professur entzogen. Und, obwohl verboten, verabschiedete ihn Krupp mit einer großen Feier.
„Sein Mitarbeiter Eduard Maurer rächte sich an Strauß, denunzierte ihn als Jude“, hat Wolfgang Stark in Gestapo-Akten herausgefunden. Der Wissenschaftler Strauß wurde kaltgestellt und geriet in Vergessenheit. Nach der „Pogromnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 kam er für eine Woche in „Schutzhaft“, sein Familienvermögen von 127 000 Reichsmark wurde eingezogen. Doch „warum er nicht ausgewandert ist? Da kann ich nur vermuten, er glaubte, Hitler wird vorübergehen. Und er wollte wohl auch nicht auf fremde Hilfe angewiesen sein“, so Stark.
Bis 1944 lebte Benno Strauß noch in Essen. Mit dem letzten Transport wurde er in Richtung des Nazilagers Theresienstadt verschickt. Dort kam er nicht mehr an: Er starb auf einem Zwischenstopp in einem Kuhstall im Arbeitslager Vorwohle bei Holzminden.
Heute erinnern ein paar Straßen an Benno Strauß, den Vater des Edelstahls: Eine in Essen und eine in Fürth. Hier, in seiner Heimatstadt wurde kürzlich ein Gewerbepark an der Benno-Strauß-Straße erweitert. Auf zwei Gedenktafeln findet sich sein Konterfei und der Satz: „Ohne meine Erfindung sähe die Welt heute anders aus.“ Natürlich gedruckt auf Bleche aus NIROSTA.
(Ralph Schweinfurth)

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