Wirtschaft

Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern. (Foto: Handwerkskammer)

03.03.2020

Keine Verkehrswende zu Lasten der Wirtschaft

Franz Xaver Peteranderl: München braucht ein ausgewogenes Verkehrskonzept

München braucht Handwerker und Händler in einer lebendigen Innenstadt. Doch eine Verkehrswende zu Lasten des Wirtschaftsverkehrs nimmt den Unternehmen die Luft zum Atmen. Wenn Parkplätze zum Be- und Entladen verschwinden, wenn wichtige Zufahrtswege in die Innenstadt verengt oder versperrt werden, setzt das die Existenz vieler Mittelständler und damit die Lebensfähigkeit der Stadt aufs Spiel. Deshalb benötigt München ein Verkehrskonzept, das ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Individual- und Wirtschaftsverkehr schafft.

Aus diesem Grund hat sich die Handwerkskammer für München und Oberbayern Gedanken gemacht, wie Verkehrspolitik in der Landeshauptstadt aussehen sollte und daher ein eigenes Konzept unter der Überschrift „Rote und Blaue Routen – München braucht ein ausgewogenes Verkehrskonzept“ entwickelt. Mit ins Bott geholt hat sich die Kandwerkskammer den Handelsverband Bayern, dessen Miglieder von den kursierenden Plänen ebenfalls betroffen sind.

Eines stellte Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl jedoch ganz klar: „Das Konzept der Handwerkskammer folgt unserer Aufgabe als Interessenvertretung und hat das Handwerk im Blick. Wir betreiben damit keine Parteipolitik.“

Die Erreichbarkeit Münchens ist für die Handwerksbetriebe und deren Mitarbeiter, die außerhalb wohnen und – oftmals noch zu nachtschlafender Zeit – zum Arbeiten in die Stadt müssen, existenziell wichtig, erklärte Peteranderl vor der Presse in München. Das gelte nicht nur für die fast 20 500 Betriebe, die ihren Sitz in München haben, sondern auch für jene Handwerksunternehmen, die aus anderen Teilen Oberbayerns in die Stadt einfahren.

Flächen anders verteilen

Unter einer Einschränkung des Individualverkehrs, die vielfach diskutiert und in Teilen auch schon geplant und umgesetzt wird, hätten all diese Betriebe und mit ihnen der gesamte Wirtschaftsverkehr zu leiden. Um die Lebens- und Leistungsfähigkeit der Stadt auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen nach den Worten des Kammerpräsidenten die vorhandenen Flächen anders verteilt und besser genutzt werden. Aus diesem Grund schlägt die Handwerkskammer für München und Oberbayern vor, die sogenannten Roten Routen wiederzubeleben. Diese seien Anfang der 2000er-Jahre im Rahmen von MOBINET, eines bundesweiten Forschungs- und Innovationsprojekts für Mobilität in Ballungsräumen, bereits identifiziert worden.

Bei den Roten Routen geht es laut Peteranderl darum, den Fahrzeugverkehr auf leistungsfähigen Straßen zu bündeln und ihn so weit wie möglich von Nebenstraßen und aus Wohngebieten fern zu halten. Voraussetzung sei allerdings, dass der Autoverkehr auf diesen Hauptverkehrsstraßen so ungestört wie möglich fließen kann. So dürfe es zum Beispiel keine Fahrbahnverengungen oder Radwege zulasten der Fahrspuren geben. Eine kluge Ampelschaltung müsse dabei helfen, die Stauzeiten zu verkürzen.

Zu Roten Routen müssen nach Ansicht Peteranderls beispielsweise die Dachauer Straße, die Lindwurmstraße, die Leopold- und Ludwigstraße, die Nymphenburger Straße sowie die Rosenheimer Straße erklärt werden. Dabei handelt es sich im Regelfall um die Hauptverkehrsstraßen, die in und durch die Stadt führen. Es seien aber lediglich beispielhafte Vorschläge, die nicht auf Verkehrsbelastungszahlen beruhen, betonte der Kammerpräsident. Daher müsste bei jeder Straße noch einmal hinterfragt werden, ob die Belastung eine Ausweisung als Rote Route rechtfertigt.

Das Konzept der Handwerkskammer berücksichtigt aber auch den Wunsch von Teilen der Bevölkerung, verstärkt mit dem Fahrrad im Stadtgebiet mobil zu sein. Die Strecken für den Fahrradverkehrwurden in dem Plan als sogenannte Blaue Routen markiert und sind von den Hauptverkehrsachsen für Autos soweit möglich getrennt. „Unsere Radwege verlaufen vielfach durch Wohngebiete. Wenn es uns gelingt, Auto- und Fahrradverkehr soweit wie möglich zu separieren, würde das auch zu einer Verkehrsberuhigung in vielen Wohngebieten führen. Ziel ist, die Radwege möglichst kurz zu halten und Umwege zu vermeiden“, so Peteranderl.

Parkausweise verteuern

Mit diesem Verkehrskonzept will die Kammer verhindern, dass München innerhalb des Mittleren Rings nur noch einspurig wird – wie es verschiedene Pläne vorsehen. Ebenso soll vermieden werden, dass Anfahrtskosten aufgrund der Verkehrssituation explodieren und sich Handwerkerleistungen dadurch unnötig verteuern. „Das wäre auch unseren Kunden kaum vermittelbar.“

Laut Peteranderl müssen die vorhandenen Flächen besser genutzt werden. Da das Münchener Stadtgebiet begrenzt ist, der Verkehr aber weiterhin fließen soll, müssen die Flächen dafür woanders hergeholt werden. „Wir schlagen daher vor, das Parken im öffentlichen Raum deutlich zu verteuern. Auch wenn diskutiert wurde, die Gebühren für einen Parkausweis deutlich auf 200 Euro pro Jahr zu erhöhen, wäre das aus unserer Sicht immer noch zu wenig gewesen. Vielmehr sollten sich die Kosten an marktüblichen Preisen orientieren und von der Innenstadt in die Außenbezirke gestaffelt verlaufen.“ Ebenso müsse besser kontrolliert werden, dass Anwohner, die über einen privaten Parkplatz verfügen, nicht auch noch einen Parkausweis erhalten, mit dem sie nahezu kostenfrei im öffentlichen Raum parken dürfen. „Indem man die Zahl der Anwohnerparkplätze reduziert und gleichzeitig die Zahl der privaten Parkausweise herunterfährt, erhält man ein Instrument, um die Zahl der im öffentlichen Raum parkenden Fahrzeuge zu reduzieren“, erklärte der Kammerpräsident.

An einem Beispiel machte Peter-anderl das deutlich: „Bewohner der Münchner Innenstadt, die im Regelfall sehr viel Geld für ihre Miete aufbringen können, dürfen gleichzeitig ihre Fahrzeuge zu einem äußerst geringen Preis im öffentlichen Raum abstellen, während Bewohner von Vierteln, die ab den 1950er-Jahren errichtet wurden, im Regelfall eine Garage oder einen Stellplatz anmieten müssen. Es wäre daher gerechter, wenn auch die Innenstadt-Bewohner private Stellflächen, zum Beispiel in Parkhäusern, bezahlen müssten.“

Die freiwerdenden Flächen könnten so für Radwege, kurzzeitig parkenden Lieferverkehr, Handwerkerfahrzeuge und Mobilitätseingeschränkte ausgewiesen werden. Darüber hinaus sollte mittelfristig angestrebt werden, dass nur noch Privatpersonen, die einen Parkplatz nachweisen können – sei es ein privater oder ein in einer Parkgarage fest gebuchter – in die Innenstadt einfahren können. Mit einer derartigen Maßnahme könnten Parksuchverkehre nahezu vollständig vermieden werden, sagte Peteranderl.

Der am 15. März neu zu wählende Stadtrat müsse einerseits den Verkehrsinfarkt in der Stadt verhindern, andererseits aber dafür sorgen, dass Menschen und Gewerbetreibende aus München und von außerhalb, die die Stadt erreichen oder durchqueren müssen, nicht davon abgehalten werden. „Das ist wahrlich eine Mammutaufgabe.“

Zu einer Verkehrswende in der Landeshauptstadt gehört für Peteranderl aber zuallererst natürlich, dass die öffentlichen Verkehrsmittel weiter ausgebaut und die Anreize für den Umstieg auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erhöht werden. Grundvoraussetzung hierfür ist für ihn ein stabiles ÖPNV-Gesamtsystem, das zusätzliche Fahrgäste aufnehmen kann. Dies stehe momentan in der Landeshauptstadt und dem Umland nicht zur Verfügung. Folglich müssten die Taktzeiten verkürzt, die Kapazitäten massiv erhöht und die Stabilität des Gesamtsystems wiederhergestellt werden, um dann in einem weiteren Schritt durch Fahrpreisermäßigungen und den weiteren Ausbau der Park & Ride-Anlagen Anreize für den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu schaffen.

Gegen City-Maut

Eine klare Absage erteilte der Kammerpräsident einer immer wieder diskutierten City-Maut. Diese wirke nur, so Peteranderl, wenn das Mobilitätsverhalten änderbar ist. Das sei aber im Handwerk nicht ohne Weiteres möglich. „Unsere Betriebe müssen liefern und leisten, wenn es die Kunden wünschen und nicht, wenn es die Verkehrsplaner wollen. Deshalb lehnen wir auch eine Belieferung in der Nacht für das Handwerk kategorisch ab.“ Eine City-Maut würde die Handwerkerleistungen nur weiter verteuern und die Nahversorgung einschränken. Gleichzeitig machte Peteranderl aber auch klar, dass das Konzept der Handwerkskammer nicht in Stein gemeißelt, sondern lediglich eine Diskussionsgrundlage ist. „Aber ein Anfang ist gemacht. Nun sind Politik und Verwaltung am Zug.“

Ernst Läuger, Präsident des Handelsverbands Bayern (HBE), stieß ins gleiche Horn und vertritt die selbe Denke wie die Handwerkskammer. Auch er sieht Probleme auf die gesamte Münchner Wirtschaft zukommen und damit in Gefahr. Wie Peteranderl fordert auch Läuger einen verbesserten ÖPNV sowie eine Neukonzeption der öffentlichen Räume. Das größte Petitum der beiden Präsidenten ist jedoch, dass die Verbände in die Diskussion einbezogen werden und nicht nur als Zuschauer fungieren. (Friedrich H. Hettler)

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