Wirtschaft

Der Punkt Betriebsnachfolgen ist für das Handwerk ein zentrales Thema. (Foto: Bilderbox)

22.02.2024

Harsche Kritik an der überbordenden Bürokratie

Im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse findet zum zweiten Mal der Kongress „Zukunft Handwerk“ statt

Der Kongress „Zukunft Handwerk“ findet vom 28. Februar bis 1. März im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse in München statt. Im Vorfeld des Kongresses erklärte Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT), dass es technologische Entwicklungen sind, „die unser Leben verändern. Und es sind die politischen und ökonomischen Prozesse, die unser Land gerade durchlebt. All diese Themen werden wir als Handwerksorganisation mit unseren Partnerverbänden auch beim traditionellen Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft mit Bundeskanzler Olaf Scholz erörtern.“

Die schwachen Impulse für Konsum und Investitionen drü-cken in Kombination mit den hohen Zinsen und der sich abkühlenden Baukonjunktur auf die Geschäftslage im bayerischen Handwerk, bedauerte Peteranderl. Zuletzt hätten 36 Prozent der Hand-werksunternehmen im Freistaat die eigene Geschäftslage als gut bezeichnet. Weitere 44 Prozent sprachen von einer befriedigenden Situation. Gleichzeitig spürten 42 Prozent der Betriebe eine schwächere Nachfrage, so der BHT-Präsident. Das Sorgenkind sei nicht der Bau als Ganzes, sondern vor allem der Wohnungsbau. Ein Abschwung im Baubereich hinterlasse mit Verzögerung aber auch Spuren im Ausbauhandwerk. Etwas besser schätzen das Kfz-Handwerk, die Lebensmittelhandwerke und die verbrauchernahen Dienstleister ihre aktuelle Situation ein, erklärte Peteranderl.

In Richtung Politik sagte der BHT-Präsident: „Wenn unser Bundeskanzler am Messefreitag nach München kommt, werden wir nicht um den heißen Brei herumreden. Wir werden ihm deutlich sagen, dass die Ampel ihren Politikfokus voll auf die Wirtschaft richten muss.

Besonders wichtig sind Peteranderl vor allem, dass das von der Bundesregierung im vergangenen Jahr vorgelegte 14-Punkte-Programm zur Stärkung der Baukonjunktur endlich umgesetzt werden muss. Weiter brauche es verlässliche Rahmenbedingungen und eine umfassende Verbesserung der Standortbedingungen. Dazu gehöre auch eine sichere, nachhaltige Energieversorgung zu dauerhaft wettbewerbsfähigen Preisen. Auch eine Ertüchtigung der Infrastruktur, wie der Ausbau der Stromnetze, sei dringend erforderlich.

In der Steuerpolitik gibt es laut Peteranderl ebenfalls dringenden Reformbedarf. Erforderlich sei unter anderem eine Entlastung bei der Einkommensteuer. Der sogenannte Mittelstandsbauch müsse begradigt und der Solidaritätszuschlag komplett abgebaut werden. „Jede zusätzliche Besteuerung aus der Substanz ist für unsere Handwerksbetriebe in der derzeit angespannten Lage existenzgefährdend.“

Zur Standortstärkung zählt der BHT-Präsident auch den spürbaren Abbau von Bürokratie. Allein in Bayern werden laut Peteranderl in den kommenden fünf Jahren 22 000 Handwerksunternehmen eine neue Chefin oder einen neuen Chef benötigen. „Wenn es nicht gelingt, beispielsweise bei den vielen Dokumentations- und Nachweispflichten deutlich zu kürzen, werden sich künftig immer weniger Handwerkerinnen und Handwerker für die Selbstständigkeit entscheiden. Dann fehlen sie als Übernehmer eines bestehenden oder Gründer eines neuen Betriebs. Die Bundesregierung hat also viel zu tun. Das Handwerk formuliert es noch direkter: Es ist Zeit, zu machen.“

Die Stimmung im Land ist sehr angespannt, erklärte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Das mache auch vor dem Handwerk nicht halt. Vielen Handwerkerinnen und Handwerkern fehle es zunehmend an Vertrauen und Zuversicht, dass Transformationsprozesse mit immer neuen Zielvorgaben wirklich machbar sind. Was deutlich mache: Die angespannte Stimmung im Land und der Reformstau am Wirtschaftsstandort hängen zusammen. „Um beide aufzulösen, gibt es nicht die eine, schnelle Antwort – aber das Handwerk bringt sich mit konkreten Vorschlägen ein, wie es gelingen kann. Denn schon seit jeher macht die Handwerksfamilie vor allem eins aus: die Fähigkeit, Probleme anzupacken und sie mit den eigenen Händen zu lösen.“

Eigentlich, so Schwannecke, sollte zum Allgemeingut politischer Akteure die Erkenntnis gehören, dass wirtschaftliche Stabilität kein Selbstläufer ist, und dass Betriebe und Unternehmen gute Standortrahmenbedingungen sowie ausreichend unternehmerischen Freiraum brauchen, um wirtschaftlich erfolgreich tätig sein zu können, um Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und erhalten zu können. „Doch wenn man sich im politischen Berlin umhört, ist diese Erkenntnis keineswegs selbstverständlich, werden Betriebe mit Steuern, mit Abgaben, aber auch mit Vorschriften belastet, als ob dies keine Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle hätte. Der eindeutige Befund für den Baustellenzustand am Standort Deutschland ist: Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig.“

Nötig sind Selbstständige, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen

Auch Schwannecke beklagte die überbordende Bürokratiebelastung, die hohe Steuer- und Abgabenlast, die fehlende Planungssicherheit, die hohen Energiekosten und nicht zuletzt den Fachkräftemangel. Daher gilt, so Schwannecke: „Wettbewerbsfähigkeit ist Zukunftsfähigkeit“.

Wie Peteranderl bezeichnete auch der ZDH-Generalsekretär den Punkt Betriebsnachfolgen als ein zentrales Thema. Einer der Hauptgründe, warum sich viele junge Meisterinnen und Meister nicht selbstständig machen wollen sei die „Angst vor Formularen“.

Bürokratieabbau ist für Schwannecke nicht nur eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, sondern besonders auch eine Zukunfts-Notwendigkeit. „Denn wir brauchen Selbstständige, die Ar-beits- und Ausbildungsplätze schaffen und erhalten, die die Steuern und Sozialabgaben erwirtschaften, die überhaupt erst die Grundlage für unsere sozialen Sicherungssysteme sind. Insgesamt braucht es wieder deutlich mehr Wertschätzung von Selbstständigkeit und Unternehmertum, statt der in Deutschland weit verbreiteten Misstrauenskultur genau denen gegenüber, die Verantwortung übernehmen.“

„Zukunft Handwerk“ fungiert nach den Worten von Dieter Dohr, Vorsitzender der Geschäftsführung der GHM Gesellschaft für Handwerksmessen mbH, als Wegweiser für Innovation, Vernetzung und kontinuierliche Weiterbildung im Handwerk. Ziel sei es, gemeinsam die Zukunft des Handwerks zu gestalten, Herausforderungen anzugehen und Impulse für eine nachhaltige Entwicklung zu setzen. (Friedrich H. Hettler)
 

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