Wirtschaft

Links herrscht laut Politik ein hohes Infektionsrisiko – also besteht FFP2-Maskenpflicht. Rechts dagegen besteht nur ein geringes Infektionsrisiko - also braucht es keine Masken. (Fotos: dpa/H. Ossinger, A. Gebert)

23.09.2022

Lebensgefährlicher ICE – harmloses Bierzelt

Die Argumentation der Politik dafür, wo Masken getragen werden müssen und wo nicht, ist ein Paradebeispiel an Absurdität

Ab Samstag, 1. Oktober 2022, gilt im deutschen Bahnfernverkehr wieder die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske – eine von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erzwungene Regelung. Verboten sind dagegen OP-Masken – also Masken, die für Ärzt*innen sogar dann noch als ausreichend erachtet werden, wenn sie einen Schwerkranken am offenen Herzen operieren. Aber eben laut der Diktion des Ministers keinen Schutz bieten vor der Ansteckung mit einem Virus.

Nun mag man als medizinischer Laie vorsichtig sein mit der Bewertung dessen, was sinnvoll ist und was nicht. Interessant aber ist, dass sogar die Fachleute des dem Bundesgesundheitsminister zugeordneten Robert Koch-Instituts (RKI) das Tragen von FFP2-Masken für fragwürdig erachten. Auf der Internetseite des RKI kann man nachlesen, dass die vertretbare Tragedauer solcher FFP2-Masken nur maximal 75 Minuten beträgt. Im Anschluss daran sollte man die Maske dann mindestens für 30 Minuten absetzen. Wer aber länger im Zug sitzt – und von München nach Hamburg beispielsweise dauert es selbst ohne die DB-obligatorischen Verspätungen rund fünf Stunden – kann sich nicht an solche Vorgaben halten.

Aus diesem Grund empfehlen Fachleute sogar, wegen des erhöhten Atemwiderstands eine Vorsorgeuntersuchung zu machen, um zu bewerten, ob die jeweilige Person überhaupt in der Lage ist, die FFP2-Maske über einen längeren Zeitraum zu tragen. Außerdem wird bemängelt, das es noch keine Untersuchungen zum langfristigen Tragen von FFP2-Masken gibt. All diese Sorgen gäbe es mit OP-Masken übrigens nicht.

Was das Robert-Koch-Institut sagt, ist Bundesgesundheitsminister Lauterbach wurscht

Bundesminister Lauterbach tangiert das jedoch kaum. Das kann womöglich auch damit zusammenhängen, dass an seinen apokalyptischen Warnungen vor Corona – mit denen er freilich innerhalb seiner EU-Ressortkolleg*innen inzwischen allein auf weiter Flur steht – seine gesamte politische Existenz hängt. Den Personalmangel in den Kliniken und die schlechte Bezahlung des Pflegepersonals; der Rückgang bei den hausärztlichen Praxen; die explodierenden Kassenbeiträge; Versorgungsengpässe bei zahlreichen Medikamenten: Nicht ein einziges dieser Probleme ist der sozialdemokratische Bundesminister in seiner nun auch fast ein Jahr dauernden Amtszeit angegangen.

Lauterbach agiert als Corona-Kassandra – und sonst als nichts. Deshalb muss er in diesem Feld so angsteinflößend wie nur möglich wirken. Würde er tatsächlich dem Beispiel seiner EU-Kollegenschaft folgen und Corona als das bewerten, was es nun aufgrund der Viren-Mutationen ist (eine heftige Grippe) – dann schrumpfte seine Bedeutung wie jene des Scheinriesen aus Michael Endes Kinderbuch Jim Knopf.

Lauterbach kann aber auch deshalb so surreal agieren, weil er sich zum einen der Unterstützung der Blockwartmentalität zahlreicher Deutscher sicher weiß: Zum Beispiel jener Menschen, die in Zügen mit Argusaugen darauf schauen, dass sich nur ja keiner der Mitreisenden erdreistet, die FFP2-Maske hinter dem Buch oder der Zeitung auch nur minimal zu verschieben. Wie die Furien rennen diese Leute dann zum Schaffner und geifern und keifen, man möge diesen sogenannten Maskenverweigernden sofort aus dem Zug werfen. Ein entspanntes Verhalten wie etwa in Großbritannien – jeder kümmert sich gefälligst nur um seine eigenen Angelegenheiten – ist den obrigkeitshörigen Deutschen fremd.

Teure FFP2-Modell müssen an den Mann und die Frau gebracht werden

Darüber hinaus hilft dem Bundesminister auch die absurde Bewertung von Risiken einer Infektion. Im ICE – klimatisiert, man sitzt auf Abstand und ohne Körperkontakt – stuft sie die Politik weitaus höher ein als in den brechend vollen Zelten der Volksfeste, wo sich wildfremde Feiernde mitunter spätestens nach der dritten Maß Bier in den Armen liegen. Egal ob zuletzt nach dem Gäubodenfest in Straubing, dem Gillamoos in Abensberg oder dem Barthelmarkt in Oberstimm: Überall gingen im Anschluss die Inzidenzen rasant nach oben.

Das aber ficht die Politik kaum an. Und schließlich müssen ja auch noch all die Millionen teuren FFP2-Masken an den Mann beziehungsweise die Frau gebracht werden. Nicht alle Lobbyist*innen stellen sich bei ihren Raffke-Aktionen schließlich so unbedarft an wie die CSU-Koryphäen Georg Nüßlein, Alfred Sauter und Andrea Tandler und lassen sich erwischen.

Angst vor dem Unmut der Feierwütigen

Und all die genannten Volksfeste sind Zwergerl im Vergleich zum Oktoberfest, werden weitgehend von einer regionalen Klientel besucht. Auf dem größten Volksfest der Welt, der Wiesn, treffen dagegen Millionen Tragende von Viren-Mutationen aus Australien mit jenen aus Fernost zusammen; da busselt (oder mehr) der Italiener die Britin und der Argentinier die Osteuropäerin. Leute, die wirklich was von Epidemiologie verstehen, befinden: Ein besseres Betätigungsfeld kann ein Virus gar nicht vorfinden; kein Labor kann so was in die Wege leiten.

Doch bei aller gegenseitigen herzlichen Abneigung, in der sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verbunden sind: Vor dem drohenden Unmut der Feierwütigen und ihren Fürsprechenden über eine erneut ausfallende Wiesn haben sie beide mehr Angst als vor den Zugreisenden – die auf die ganz sicher nicht vergnügungssteuerpflichtigen ICE-Fahrten meist nicht verzichten können. Aktionismus triumphiert über Logik. (André Paul)

 

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