Wirtschaft

In den Niederen Tauern in der Steiermark gibt es auf 1900 Metern Höhe einen Windpark. Ob so ein Projekt auch in den bayerischen Alpen möglich wäre? (Foto: Schweinfurth)

02.02.2024

„Jede Region muss Infrastrukturlasten tragen"

Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, über Energiewende und Windkraftanlagen in den bayerischen Alpen

Auf dem Gemeindegebiet von Ehrwald in Tirol soll ein Windpark entstehen. Auf bayerischer Seite ist man von den Windkraftanlagen, die man vom Eibsee aus sehen würde, nicht begeistert. Aber gegen die Pläne aus Österreich kann man wohl nichts machen.

BSZ: Herr Fischer, was ist am Eibsee genau geplant?
Detlef Fischer: Im Gemeindegebiet von Ehrwald im Tiroler Zugspitzgebiet soll an der Landesgrenze zu Bayern ein Windpark errichtet werden. Dem Vernehmen nach soll man die Anlagen auch vom bayerischen Eibsee sehen können. Das ist natürlich für manche in dieser Bergidylle eine mittlere Katastrophe, quasi der programmierte wirtschaftliche Untergang der Heimat.

BSZ: Warum?
Fischer: (ironisch) Stellen Sie sich mal vor, Sie fahren mit Ihrem Porsche 911 am Wochenende von München nach Grainau zur Naherholung und wollen auf der Seeterrasse in aller Ruhe einen wohlverdienten Kir Royal schlürfen und dann das: Sie müssen sich Windräder anschauen, die sich vielleicht sogar auch noch drehen. Der totale Irrsinn, da werden Sie doch nie wieder hinfahren.

BSZ: Wie viele Windkraftanlagen sollen es werden?
Fischer: Derzeit sind elf Windräder geplant. Bislang gibt es in Tirol überhaupt keine großtechnischen Windkraftanlagen. Gemäß einer Studie des Landes Tirol sollen aber bis zu 5 Prozent des Gesamtenergiebedarfs, also nicht nur Strom, in Tirol mit Windenergie gedeckt werden können.

BSZ: Wer wird der Betreiber sein?
Fischer: Derzeit verfolgt das Unternehmen „ImWind“ aus St. Pölten in Niederösterreich das Windkraftprojekt. Es ist ein renommiertes Unternehmen, welches gemäß eigenem Internetauftritt zu den größten Stromerzeugern aus erneuerbaren Energien in Österreich zählt.

BSZ: Wie viel Strom sollen diese Anlagen erzeugen? Wie viele Haushalte beziehungsweise Betriebe kann man damit versorgen?
Fischer: An einem sehr guten Standort kann ein modernes richtig großes Monster-Windrad bis zu 15 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich erzeugen. Das wären dann bei 11 Windkraftanlagen etwa 165 Millionen Kilowattstunden. Das entspricht rein rechnerisch dem Stromverbrauch einer kleinen Stadt mit etwa 20 000 Einwohnern. In Ehrwald spricht man von bis zu 40 000 Privathaushalten, die mit dem Windpark versorgt werden könnten. Das stimmt so pauschal natürlich auch nicht, weil die Windkraft zu den volatilen Stromerzeugern gehört, und an vielen Stunden eines Jahres auch überhaupt keinen Strom erzeugt, weil kein Wind weht und dann andere Stromerzeuger einspringen müssen. Zur Energiewende wird schon auch viel gelogen.

BSZ: Formiert sich Widerstand?
Fischer: Die Aufregung ist natürlich bereits sehr groß. Stephan Märkl (CSU), der Bürgermeister von Grainau, wird damit zitiert, er hätte nichts dagegen, wenn Windräder neben einer Autobahn stehen, aber bei ihm wäre es ein massiver Eingriff in die Natur und damit ist er dagegen. Hoffentlich überlegt er sich das noch mal, dagegen ausrichten kann er sowieso nichts. Ich kann dieser Logik nichts abgewinnen, halte sie für gar nicht klug und auch für respektlos gegenüber der Bevölkerung, die an einer Autobahn wohnt. Er stellt damit seine Landschaft über die von anderen Regionen. Das würde dazu führen, dass, wer sich einmal nicht erfolgreich gegen ein Infrastrukturprojekt gewehrt hat, bekommt zum Dank dann alles vor die Haustür geknallt: Stromtrassen, Bahntrassen, Windkraftanlagen, PV-Parks, Logistiklager und so weiter. Jede Region – und ist sie vermeintlich noch so schön – muss Infrastrukturlasten tragen, so und nicht anders funktioniert der Zusammenhalt in einem Land. Mit dem berühmten St.-Florians-Prinzip kommen wir nicht ans Ziel.

BSZ: Warum funktioniert ein Windpark in Österreich in den Niederen Tauern und in den bayerischen Bergen nicht?
Fischer: Das gilt im Übrigen nicht nur für die Windkraft. Im österreichischen Bundesland Tirol schafft man es auch, neue Pumpspeicherkraftwerke in schönster Natur zu errichten. Im Grunde haben es Teile der Bevölkerung gerade im südlichen Oberbayern und leider auch deren Kommunalpolitiker offensichtlich noch nicht verstanden, was die Stunde geschlagen hat. Ich mache mir große Sorgen um das Voralpenland. Wie wollen die sich künftig mit Energie von „Dahoam“ versorgen?

BSZ: Ja, wie?
Fischer: Die Wasserkraft ist quasi ausgebaut, große PV-Freiflächenanlagen dürfen gemäß bayerischem Alpenplan nicht errichtet werden, Windkraftanlagen will man nicht. Bleibt noch das Potenzial aus Biomasse und Geothermie. Von großen Projekten dazu gibt es aber auch keine Spur. In knapp 16 Jahren muss gemäß bayerischem Klimaschutzgesetz ganz Bayern im Jahr 2040 klimaneutral sein. Öl, Erdgas und Kohle fallen dann als Energieträger komplett weg. So hat es die bayerische Staatsregierung nun mal verfügt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Regionen in Bayern, die ihre Hausaufgaben machen, die Bergbewohner, die Schneekanonen und die Elektro-Porsche so einfach mal mitversorgen werden.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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