Wirtschaft

In Bayern gibt es immer baureife Projekte, die sofort umgesetzt werden können. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

15.05.2020

"Die Eigenbeteiligung muss halbiert werden"

Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbands, fordert einen Schutzschirm oder Rettungsfonds für Kommunen, damit diese weiterhin bauen können

Wenn Städte und Gemeinden bauen, hilft das nicht nur der Bauindustrie, sondern auch anderen Wirtschaftszweigen. Darum sollten die Kommunen in der Corona-Krise den Rotstift nicht gerade bei Bauprojekten ansetzen. Vielmehr müsste der Freistaat sie befähigen, diese fortzuführen.

BSZ: Herr Schmid, wegen der Corona-Pandemie und dem Shutdown werden die Gewerbesteuereinnahmen massiv einbrechen. Städte und Gemeinden werden sparen müssen. Warum sollten sie nicht gerade bei Baumaßnahmen den Rotstift ansetzen?
Thomas Schmid: Das wird leider so kommen. Es kommt noch hinzu, dass den Kommunen auch viele Abgaben und Gebühren fehlen werden. Ich denke da insbesondere an den kommunalen Nahverkehr. Busse und Bahnen müssen schon in normalen Zeiten subventioniert werden. Jetzt fehlen die Fahrgäste, die Busse fahren ja fast leer durch die Gegend. Natürlich ist für die Kommunen die Versuchung groß, bei den Bauinvestitionen „zu sparen“. Bauinvestitionen sind disponibel, sie sind nämlich durch kein Leistungsgesetz festgeschrieben. Eigentlich aber sollten die Kommunen die ruhigeren Corona-Zeiten für diejenigen Bauinvestitionen nutzen, die gerade jetzt leichter durchführbar sind.

BSZ: Warum?
Schmid: Wenn Schulen und Kindergärten geschlossen sind, die Schulbusse nicht fahren, dann ist das eigentlich eine ideale Zeit für viele Baumaßnahmen. Es kommt noch hinzu, dass jetzt die Baustellen viel leichter erreichbar sind. Diese Erfahrung berichten viele unserer Mitgliedsunternehmen. Und am schnellsten und kostengünstigsten können sie mit den seriellen und modularen Methoden der Bauindustrie bauen. All das sollten die Kommunen nutzen.

BSZ: Wie viel an Folgeinvestitionen induziert ein für kommunale Bauprojekte investierter Euro?
Schmid: Eine spezielle Berechnung eines Multiplikators für kommunale Bauprojekte gibt es meines Wissens nach nicht. Für Deutschland hat das Rheinisch-Westfälische Institut (RWI) ermittelt, dass Bauinvestitionen in Höhe von einer Milliarde Euro gesamtwirtschaftliche Produktionswirkungen von 2,44 Milliarden Euro haben. Gleichzeitig werden hierdurch in der Gesamtwirtschaft rund 22.000 Arbeitsplätze geschaffen beziehungsweise gesichert. Für kommunale Bauinvestitionen dürfte der Multiplikator eher noch höher ausfallen. Auf jeden Fall kommen kommunale Baumaßnahmen eben nicht nur der Bauwirtschaft, sondern der gesamten Wirtschaft zugute.

BSZ: Was sollte der Freistaat unternehmen, um den Kommunen zu helfen?
Schmid: Wir haben dazu drei Vorschläge: Als Sofortmaßnahme sollte der Freistaat die Eigenbeteiligung der Kommunen bei allen Förderprogrammen halbieren. Auch schon in normalen Zeiten lassen einige Kommunen nämlich deswegen viele Förderungen ungenutzt. Das allein wird aber nicht reichen. Wir meinen, für die Kommunen muss auch ein Schutzschirm geschaffen werden oder ein neuer Rettungsfonds. Bekanntlich sind die Kommunen die wichtigsten öffentlichen Bauauftraggeber. Von ihnen stammen knapp 60 Prozent der öffentlichen Bauaufträge. Sie haben damit auch eine große Verantwortung für die lokale Bauwirtschaft.

BSZ: Reicht es, wenn das Finanzministerium jetzt schon zwei von den zehn Milliarden Euro des kommunalen Finanzausgleichs ausbezahlt?
Schmid: Das reicht alleine leider nicht. Wenn, wie ich eben gesagt habe, die Eigenbeteiligung oft das Problem ist, dann würde das gerade jetzt überhaupt nicht helfen. Zuerst muss die Eigenbeteiligung halbiert werden, erst danach bringt es etwas, den Finanzausgleich früher auszubezahlen.

BSZ: Sollte nicht auch der Bund zum Beispiel über eine raschere Finanzausstattung von baureifen Projekten aus dem Bundesverkehrswegeplan mit anschieben?
Schmid: Ja. Bayern würde das sogar sehr helfen. Bayern hatte bekanntlich immer rund eine Milliarde an baureifen Projekten in der Schublade. Das war das Markenzeichen der früheren Obersten Baubehörde. Das bayerische Bauministerium setzt diese Tradition weitgehend fort. Die Politik muss darauf achten, dass sie immer ausreichend hohe Etats für die Planungsmaßnahmen bereitstellt, zusätzlich zu den Bauetats. Denn Projekte nur vorzuziehen, das hilft zwar jetzt, aber das schadet dann in der Zukunft, wenn nichts mehr nachkommt.

BSZ: Was sollten die Kommunen daher mittel- und langfristig noch zusätzlich tun?
Schmid: Die Kommunen müssen rechtzeitig Folgeprojekte vorbereiten. Der Baubedarf ist ja riesig. Das betrifft sowohl die Sanierung vieler kommunaler Gebäude, ebenso die Leitungs- und Versorgungsinfrastruktur und natürlich die kommunalen Straßen und Brücken. Vieles muss auch neu gebaut werden. Wie sonst wollen wir eine Mobilitätswende oder die Energiewende umsetzen? Da brauchen wir überall moderne Infrastrukturen.

BSZ: Herr Schmid, haben Sie noch ein besonderes Anliegen?
Schmid: Ich möchte abschließend noch für mehr ÖPP werben. Da könnte man mit jedem Projekt zwei Probleme auf einmal lösen. Es gibt ja weiterhin viel privates Kapital, das fast verzweifelt nach einer sinnvollen Anlagemöglichkeit sucht. ÖPP ist aber mehr als eine Finanzierungsvariante. Die Kommunen bekommen damit auch einen bauerfahrenen Partner für ihre Projekte. So entstehen oft Projektideen, die besser und zugleich kostengünstiger sind. Und die von Anfang an langfristig angelegt sind, nämlich über den gesamten Lebenszyklus eines Projektes. Die Baukosten und die Ausgaben für den Unterhalt des Gebäudes werden so immer zusammen betrachtet. Dadurch entstehen gute Bauwerke mit optimierten Unterhaltskosten.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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