Wirtschaft

Kläger Hannes Kuhn beim Prozessauftakt im Landgericht Nürnberg-Fürth. (Foto: Wraneschitz)

08.02.2018

Der verlorene Investor

Nachwehen einer Megapleite: Ex-Ökomanager verklagt Süddeutsche Zeitung und zwei Journalisten

„Ein Frontalangriff auf die Pressefreiheit! Einen erheblichen Einschüchterungseffekt, der laut dem Bundesverfassungsgericht nicht passieren darf!“ Nicht weniger ist für Martin Schippan das, was Hannes Kuhn vor etwa einem halben Jahr getan hat: Ex-Solarmanager Kuhn hat zwei Journalisten der Süddeutschen Zeitung und die SZ selbst auf etwa 78 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Und Schippan, SZ-Anwalt von Lausen Rechtsanwälte, hatte sich so etwas wie das letzte Wort ausbedungen in der „Güteverhandlung/Haupttermin“. Die war am heutigen Donnerstagmittag vor der 16. Zivilkammer des Nürnberg-Fürther Landgerichts angesetzt. Denn „wenn das Schule macht, dass ein wohlhabender Kläger mit einer undurchsichtigen, widersprüchlichen, unvollständigen Klage Journalisten mit einer solchen Forderung überzieht, ist das nicht nur ehrenrührig und völlig aberwitzig: Das ist Einschüchterung“, schiebt der Anwalt nach.

Kritischer Beitrag

Was war passiert, bevor es zur Klage kam? Am 25. Juli 2013, also viereinhalb Jahre zurück, hatten die beiden erfahrenen Wirtschaftsredakteure Uwe Ritzer und Markus Balzer einen kritischen Beitrag zu „maßgeblich krummen Geschäften“ von Hannes Kuhn veröffentlicht. Der hatte in den 1990er Jahren die Erlanger Solar Millennium AG (SM) mitgegründet und war Großaktionär, zuletzt Aufsichtsrat. 2011 meldete SM Insolvenz an. Schon vorher hatte es Spekulationen um Insiderhandel mit Aktien gegeben. Doch 2013 hatten Ritzer und Balser dafür wohl Belege aufgetan.    Zeitgleich witterte Kuhn 2013, lange nach dem Insolvenzantrag, offenbar die Chance, doch noch Teile des Unternehmens zu verkaufen und die Technologie - Parabolrinnen-Solarkraftwerke, die aus Wärme Strom produzieren – in fernen Ländern wie Indonesien zum Laufen zu bringen. Glaubt man dem Ex-Manager, der im feinen Zwirn vor Gericht erscheint, dann war allein der SZ-Artikel schuld, dass „die Geschäftsbeziehungen mit der Investorengruppe abgebrochen wurden, sich in Luft aufgelöst haben“, wie Richterin Marion Bieber die Klageschrift zitiert.

9000-facher Anlagebetrug

„Eine Anklage wegen 9000-fachem Anlagebetrug hat die Investoren nicht gestört, aber ein Zeitungstext? Der Artikel hat nichts mehr geändert“, sind dagegen die beklagten Redakteure und ihre Anwälte sicher. Zudem sind sie sich keiner Schuld bewusst: Sie hätten saubere journalistische Arbeit geleistet, sprich: Sie haben dem Kläger Fragen zum Sachverhalt geschickt, sogar mit konkretem Bezug zu einzelnen firmeninternen Unterlagen. Doch der habe darauf inhaltlich nicht geantwortet. Dazu habe ihm damals seine Strafverteidigerin geraten, führt Kuhn dazu ins Feld. Er bestätigt auch, er war zu der Zeit bereits zivilen und privaten Klagen ausgesetzt – immerhin hatten einige Tausend Anleger einen dreistelligen Millionenbetrag in die SM investiert gehabt. Deshalb habe er gedacht, es ginge bei den Journalistenfragen um diese Vorwürfe.

Gedächtnislücke

Offenbar hat damals auch sein Wirtschaftsanwalt Winfried Seibert den Sinn der Fragen nicht erkannt. Heute kann der sich als Rechtsbeistand des Klägers nicht mehr an diese Anfrage erinnern. Denn kurze Zeit nach der Anfrage habe er für acht Tage im Künstlichen Koma gelegen, begründet Seibert seine Gedächtnislücke. Im Gerichtssaal 272 wirft Hannes Kuhn mit Firmennamen, Vertragsentwürfen, Besprechungsterminen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Kontaktpersonen nur so um sich: Das wird selbst der Richterin zu viel. Zumal viele Papiere in der Klageschrift auf Englisch verfasst sind. „Bei uns in Deutschland ist Deutsch Gerichtssprache, das kann also nicht verwertet weden“, klärt die Richterin auf. Worauf Kuhn versprcht, das Material von zugelassenen Dolmetschern übersetzen zu lassen. „Dafür hätten Sie Jahre Zeit gehabt“, schüttelt die Vorsitzende unwirsch den Kopf. Genauso, wie sie die „Verschwörungstheorien“ in Kuhns Schriftsatz als überflüssig bezeichnet. Das gibt sogar dessen Anwalt zerknirscht zu.

Dokument nicht verstanden

Doch aus Seiferts und seines Mandanten Sicht haben „die ausgewiesenen Wirtschaftsjournalisten Balser und Ritzer damals entweder die ihnen vorliegenden Dokumente nicht verstanden, oder bewusst Falsches geschrieben. Die SZ hat Hannes Kuhn kaputtgemacht“, beharrt Seifert auf dem Klageantrag gegen die zwei Redakteure und die SZ GmbH. Die Zivilkammer will bis zum Sommer einen Zeitplan aufstellen. Zunächst soll der Schweizer Geschäftspartner befragt werden, dem Kuhn einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt haben will, wenn auch ohne Namen der Investorenfirma. Für den SZ-Anwalt ist diese Klage dagegen „ehrenrührig, nur auf Hörensagen und Vermutungen begründet. Ich bitte Sie: Bereiten Sie diesem Frontalangriff auf die Pressefreiheit schnellstmöglich ein Ende“, fordert Martin Schippan die Zurückweisung.
(Heinz Wraneschitz)

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