Wirtschaft

Unternehmenschef Paul Heinz Bruder präsentiert in einem firmeneigenen Showroom die Produktpalette. (Foto: Schweinfurth)

06.08.2021

Mini-Krane und Mini-Müllautos boomen

Spielwarenhersteller aus Fürth kommt erstaunlich gut durch die Corona-Pandemie – übt aber Kritik an der deutschen Politik

Vielen Unternehmen im Freistaat haben die Corona-Pandemie und die Lockdowns stark zugesetzt. Aber es gab auch Krisengewinner, nicht nur im Digitalbereich, sondern auch im Lebensmittel- und Versandhandel. Doch so eine rosige Entwicklung zeichnete sich im ersten Lockdown 2020 für Bruder Spielwaren aus Fürth nicht ab. Zu Ostern hatte das Unternehmen sogar zwei Wochen ungeplante Betriebsferien. Aber Ende Juni stieg die Verkaufsrate wieder steil an. „Viele, die nicht in den Urlaub fahren konnten, steckten ihr Geld offenbar auch in Spielwaren. Kinder sind halt immer wichtig“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Paul Heinz Bruder.

Das im Fürther Ortsteil Burgfarrnbach ansässige Unternehmen konnte im Jahr 2020 seinen Umsatz von zuvor gut 79 auf 85 Millionen Euro steigern. „Der Online-Kauf hat es den Menschen einfach gemacht. Die Kinder waren vorwiegend zu Hause und wir waren lieferfähig“, erklärt Bruder. Die rund 250 Artikel, die das Unternehmen ständig parat hat, sind vor allem bei Drei- bis Siebenjährigen sehr gefragt. Dieser Aufschwung erfreut auch die Beschäftigten. Denn das Unternehmen beschäftigt in Fürth rund 500 Mitarbeitende. Hinzu kommen noch etwas über 100 im Zweigwerk in Tschechiens zweitgrößter Stadt Pilsen – insgesamt also über 600. „In der Saison, also zum Weihnachtsgeschäft, beschäftigen wir noch bis zu 90 Leiharbeitskräfte“, so Bruder.

Deutsche Politik glaubt, alles besser zu wissen

Die Fahrzeugmodelle im Maßstab 1:16 aus den Bereichen Bau, Freizeit, Kommunal, Landwirtschaft und Rettungswesen sind in über 60 Ländern gefragt. Darum liegt der Auslandsanteil des Umsatzes bei knapp 70 Prozent. „25 Prozent davon werden in Australien, Korea und den USA realisiert, der Rest im europäischen Markt“, erklärt der Firmenchef.

Für dieses Jahr ist der Unternehmenslenker auch optimistisch. Obwohl die Spielwarenmesse ausfiel und Bruder mit eigenen Online-Veranstaltungen zu den Großhändlern Kontakt hielt, sei das persönliche Gespräch auf so einer Messe nie ersetzbar. „In Videokonferenzen, die wir jetzt alle können, kann man nie so genau die Mimik seines Gegenübers erkennen“, gibt Bruder zu bedenken.
Bedenklich stimmt ihn auch die derzeitige politische Entwicklung Deutschlands. „Das Land geht einen sehr eigenbrötlerischen Weg. Wir glauben, alles besser zu wissen – und das mit Inbrunst“, moniert Bruder. So sei mit dem Atom- und Kohleausstieg in der Energiepolitik ein Weg beschritten worden, der nicht mit den europäischen Nachbarn abgestimmt war. „Beim E-Auto wissen wir nicht, ob genügend CO2-freier Strom zur Verfügung stehen wird. Somit ist der Umwelteffekt gleich null. Und die Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee sind immer noch nicht an Stromautobahnen nach Süddeutschland angeschlossen, weil niemand diese Leitungen vor seiner Haustür haben will“, so Bruder. Das alles sei ein enormer Schaden für das Land und führe zu einem international immer weniger wettbewerbsfähigen Standort. Diese Übermoral, mit der agiert werde, münde in eine Planwirtschaft. Dann sei jeder einzelne von der Fürsorge des Staates abhängig, wie es Paul Heinz Bruder etwas überspitzt ausdrückt.

Als Ausländer wird man in China benachteiligt

Kritikwürdig sei aber nicht nur die deutsche Politik. Auch China beschreite einen Weg, den Bruder bewusst nicht unterstützen will und darum auch dorthin nicht exportiert. „China grenzt sich ab. Als Ausländer wird man benachteiligt. Das zeigt sich am deutlichsten am China Compulsory Certificate, das man als ausländisches Unternehmen alle zwei Jahre erneuern muss, um in den chinesischen Markt liefern zu dürfen“, so Bruder. Chinesische Inspektoren würden dann in das Werk nach Burgfarrnbach kommen und alles genau unter die Lupe nehmen. „Nach welchen Kriterien das Zertifikat vergeben wird, ist aber unklar. China hat das bei der Welthandelsorganisation durchgesetzt und der Westen hat geschlafen“, kritisiert Bruder. Die Abhängigkeit zeigt sich auch durch den sehr starken Lieferengpass von Halbleitern und anderer Schlüsselkomponenten aus dem fernöstlichen Land.

Es ist auch schade, dass sich die russische Politik immer weiter von der der EU entfernt. Wir haben in Russland viele Fans und Bruder-Artikel seien dort sehr gefragt. Doch aufgrund der politischen Diskrepanz und der Wirtschaftssanktionen sei der Wechselkurs des Rubel so schlecht, dass die Importartikel sehr teuer seien. „Deshalb ist unser Exportvolumen nach Russland um die Hälfte eingebrochen“, so Bruder. Sollte sich die Situation bessern, kann er sich durchaus vorstellen, für den russischen Markt nicht nur die deutschen Lkw-Modelle der Marken MAN und Mercedes zu produzieren, sondern auch die russischen Marken Kamaz oder Ural ins Programm mit aufzunehmen.

Schwierig sei auch der südamerikanische Markt. Denn 25 Prozent Importzoll auf die Waren würden diese für die dortigen Konsumenten unerschwinglich machen. „So lange es politische Streitigkeiten in der Landwirtschaft gibt, was Südamerika angeht, so lange werden diese Zölle voraussichtlich nicht fallen“, prognostiziert Bruder. Darum könne sein Unternehmen dort wohl auch nicht punkten.
Abschließend hofft Paul Heinz Bruder nur, dass die Politik bei der jetzt anstehenden vierten Welle der Corona-Infektionen nicht wieder die gleichen Fehler macht wie vergangenes Jahr und rechtzeitig mit ausgeglichenen Maßnahmen und ursachengerecht agiert: „Eine ganze Region in Sippenhaft zu nehmen, nur weil in einer Unterkunft Corona ausgebrochen ist und damit die Fallzahlen in einer Stadt oder einem Landkreis nach oben schießen, ist der falsche Weg.“ Sollte diese Praxis beibehalten werden, dürfte es wohl auch hierzulande zu Protesten kommen wie das in Frankreich vor Corona der Fall war, als Präsident Emmanuel Macron seine Arbeitsmarktreformen durchboxen wollte.
(Ralph Schweinfurth)

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