Wirtschaft

Zugverspätungen sind in Deutschland an der Tagesordnung. (Foto: dpa/Rainer Jensen)

08.07.2022

Der Westen wirtschaftet weiter ab

Statt Innovationen in Industrie, Bildung und Infrastruktur widmet sich die Politik Luxussorgen und zehrt von der Substanz

Jeder dritte ICE weist aktuell massive Verspätungen, Störungen oder mitunter beides auf. Den noch desolateren Zustand der Regionalbahnen hat das einen massiven Ansturm von Fahrgästen auslösende 9-Euro-Ticket geradezu brutal offen gelegt. Dass hier zeitnah und in einem spürbaren Umfang Abhilfe geschaffen wird, ist nicht zu erwarten.

Rund 15 Prozent der Autobahnstrecken sind eigentlich nicht mehr für den Verkehr geeignet. Notwendige Reparaturen liegen über dem Zeitplan, stocken oder werden aus Geld-, Material- beziehungsweise Personalmangel ganz ausgesetzt. In manchen Kliniken sind bis zu 40 Prozent der Stellen des Pflegepersonals nicht besetzt. Unterrichtsausfälle an den Schulen aufgrund zu weniger Lehrkräfte werden inzwischen fatalistisch hingenommen; von maroden Klos und Turnhallen nicht zu reden. Die am Limit agierenden Polizeikräfte schieben mitunter Hunderte Überstunden vor sich her.

Der Breitbandausbau und die Zahl der E-Ladestationen hinken den ambitionierten Plänen weit hinterher. Zuletzt kollabierte landesweit der digitale Zahlungsverkehr mittels EC-Karten. Immer mehr Schwimmbäder müssen aufgrund des Zustands, der die Sicherheit der Badegäste gefährdenden defekten technischen Anlagen, oder wegen nicht bezahlbarer Unterhaltungskosten geschlossen werden. Die Infrastruktur der Bundesrepublik – deren politische Führung das Land in fast peinlichem Selbstbetrug immer noch als die viertstärkste Wirtschaftsnation der Welt preist – verfällt auf breiter Front. Kleiner Trost: Beim G7-Gipfel in Elmau traf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) überwiegend auf Leidensgenossen.

Das Gemeinwesen implodiert

In Frankreich, Italien und Großbritannien implodiert das Gemeinwesen ähnlich. In den USA sieht es sogar noch schlimmer aus. Dort funktioniert mancherorts schon die Strom- und Wasserversorgung nicht mehr zuverlässig. Lediglich Japan und Kanada verfügen innerhalb der G7 noch über eine im Großen und Ganzen intakte und innovative Infrastruktur.

Zur gleichen Zeit aber wird in China im Halbjahresrhythmus ein neuer Flughafen von der Größe des BER hochgezogen. In den Golfstaaten, in Malaysia und zuletzt sogar in Südafrika baut man Hochhäuser, Erlebniszentren, Autobahnen und Überseehäfen im Akkord. Hinsichtlich der Aktivität und der Effizienz stellt sich beim Blick auf die einst den globalen Wettstreit bestimmenden Staaten des Westens inzwischen die Frage, wer hier tatsächlich die „Entwicklungs- und Schwellenländer“ sind. Der Westen zehrt inzwischen in fast autoaggressiver Weise von der Substanz.

All das hat sich kontinuierlich über die vergangenen 17 Jahre entwickelt. Wirklich entscheidende Gegenmaßnahmen ergriff keine der in dieser Zeit amtierenden Bundesregierungen mehr. Zuletzt riss noch einmal Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mit seiner mutigen Agenda 2010 das Ruder herum. Dass der alte Mann wegen seiner Putin-Treue inzwischen zum Paria mutierte, erleichtert es der DDR-affinen aktuellen sozialdemokratischen Führung, auch die letzten Reste dieses Programms zu schleifen.

Sozialleistungen ohne Gegenleistung empfangen

Bizarrste Beispiele: Sozialleistungen gibt es bald auch ohne Gegenleistung des Empfangenden und der dauerhafte Verbleib im deutschen Sozialstaat ist fortan auch zweifelsfrei abgelehnten Asylsuchenden gestattet – wenn sie sich der Pflicht zur Ausreise nur lang genug entziehen.

Wer öffentlich mahnt und darauf verweist, dass eine autochthone Bevölkerung Priorität genießen sollte bei den knappen zur Verfügung stehenden Ressourcen und dass nationale Interessen legitim sind – wie zuletzt die beiden Sozialdemokraten Klaus von Dohnanyi und Astrid-Sabine Busse oder früher deren einstiger Parteifreund Thilo Sarrazin –, wird von einer medialen grün-linken Kamarilla der die Realität Verleugnenden diffamiert und mundtot gemacht. Der deutschen Bevölkerung suggeriert speziell der öffentlich-rechtliche Rundfunk, fast die ganze Welt stünde geschlossen hinter den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und an der Seite der Ukraine. Tatsächlich werden diese Sanktionen aber außer von den Nato-, G7- und EU-Staaten nur noch von Taiwan, Südkorea, der Schweiz und dem Vatikan unterstützt.

Das Mantra vom Exportweltmeister Deutschland, welches Parteien jeder Couleur gern im Munde führen, ist nicht deren Verdienst – sondern der Tatkraft von zumeist mittelständischen Betrieben zu verdanken. Zum Dank werden diese Firmen dann mit immer neuen bürokratischen Regeln kujoniert. Und ihre durch harte Arbeit erworbenen Gewinne sollen möglichst vollumfänglich im Sinne eines obskuren Gerechtigkeitsverständnisses – gern firmierend unter dem Begriff Erbschaftsteuer – an die Empfangenden von Transferleistungen umverteilt werden. Dabei fließen bereits heute schon weit mehr als 40 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts in den Sozialetat.

Nackte Angst

Das geplante Ertüchtigungsprogramm für die Bundeswehr – wie effizient es am Ende tatsächlich ausfällt, bleibt abzuwarten – ist auch nicht primär der vernunftorientierten Einsicht geschuldet, sondern der nackten Angst des politischen Establishments, von Russlands Präsident Putin unsanft aus dem jahrzehntelangen und kommoden Pazifismus herausgerissen zu werden.

Statt wegweisender infrastruktureller Entscheidungen, bildungspolitischer Offensiven und ökonomischer Weichenstellungen – die den deutschen Wohlstand nachhaltig für künftige Generationen sichern würden – feiert sich die Ampel-Koalition gerade für Projekte von in volkswirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Sicht geradezu imposant peripherer Relevanz: Man darf fortan das eigene Geschlecht selbst definieren, Abtreibungen lassen sich nun ohne Beschränkungen bewerben und Joints können bald legal geraucht werden.

Lebte der frühere FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle noch, er hätte alles Recht, sein Schlagwort von der „spätrömischen Dekadenz“ erneut im Munde zu führen. Diese Fixierung auf Banales und Luxusprobleme im Angesicht des hereinbrechenden Chaos erinnert an Cäsaren, die noch kurz vor dem Untergangs des Reiches ihr Augenmerk auf die Ausrichtung möglichst reizvoller Gladiatorenspiele richteten.
(André Paul)

Kommentare (1)

  1. SirBartl am 08.07.2022
    Super Artikel. ESo geht man gerne ins Wochenende. Dem Autor stimme mit 110% zu. Aber, ob der "Schreiberling" seinen Job noch hat? Wer sowas wie in dem Artikel von sich gibt, gilt ja heute schon gleich als Querdenker und Schwurbler = Rechts und ist gesellschaftlich dann gleich im Aus?!

    Und dann noch diese Aussage: "Bizarrste Beispiele: Sozialleistungen gibt es bald auch ohne Gegenleistung des Empfangenden und der dauerhafte Verbleib im deutschen Sozialstaat ist fortan auch zweifelsfrei abgelehnten Asylsuchenden gestattet – wenn sie sich der Pflicht zur Ausreise nur lang genug entziehen.". Huiuiuiiiii. Wenn das mal kein SPD/Grün/Linker Politiker liest. Aber wenigstens stimmt das Gendern (...Empfangenden...). ;-)

    Mei Oma hat immer gesagt:"Bua, die Wahrheit derf ma song. Und wenns oana ned aushoit und dagegen schimpft, dann hast es genau auf den Punkt droffa".

    Weiter so!!!! Und ich hoffe, Herr Paul hat seinen Job noch lange!!!!
Die Frage der Woche

Soll das Gesetz für mehr Barrierefreiheit gelockert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.