Wirtschaft

Diese Baustelle für Bürger-Windkraftwerke bei Langenzenn (Landkreis Fürth) steht still, weil es die bayerische Staatsregierung so will. Der Planer aus Markt Erlbach kann die Windräder nicht errichten, obwohl bereits ein Umspannwerk unwiderruflich bestellt ist, die Zuwege gebaut, die Kabel verlegt und die Fundamente angeliefert worden sind. (Foto: Wraneschitz)

03.01.2014

Die Energiewende ist in Gefahr

Bund Naturschutz zieht Bilanz 2013 und blickt aufs neue Jahr

„Nicht lupenrein positiv“ ist die Bilanz des Bund Naturschutz (BN) Bayern für 2013, in dem der BN „100 Jahre jung wurde und in dem es einschneidende umweltpolitische Entscheidungen gab“, so Landesbeauftragter Richard Mergner. Doch auf das kommende Jahr 2014 blickt die Umweltorganisation mit Sorge.
BN-Vorsitzender Professor Hubert Weiger nennt vor allem „drei positive Entscheidungen für Na-tur und Heimat“ des vergangenen Jahres. „Erstens: Die irreversible Entscheidung des bayerischen Ministerpräsidenten für die freifließende Donau.“ Erreicht wurde der Ausbauverzicht letztlich „durch geschlossenes Bürgerengagement des breitesten gesellschaftlichen Bündnisses in Bayern seit Jahrzehnten“: Weiger nennt Handwerker, Fischer, Kommunalpolitiker als Mitstreiter.
Der zweite Erfolg, „den selbst wir als Berufsoptimisten nicht für möglich gehalten haben: Dass wir vier Bürgerentscheide gegen Olympia gewinnen“. Das Komitee um den Franken Thomas Bach „muss sich wieder zu den Grundlagen von Olympia bekennen und vom Kommerz verabschieden“.
„Die Wildkatze in den großen Waldgebieten Frankens nachzuweisen“, bezeichnet Hubert Weiger als dritten BN-Erfolg des Jahres. In dem Fall lobt der BN-Chef sogar das Landwirtschaftsministerium und die Staatsforstverwaltung für das gemeinsame Projekt. In dem würden sich auch viele Jäger engagieren, so Weiger.
Noch drängender aber ist dem BN eine „gemeinsame Aktion mit der IG Metall für die Energiewende, ein neuer Bündnispartner. Wir sehen mit großer Sorge eine drohende Wende rückwärts“, geht Hubert Weiger die Wackler in Bayerns Staatsregierung frontal an: „Erst gab es ein klares Bekenntnis zum Windkrafterlass vom damaligen Umweltminister Markus Söder (CSU), abgestimmt mit dem Naturschutzring. Das ist erst zwei Jahre alt. Dazu gab es den Biogasplan Bayern: Dezentrale Speicher nutzen, das waren hoffnungsvolle Ansätze“, wo vorrangig Reststoffe verwertet werden sollten. Doch nun sei Söder Heimatminister „und wir werden damit konfrontiert, dass die Windkraft nach Plan abrupt gestoppt wird“. Weil fertige Regionalpläne nach einem Söder-Ukas nicht in Kraft treten dürfen (BSZ berichtete), würden jahrelange Arbeiten zunichte gemacht.
Der BN-Vorsitzende aus Fürth nennt hier beispielhaft den „Stopp von Windkraft in Langenzenn im Landkreis Fürth. Ich appelliere eindringlich an den Ministerpräsidenten, die Politik zu überdenken.“ Denn Söder ist für Weiger nur Handlanger, der eine „willkürliche und durch nichts begründete Zwei-Kilometer-Abstandsregelung durchsetzen“ soll.
Dabei seien Windräder oder Biogas- und Solarkraftwerke oft Genossenschaften, an denen sogar Gemeinden beteiligt seien, „die dabei Geld für die Allgemeinheit generieren wollen“. Das CSU-regierte Wildpoldsried nennt Weiger hier beispielhaft. Genos-senschaftsteilnahme sei ab 50 Euro möglich, „also keine Frage des Einkommens“, so Weiger. Doch wenn die Staatsregierung nach dem Motto verfahre, „wir wollen die Energiewende, aber nicht bei uns, kommt es zu gewaltigem Vertrauensverlust, zur Blockade dezentraler Investitionen und wichtiger Wertschöpfung im ländlichen Raum“. Allein im Landkreis Neustadt/Aisch – Bad Windsheim würden fast 90 Prozent des Stroms dezentral erzeugt. Die Wertschöpfung von „weit über 100 Millionen Euro bleibt dort, das ist wesentlich mehr als EU- und sonstige Zuschüsse“, rechnet der BN-Mann vor.
„Unverzichtbar“ nennt Hubert Weiger die eingeleitete Energiewende, akzeptiert dabei sogar die Landschaftsveränderung durch „20 bis 30 Windkraftanlagen pro Landkreis. Denn ohne dezentrale Windkraft-Nutzung laufen wir in eine Versorgungslücke hinein“, wo bekanntlich das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld zu Jahresende 2014 stillgelegt werden müsse. Es gehe auch „um die Glaubwürdigkeit der CSU-Fraktion: Es war ein großer Konsens vor zwei Jahren. Wir halten am alten Energieplan Bayern mit 1500 Windrädern fest.“
Deshalb nennt Weiger „den Ein-satz für eine dezentrale ökologische Energiewende eine der Hauptaufgaben des BN“. Gemeinsam mit der IG Metall habe der BN an den Regierungschef einen „Brandbrief wegen der Wind-Blockade“ geschrieben, von der „gerade Firmen in und um Nürnberg oder Schweinfurt“ betroffen seien.
Doch der BN will sich auch engagieren für den Nationalpark nördlicher Steigerwald, allge-mein gegen den Flächenverbrauch durch Großprojekte, für den Ausbau öffentlicher Infrastruktur und gegen neue Autobahnen wie den „Franken-Tunnel“ unterhalb Nürnbergs. Der koste 350 Millionen Euro und würde nur mehr Individualverkehr erzeugen, ist der BN sicher. Stattdessen setzt die Umweltlobby auf die Stadtumlandbahn (StUB) zwischen Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach: Die könne das heutige „Pendlerproblem Frankenschnellweg“ effektiv lösen.
Dabei verweist Weiger auf die inzwischen 207.000 Mitglieder seines „breit in der Bevölkerung verankerten“ Verbands. „Über eine Million Stunden ehrenamtlicher Arbeit schaffen Glaubwürdigkeit.“ Deshalb habe er „Anlass, dankbar zu sein für die Fortschritte im Naturschutz und wachsendes Bürgerengagement“. (Heinz Wraneschitz)

Kommentare (4)

  1. eschneid am 05.01.2014
    Ich vermute dass die Festlegung der bayerischen Staatsregierung gegen lokale Windkraft zwei Gründe hat.
    1. Einen populistischen. Die Windräder sind bei Anrainern mehrheitlich unbeliebt. Eigenartig ist nur, dass sich auch Menschen über die Verschandelung der Landschaft aufregen, die gegen die Zersiedelung der Landschaft bis hinein in Naturschutz- und Wasserschutzgebiete überhaupt nichts einzuwenden haben. Darin steckt viel Doppelmoral.
    Wir würden es nie mehr schaffen, das Gleisnetz der Eisenbahn mit seinen Bahndämmen, Signalen, Oberleitungen und vorbeiratternden Zügen aufzubauen. Denn wer möchte bestreiten, dass es die Landschaft verschandelt und Krach macht? Zum Glück waren unsere Vorfahren vor 100 Jahren aufgeschlossener für Neues.
    2. Den Zentralismus in den Politikerköpfen. In der DDR gab es den Witz: "Je größer desto sozialistischer." Und hierzulande? Man muss den Erzeuger möglichst weit vom Verbraucher fernhalten und dann ausgeklügelte Techniken zur Reduzierung der Leitungsverluste einsetzen. Ja, geht's noch? Nur damit die großen drei Energieversorger die Kontrolle über ein Grundbedürfnis der Industriegesellschaft behalten und damit dicke Gewinne einstreichen können? Wo kämen wir denn hin, wenn jedes Dorf seinen eigenen Strom erzeugt? Wohin wir kämen? Zur Energiewende.
  2. haraldo am 04.01.2014
    Wenn Horst Seehofer und Ilse Aigner die 10H-Regelung durchsetzen, ist die Windkraft in Bayern tot. Diese Entscheidung würde auch im krassen Widerspruch zum bayerischen Energiekonzept stehen, das nach Fukushima aufgestellt worden war (Ziel: Verzehnfachung der Stromerzeugung durch Windkraft) Aber was schert diese CSU-Regierung ihr Geschwätz von gestern ...
  3. Heinz S. am 04.01.2014
    Netter Artikel, Danke! Sehr zu empfehlen. In dieser Tiefe wünsche ich mir auch mehr in den Nürnberger Zeitungen.
  4. Karl am 03.01.2014
    Naturschützer, wie von Guttenberg, verlassen den Bund. Das stört die Windkraftprofiteure gar nicht.
    Der Abstand 10xH ist eine Mindestforderung. in Großbritannien und sonstigen Ländern wo die Bevölkerung vom Lärm geschützt wird, ist der ja viel größer.
    Aber keine Angst, in Mittelfranken, wo wenig Wind weht, werden die "Bürgerwinde" auch mit Subventionen bald pleite machen.
    Nur: wer zahlt dann für den Abbau der Ruinen?
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