Wirtschaft

Die neue Grundbeölung bei Stahlcoils im Presswerk spart pro Jahr 40 Tonnen Öl ein – die Erfinder der Produktentwicklung (von links): Martin Michallek (Fertigungsplanung Lackiererei in Ingolstadt), Robert Hozjan und Ingo Faaß (beide Betriebsmanagement des Presswerks Ingolstadt). (Foto: Audi AG)

07.05.2021

Für den Klimaschutz muss noch viel getan werden

Während die Stromerzeugung auf einem guten Weg ist, dominieren im Verkehrssektor, der Wärmeversorgung von Gebäuden und der Industrie immer noch fossile Energieträger

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Bundesregierung am Zug, die Klimaziele zu verschärfen. Manch ein Unternehmen fürchtet jetzt noch schärfere Vorgaben.

Die Sorgen in der Wirtschaft sind berechtigt. Denn Politiker wie Martin Stümpfig, Energie- und Klimaschutzsprecher der Landtags-Grünen, fordern ein Sofortprogramm zur schnellen und deutlichen Verminderung von Treibhausgasemissionen. Darin enthalten sein sollen laut Stümpfig unter anderem die Einführung eines CO2-Schattenpreises von 180 Euro pro Tonne CO2 bei sämtlichen Vergaben und Bauvorhaben des Freistaats.

Wie Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) fordert auch er die Abschaffung der 10H-Regelung für Windkraftanlagen und den Aufbau einer eigenen Windagentur unter dem Dach der Bayerischen Staatsforsten. Doch der Aufweichung der Abstandsgebote von Windkraftanlagen hat die CSU bereits eine klare Absage erteilt.

Ladeinfrastruktur fehlt

Doch es geht nicht nur um Windenergie. Im Verkehrssektor sollen ebenfalls die Weichen anders gestellt werden. Das sorgt für Beunruhigung bei den Fahrzeugherstellern. „Bereits die jetzigen Klimaziele und die daraus abgeleiteten Klimavorgaben für den Verkehr sind äußerst ambitioniert – vor allem mit Blick auf die mangelnde Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge“, sagt eine Sprecherin des Münchner Bus- und Lastwagenherstellers MAN.

Aber nicht nur die Neufahrzeuge können zum Klimaschutz beitragen. Auch deren Produktionsprozess kann umweltverträglicher werden. So hat zum Beispiel die BMW Group bereits vor dreieinhalb Jahren an ihren niederbayerischen Standorten Dingolfing und Landshut rund 90 Millionen Euro in eine hocheffiziente Strom- und Wärmeerzeugung investiert. Moderne KWK-Technologie sorgt dort pro Jahr für circa 75.000 Tonnen CO2-Einsparung gegenüber konventioneller Technik.

Auch Konkurrenz Audi produziert nachhaltiger. Mit dem Produktionsstart des Audi Q6 e-tron führt das Unternehmen die zweite Generation der sogenannten Stahlcoilbeölung ein. Dank dieser Produktentwicklung lässt sich die Schmierstoffmenge, die als Korrosionsschutz und für die Verarbeitung der Bleche im Presswerk benötigt wird, deutlich reduzieren. Hochgerechnet auf alle Stahlbauteile, die Audi an Produktionsstandorten in Europa und Mexiko verarbeitet, ergibt sich ein immenses Einsparpotenzial in Höhe von rund 40 Tonnen Öl pro Jahr gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018. Die Idee stammt von Audi-Mitarbeiter*innen im Presswerk Ingolstadt. Sie macht bereits Schule im Volkswagen-Konzern.

Betriebe haben ihr Engagement gesteigert

Nicht nur diese beiden Beispiele zeigen, dass Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), recht hat, wenn er sagt: „Der Schutz von Klima und Umwelt ist der Wirtschaft in Bayern ein wichtiges Anliegen, daher arbeiten viele bayerische Unternehmen bereits seit Jahren abseits des politischen Parketts in ihrem eigenen Betrieb an der Energie- und Klimawende.“ Das hat das IHK-Energiewendebarometer zu Beginn des Jahres wieder bestätigt: Die Betriebe haben ihr Engagement in allen abgefragten Punkten im Vorjahresvergleich nochmals deutlich gesteigert. Konkret heißt das: Mehr Unternehmen im Freistaat wollen ihre Energieeffizienz steigern, mehr Ökostrom beziehen, die Ladeinfrastruktur sowie die Flotte für E-Fahrzeuge ausbauen und mehr Stromspeicher anschaffen.

„Die Wirtschaft will und muss ein integraler Teil der Strategien gegen den Klimawandel sein. Deswegen darf die Politik bei ihren Nachverschärfungen am Klimaschutzgesetz die Unternehmen nicht mit noch mehr Vorschriften und Bürokratie ausbremsen, sondern muss auf die Stärken einer innovationsfreundlichen, kreativ vorausschauenden und nachhaltig denkenden Wirtschaft setzen“, betont der BIHK-Chef.

Das gelingt aber nur, wenn die internationale Wettbewerbsfähig-keit des stark exportorientierten Wirtschaftsstandorts Bayern und Deutschland gewährleistet bleibt. Darum muss sich die Politik endlich für eine Senkung der Strompreise einsetzen. Diese belasten schon seit Jahren die Industrie im Freistaat Bayern und stehen gleichzeitig einer für den Klimaschutz erforderlichen Elektrifizierung von Prozessen entgegen.

Niedrigere Strompreise nötig

Hinzu kommt die CO2-Abgabe. Je steiler der CO2-Preispfad, desto stärker muss die Entlastung beim Strompreis ausfallen. „Wir müssen weg von der EEG-Umlage sowie der Stromsteuer und hin zu deutlich niedrigeren Strompreisen. So können sich auch kleinere Betriebe wie etwa Mittelständler die Umstellung auf elektrifizierte Abläufe im Betrieb, die deutlich schadstoffärmer und damit umweltfreundlicher sind, leisten“, so Gößl.

Auch im Handwerk fordert man Klimaschutz mit Augenmaß. „Es darf jetzt keinen Wettlauf geben, wer die höchsten CO2-Einsparungen fordert, sondern wer die überzeugendsten politischen Maßnahmen entwickelt, um die beschlossenen Klimaschutzziele am effizientesten und effektivsten zu erreichen“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT). Detaillierte und sich oft auch widersprechende Vorgaben, umfassende Bürokratie sowie ständig steigende Belastungen sind für die Handwerksbetriebe kontraproduktiv. Nötig sind marktwirtschaftliche Instrumente und Technologieoffenheit.

Klimaziele nicht erreichbar

Diese Aufgeschlossenheit für Innovationen sollte auch im Bausektor vorhanden sein. „Für den Weg hin zur Klimaneutralität und auch zur besseren Bewältigung der trotzdem unvermeidbaren Folgen des Klimawandels kann die Bauindustrie viele technische Lösungen anbieten. Diese Lösungskompetenz sollte die Politik nutzen“, betont Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbands.

Wie bitter nötig Klimaschutzmaßnahmen außerhalb des Energiesektors sind, verdeutlicht Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW): „Mit derzeit knapp 50 Prozent Deckungsgrad des Stromverbrauchs mit erneuerbar erzeugtem Strom hat dieser Sektor maßgeblich zur bisherigen Zielerreichung der bayerischen Staatsregierung beigetragen.“ Die Deckung des Energiebedarfs für den straßengebundenen Verkehr, den Flugverkehr, den Wärmebedarf in Gebäuden sowie für die Industrie erfolgt laut Fischer hingegen weiterhin weitestgehend auf Basis fossiler Energieträger. Wenn das so weitergeht, wird das von Bayern angestrebte Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 nie erreicht.
(Ralph Schweinfurth)

 

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