Wirtschaft

Immer weniger Menschen lesen gedruckte Zeitungen. foto dpa

16.01.2015

Geld verdienen mit Presse-Apps

Der Kongress „Transforming Media“ in Nürnberg propagiert: Erfolgreiche neue Geschäftsmodelle für Verlage sind möglich

Beim Kongress „Transforming Media“ von BayMS, der Bayerischen Medienservicegesellschaft, ging es um „Neue Geschäftsmodelle in der digitalen Welt“. Die altbekannten Medienhäuser von Süddeutschem Verlag bis zum Spiegel kämpfen seit Jahren mit sinkenden Abonnentenzahlen und Auflagen. Dabei lägen neue Geschäftsfelder quasi völlig offen zutage: Mobiltelefone, heute besser bekannt als Smart Phones, werden immer wichtiger, erklärt Michael Reuter. Dafür brauche es vor allem Apps, jene kleinen Programme für Spaß, Spiele, aber auch für professionelle Anwendungen. Reuters Firma „AppAdvisors berät Firmen hin-sichtlich ihrer App-Strategie“, verhilft also zu deren optimalem Einsatz. Und wenn Apps ein Problem lösen, kann damit auch Geld gemacht werden, weiß er.
Ein solches Problem: „Die Leute wollen Content. Für Qualität zahlen die Leute auch, man muss es nur verkaufen“, bestätigt André Voigt. Der bietet Internet-Basketballpodcasts per Abo an und verlangt dafür Geld. Doch während Voigts Tondateien relativ preiswert zu produzieren sind, kosten Apps richtig viel: „Gewöhnen Sie sich an, pro App nicht in 5000 sondern in 50 000 Euro zu denken“, erklärt „AppAdvisor“ Michael Reuter. Kapital via "Crowd Funding" besorgen Für Journalisten, die sich selbstständig machen wollen, eine Menge. Doch das Kapital kann man sich via „Crowd Funding“ besorgen, beruhigt Johanna Stiller von Startnext. seit 2010 bringt die Internetplattform Ideen und Geldgeber zusammen, „mit einer Erfolgsquote von 59 Prozent“. Auch Medienprojekte wurden schon über Startnext finanziert, wie der Online-„Störsender“ des kürzlich verstorbenen Kabarettisten Dieter Hildebrandt oder „Crowdspondent – Dein persönlicher Reporter“. Doch auch „Verlage sollten experimentierfreudiger werden“, fordert Stiller eingesessene Medien zum Crowd Funding auf.
Ganz ohne Crowd Funding, nur mit ihrem Ersparten haben Anto-nia und Alexander Sutter ihren „Verlag für rein digitale Medienprodukte Carry on Publishing“ und „Sister Mag – das Journal für die Digitale Dame“ zum Laufen gebracht. Heute kommt das Sister Mag alle zwei Monate mit 400 Seiten auf den Online- und Smart Phone-Markt. Es hat jetzt „etwa 150 000 Leserinnen, die selbst bei den Fotoshootings live dabei“ sein können, so die Chefredakteurin. Finanziert wird das Ganze nicht durch viele Anzeigen, sondern durch von Firmen bezahlten „Contentstrecken, alle klar gekennzeichnet“.
Zeitungen und Zeitschriften zu-sätzlich online gewinnbringend vermarkten und dabei keine Abonnenten verlieren. Was den Medienhäusern selber nicht gelingt, schaffen offenbar Online-Portale wie Readly: Im Web einen Zeitungskiosk aufbauen, der für 9,99 Euro pro Monat „unbegrenzten Zugang zu Hunderten Zeitschriften“ bietet. Das war bisher im Ausland erfolgreich, seit Kurzem auch hierzulande im Netz. Weil Readly die Einnahmen 2:1 auf Verleger und das Unternehmen aufteilt, sei das An-gebot „keine Kannibalisierungskonkurrenz für Verlage“, behauptet Deutschlandchef Maximilian Schierstädt.
Laterpay geht einen anderen Weg: Mit dessen Hilfe werde „die Dienstleistungsmentalität der realen in die digitale Welt übertragen“, also schlicht journalistische Inhalte bezahlt, weil die etwas wert sind, wie Gründer Cosmin Ene erläutert. Ene ist sicher: „Es gibt keine Kostenloskultur im Internet. Diese Behauptung ist nur eine Entschuldigung dafür, dass man keine passenden Geschäftsmodelle gefunden hat.“ Bei Laterpay müssen Leser erst später zahlen. Doch Vertrauen sei ja beiderseitig notwendig: Auch Text-Content sei „eine Katze im Sack“, die der Nutzer bei der heute von Online-Medien oft praktizierten „Paywall“ blind kaufen müsse. 105 Euro für einen Artikel Richard Gutjahr war nach eigener Aussage eine Versuchsratte von Paylater. Für einen Artikel, den der Fernsehjournalist und Blogger gegen Nutzungsgebühr zum Lesen freigab, kamen immerhin 105 Euro zusammen. „Auf die Süddeutsche Zeitung hochgerechnet wären das 32 000 Euro gewesen“, stellt Cosmin Ene einen Vergleich an. „An welchen Artikel hat die SZ zuletzt 32 000 Euro verdient?“, fragt er und fordert die Verlage auf, sich einfach zu trauen, Inhalte ebenfalls zu verkaufen.
So weit ist SZ-Mann Carsten Matthäus noch nicht. „Wir müssen erst unser publizistisches Angebot so verbessern, dass der Nutzer sagt: Das will ich haben“, stellt er sogar die Qualität der heutigen SZ-Online-Inhalte in Frage. Doch er ist sicher: „Große Printredaktionen haben ein großes Potenzial, gute Texte auch online zu produzieren.“
Da rennt er bei Alexander von Streit offene Türen ein. „Ich liebe beide Welten – Print und Digital. Die Trennung gibt es nicht“, sagt der Gründer von „Krautreporter“ überzeugt. Und er zeigt auf Frankreich, wo frühere „Top- Zeitungsjournalisten mit einem kostenpflichtigem Onlineportal die Wächterfunktion des Journalismus übernehmen“.
Die Krautreporter, deren Start 17.000 Spender via Crowd Funding ermöglichten, sind seit Kurzem am Netz. Mit Qualitätsjournalismus, der von den Mitgliedern der „Community“ bezahlt wird. „Wir müssen viele Mitglieder begeistern können, um übers erste Jahr weiterzumachen zu können“, nennt von Streit als Aufgabe für Autoren und Redaktion.
Dabei sieht er „Journalismus als gesellschaftliche Aufgabe“. Die momentane GmbH soll deshalb bald in eine Genossenschaft überführt werden, damit „wir eine Community aus Journalisten und Lesern werden, ein Ort, an dem wir gemeinsam ein Medium machen“. Im Ausland gebe es solche Modelle schon vielfach, in Deutschland dagegen kaum.
Von Streit bringt auch den ge-sellschaftlichen Wandel ins Spiel: „Verlags-Journalisten arbeiten nach einer alten Denke, die der Aktualität nicht mehr angemessen ist.“ Verlage wie Gruner und Jahr oder Spiegel brächten den Übergang nicht hin. „Wofür brauchen wir überhaupt noch klassische Verlage?“, fragt er und fordert von den Mutigen unter seinen Journalisten-Kollegen als „Konsequenz: Raus aus den Verlagen“. Dort sind aber heute bereits genug Freiberufler, von denen ebenfalls viele neue Geschäftsmodelle suchen.
Doch genau das fordert auch Ex-Kultusminister Siegfried Schneider, jetzt Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien: „Sie müssen den Digitalen Wandel mitgestalten wollen. Abwarten ist der falsche Weg.“ (Heinz Wraneschitz)

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