Wirtschaft

Detlef Fischer liebt es, elektrisch unterwegs zu sein. Darum verneigt er sich auch vor seinem Tesla, den ihm seine Frau zum 50. Geburtstag geschenkt hat. (Foto: privat)

30.05.2018

„Fördermittel auf Kosten anderer abgreifen, reicht nicht“

Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, über erneuerbare Energien, Investitionsunsicherheit und Energiespeicher

Jeder regt sich über mögliche Diesel-Fahrverbote auf, doch in Sachen Energiewende herrscht das Schweigen im Walde. Wir fragten Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), warum das so ist.

BSZ: Herr Fischer, um die Energiewende ist es ruhig geworden. Was ist los?
Fischer: Die Politik, nicht nur die Grünen – ja, sogar die CSU, hat nach Fukushima einfach postuliert, dass alle in der Gesellschaft die Energiewende wollen. Das stimmte oberflächlich betrachtet auch. Es hat ja auch niemand was gegen Freibier einzuwenden. Nur hat man vergessen, den Leuten zu erklären, was eine echte Energiewende für das bayerische Landschaftsbild und für den eigenen Lebensstil bedeutet und wer am Ende für die Kosten aufkommen muss.

BSZ: Was hätte die Politik erklären müssen?
Fischer: Dass es mit dem Abgreifen von Fördermitteln auf Kosten anderer für die eigene Photovoltaikanlage auf dem Dach und dem Abschalten der Kernkraftwerke nicht getan ist. Die Energiewende fängt jetzt eigentlich erst an und wird für viele in unterschiedlichsten Bereichen sichtbar und damit unbequem. Ich habe beispielsweise noch niemanden getroffen, der wegen der Energiewende auf seinen neuen fetten SUV oder seine Kreuzfahrt verzichten wollte. Und letztendlich waren die Energiepreise in den letzten Jahren relativ niedrig. All das hat den Umsetzungsdruck aus der Energiewende herausgenommen.

BSZ: Wird die Energiewende wenigstens im anstehenden Landtagswahlkampf eine Rolle spielen?
Fischer: Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das Thema Energiewende spaltet die Wähler zu sehr. Da jede Partei zusehen muss, möglichst viele Stimmen zu ergattern, wird man um die Energiewende im Landtagswahlkampf einen möglichst großen Bogen machen. Jede Partei wird sich natürlich auf Nachfrage voll zum Klimaschutz bekennen – schon allein deswegen, weil sich das so gehört. Man will ja nicht mit Herrn Trump in eine Schublade gesteckt werden. Aber flammende Reden für mehr Stromtrassen, mehr Windkraftanlagen und neue Wasserkraftwerke erwarte ich nicht.

BSZ: Aber ökologisch korrekt ausgerichtete Wähler stehen doch zur Energiewende, oder?
Fischer: Naja, selbst bei den „grünen“ Wählern ist ambivalentes Verhalten festzustellen. Grundsätzlich ist man selbstverständlich für die Energiewende, kommt sie dann vor Ort mit einem konkreten Projekt an, wird es aber zuweilen schwierig. Gerne gründet man dann schon mal eine Bürgerinitiative gegen das Projekt, weil gerade hier die Landschaft so schützenswert ist. Soll die Energiewende doch woanders stattfinden.

BSZ: Ist der schnelle Ausstieg aus der Kernenergie in Bayern seit 2011 richtig?
Fischer: Zunächst mal ist festzuhalten, dass der Ausstieg aus der Kernkraft in Bayern bislang versorgungstechnisch problemloser verlaufen ist, als sich das auch viele echte Experten vorstellen konnten. Ich persönlich hätte kein Problem mit den ursprünglich vereinbarten längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke gehabt. Sie hätten uns viel Kohlendioxid erspart und Investitionsspielräume für den Umbau unserer Energieversorgung erwirtschaftet. Aber auch in unserem Verband war die Stimmung mit großer Mehrheit aus den verschiedensten Gründen gegen die Kernkraft. Man kann in einer Demokratie eine Technologie nun mal nicht gegen den breiten gesellschaftlichen Willen betreiben. Das haben die Befürworter der Kernkraft, wenn auch schweren Herzens, so zu akzeptieren.

BSZ: Was hat die Energiepolitik in den letzten Jahren richtig und was hat sie falsch gemacht?
Fischer: Die formale Lage ist global betrachtet gesehen ja ganz gut. Wenn man von den aktuellen Entwicklungen in den USA mal absieht, haben es die Klima- und Umweltpolitiker in den vergangenen 30 Jahren geschafft, zumindest auf dem Papier die klimaneutrale Energieversorgung in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu beschließen. Der Kardinalfehler in der deutschen Energiepolitik war der irrige Glaube, quasi alleine mit der Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und deren Finanzierung über den Strompreis die Energiewende umsetzen zu können.

BSZ: Was bedeutet das konkret?
Fischer: Dass alles zu massiven Verwerfungen – im Übrigen auch zu klimaschädlichen – am Energiemarkt geführt hat. In der Stromerzeugung wird in unserem Wirtschaftszweig keiner mehr Investitionen tätigen, bevor klar ist, welche Förderung man für sein Engagement bekommt. Die Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist aber hochkomplex geworden. Ständig ändern sich die Paragrafen. Man kann sich auf nichts mehr verlassen. Auch EEG-Freaks blicken nicht mehr durch, welche Regelung für welchen Sachverhalt einschlägig ist. Bald kümmern sich mehr Rechtsanwälte als Ingenieure um dieses Gesetz. Ein Wahnsinn!

BSZ: Was muss getan werden, damit die Energiewende wieder an Schwung gewinnt?
Fischer: So leid es mir tut, zunächst braucht es wohl mal wieder ein sehr einschneidendes Einzelereignis, damit das Thema wieder in den gesellschaftlichen Blickwinkel rückt. Das Reaktorunglück in Fukushima war so ein Ereignis, das weltweit für Jahre – nicht wie beispielsweise ein Klimagipfel nur für Wochen – die Energiepolitik zumindest in Deutschland maßgeblich geprägt hat. Besonders hilfreich sind in dieser Hinsicht natürlich auch immer Preissprünge bei den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas. Schmerzen im Geldbeutel sind besonders gut für die Veränderungsbereitschaft der Menschen. Gegebenenfalls deutet sich da schon etwas in dieser Richtung an.

BSZ: Was denn?
Fischer: Die Preise für fossile Primärenergieträger – insbesondere für Erdöl – sind in den letzten Monaten massiv angestiegen.

BSZ: Von welcher Technologie erwarten Sie künftig den größten Beitrag zur Energiewende?
Fischer: Wenn wir zumindest denkbare Gamechanger wie die Kernfusion mal großzügig außen vor lassen, dann wird es jede Form der Nutzung der Sonnenenergie sein. Da diese zumindest in unseren Breiten aber sehr volatil und auch noch stark jahreszeitabhängig zur Verfügung steht, werden wir Speicher benötigen. Hier wird es sicherlich einen Mix an Technologien für Kurz-, Mittel- und Langfristspeicher geben müssen. Schnelle Erfolge erwarte ich hierzu jedoch nicht.

BSZ: Wie ist derzeit die Stimmung in der bayerischen Energiewirtschaft?
Fischer: Da die Politik größtenteils die Lust an der Energiewende verloren hat, sind natürlich diejenigen in der Energiewirtschaft am meisten frustriert, die an deren zügiges politisches Vorantreiben geglaubt haben. Für die Investitionsbereitschaft in unserem Wirtschaftszweig ist die derzeitige Situation fatal. Es wäre schön, endlich wieder zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Soll unser Wirtschaftszweig die Klimabeschlüsse aus Paris ernst nehmen, oder sollen wir eine nicht nachhaltige, möglichst preiswerte Energieversorgung aufrechterhalten? Beides können wir; beides aber gleichzeitig bestmöglich zu organisieren, ohne dass es irgendjemand am Geldbeutel oder an der veränderten Aussicht von seinem Balkon merkt, ist leider nicht möglich.

BSZ: Die Mobilität ist in Bayern mit Abstand für den meisten CO2-Ausstoß verantwortlich. Ist die Elektromobilität wirklich der alleinige Retter in der Not?
Fischer: Ja, der Verkehrssektor ist der Energiewendeversager Nummer eins weltweit, in Deutschland und natürlich besonders auch in Bayern. Die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich sind absolut erheblich ansteigend. Der besonders klimaschädliche Flugverkehr boomt regelrecht. Da nützt es auch wenig, wenn man den Betrieb der Flughäfen – wie in München angestrebt – bis 2030 klimaneutral gestalten will. Das ist doch nur eine Augenwischerei und grenzt an Volksverdummung, solange die Emissionen der Flugzeuge selbst außen vor bleiben.

BSZ: Bleiben wir mal beim Auto. Fahren wir bald nur noch elektrisch?
Fischer: Derzeit wird in der öffentlichen Wahrnehmung fast ausschließlich vom Elektroauto mit Batterie gesprochen. Welchen Anteil diese Technologie im Pkw-Sektor in einigen Jahren aufweisen wird, ist eine der spannendsten und für unseren Wirtschaftsstandort entscheidendsten Fragen unserer Zeit. Wenn ich ein Autoboss in München oder Ingolstadt wäre, würde ich auf jeden Fall keinen Euro mehr in die Weiterentwicklung von hochgezüchteten Verbrennungsmotoren für Pkws stecken.

BSZ: Warum?
Fischer: Diese Fahrzeuge sind ja mittlerweile hauptsächlich Abgasreinigungsanlagen mit fünf Ledersitzen und einem Lederlenkrad. Denn eines ist für mich klar: Die Zukunft der Individualmobilität auf dem Land wird irgendwie elektrisch sein. Im Übrigen nicht nur, weil es besonders umweltfreundlich ist, sondern weil es vor allem die echte Freude am Fahren bringt. Das einmalige Versenken von X6, Q7 und 911 mit einem Tesla schafft ein wohlig angenehmes Gefühl der Überlegenheit für Monate. Für die Verkehrsmittel in der Luft und auf dem Wasser ist die Elektrifizierung aber wesentlich schwieriger umzusetzen.

BSZ: Welche Erwartungshaltung haben Sie an unsere Wohlstandsgesellschaft? Was kann jeder einzelne für den Klimaschutz und die Energiewende tun?
Fischer: Da der Mensch nun mal so ist wie er ist, wird er sich nicht freiwillig einen klimafreundlichen Lebensstil angewöhnen. Jeder, der sich doch aus Verantwortungsgefühl oder Anstand möglichst klimafreundlich verhält, wird von denjenigen ausgelacht, die es nicht tun. Und das ist noch dazu die große Mehrheit. Erst wenn dieses „Spiel“ andersrum läuft, gibt es den gesellschaftlichen Anreiz, sich klimafreundlich zu verhalten. Denn es will ja auch niemand am Pranger stehen. Ein dafür zumindest in der Wissenschaft anerkanntes Werkzeug ist das personalisierte CO2-Jahresbudget. Ich bin schon auf den Wahlerfolg des Politikers gespannt, der dieses Wort zum ersten Mal in den Mund nimmt.

BSZ: Gibt es in der Energiewende Konflikte zwischen Stadt und Land?
Fischer: Ja, die gibt es und sie treten zumindest unbewusst auch immer mehr zu Tage. Das „Land“ muss in der Energiewende die Energie nicht nur für sich selbst, sondern auch noch für die Ballungsräume produzieren, da dort die dafür benötigten Flächen gar nicht zur Verfügung stehen. Es genügt also bei weitem nicht, wenn das Dorf X „energieautark“ ist. Es muss zusätzlich seinen Beitrag dafür leisten, dass die Metropole Y, wo die Kinder aus dem Dorf X studieren und arbeiten, mit Energie versorgt wird.

BSZ: Logisch. Wo ist das Problem?
Fischer: Dass die Sache nur funktioniert, wenn alle Regionen in Bayern sich an der Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien beteiligen. Was die Windräder für das besonders schöne Oberfranken sind, sind halt die Speicherkraftwerke und Staumauern für das freilich nicht minder schöne Oberbayern.

BSZ: Halten Sie es für realistisch, dass Bayern ab 2050 weitestgehend klimaneutral wirtschaftet?
Fischer: Nein, ganz bestimmt nicht. Eigentlich ist das sehr schade! Und das Schlimmste daran ist, dass diesen Umstand nicht diejenigen auszubaden haben werden, die in der Position dazu gewesen wären, aber nicht den Mut aufgebracht haben, auch mal mit unkonventionellen Methoden dazu beizutragen, es vielleicht doch zu schaffen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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