Wirtschaft

2023 war ein schwieriges Jahr für Bayerns Bierbrauer. (Foto: Bayerischer Brauerbund)

08.02.2024

Mit dem Rücken zur Wand

Brauerbund: Unternehmen stehen zwischen Absatzrückgang und extremen Kostensteigerungen

Die bayerische Brauwirtschaft blickt auf eines der schlechtesten Jahre ihrer jüngeren Geschichte zurück. Mit klaren Worten fasste der Bayerische Brauerbund die Lage der heimischen Brauwirtschaft für das Jahr 2023 zusammen und gab für diese unbefriedigende Entwicklung der bayerischen Traditionsbranche zugleich der Politik ein stückweit Mitschuld.

„Wenn wir nur die letzten Jahre betrachten, dann beobachten wir in der Tat ein kurzfristiges Auf und Ab der Absatzentwicklung unserer Branche: Im Zuge der Corona-Krise ging der Absatz der bayerischen Brauereien 2020 in die Knie. In 2021 und vor allem 2022 gab es dann einen Auf- oder Nachholeffekt, es ging wieder aufwärts mit dem Bierabsatz. Und in 2023 ging es halt wieder runter, und zwar deutlich Das letzte Jahr hat wehgetan“, betonte Brauerpräsident Georg Schneider im Rahmen der Jahrespressekonferenz der bayerischen Brauwirtschaft. 

Die Umwälzungen, die das heimische Braugewerbe erlebt und die sich in den Absatzzahlen ja nicht nur des zurückliegenden Jahres, sondern der letzten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, niederschlagen, gehen laut Schneider über eine bloß vorübergehende „Durststrecke“ hinaus.

„Nun werden die Auswirkungen der Krisenjahre deutlich sichtbar“, erklärte der Brauerpräsident. Hatte die Brauwirtschaft im ersten Nach-Corona-Jahr noch von einer in den Pandemiejahren angestauten Sehnsucht nach Festen, Feiern und Geselligkeit profitiert, spüren die Brauereien nun den harten Gegenwind eines schwierigen Marktes. Sie sehen sich, so Schneider, konfrontiert mit verändertem Konsumverhalten, einer weiter zunehmenden Konzentration des Handels und schwierigeren politischen Rahmenbedingungen.

Besonders schmerzt Bayerns Brauer der weiter deutlich rückläufige Inlandsabsatz: In Summe verliert die bayerische Brauwirtschaft im abgelaufenen Jahr 570 000 Hektoliter oder 3,14 Prozent ihres Vorjahresabsatzes im heimischen Markt, erklärte Hauptgeschäftsführer Lothar Ebbertz. Dieser Umsatnd erschwere auch die Durchsetzung dringend erforderlicher Preisanpassungen. So konnten die extrem gestiegenen Produktions-, Material- und Logistikkosten nur ansatzweise durch Bierpreiserhöhungen aufgefangen werden. Viele Unternehmen stünden deshalb zwischen Absatzrückgang und extremen Kostensteigerungen mit dem Rücken zur Wand.

Brauerpräsident Georg Schneider geht angesichts dieser Zahlen nicht davon aus, dass die Brauwirtschaft den Turnaround schafft, dass die Kurve des Inlandsabsatzes wieder irgendwann nachhaltig nach oben zeigt. Der Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre gebe wenig Anlass zu Optimismus, denn „wir erleben einen grundlegenden, allmählichen Wandel im Konsumverhalten“. Als Gründe nannte er unter anderem die Alterung der Bevölkerung und mit steigendem Alter nehme der Bierkonsum ab. Der Konsum von Bier in Fabriken und Baustellen ist für Schneider ebenfalls Geschichte und auch die Halbe zur Brotzeit ist längst nicht mehr eine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus habe sich das Freizeitverhalten völlig gewandelt – Stichwort: Fitnessstudio statt Stammtisch.

Die Brauwirtschaft müsse sich daher laut Schneider darauf einstellen, dass aufgrund des Zusammenwirkens einer bekannten demografischen Entwicklung einerseits und eines sich schleichend wandelnden Konsumverhaltens andererseits der Inlandsabsatz weiter abnehmen wird. 

Einen Ausweg aus dem schrumpfenden Inlandsmarkt bietet den Brauereien im Freistaat seit Jahren der Export, betonte der Brauerpräsident. Während eine negative Exportentwicklung die Brauereien außerhalb Bayerns belastet, ist sie in Bayern auf dem in den vergangenen Jahren erreichten hohen Niveau stabil geblieben. Jedes vierte in Bayern gebraute Bier fließt in Exportmärkte auf der ganzen Welt. Brauerpräsident Schneider wertet dies als außerordentliche Leistung der Branche und als Beleg für die hohe Wertschätzung, derer sich Bayerisches Bier weltweit erfreut.

Als zweiten kleinen Lichtblick am Bierhimmel bezeichnete Schneider das Wachstumssegment „alkoholfreies Bier“. Von der amtlichen Statistik nicht erfasst (alkoholfreies Bier ist nicht mit der Biersteuer belastet), kann der Zuwachs hier die Absatzrückgänge bei alkoholhaltigem Bier zumindest etwas abfedern. Der Absatz alkoholfreien Bieres konnte im zurückliegenden Jahr um zwei Prozent oder gut 42 000 Hektoliter (hl) auf insgesamt 2,153 Millionen Hektoliter zulegen.

Die zunehmende Beliebtheit der alkoholfreien Varianten des „bayerischen Volksgetränks“ lässt sich laut Schneider nicht nur auf das veränderte Konsumverhalten und eines neuen Lifestyle der „Generation Z“ zurückführen. Alkoholfreies Bier sei inzwischen bei den Biertrinkern aller Altersgruppen angekommen und längst nicht mehr nur eine „Notlösung“ in diversen Alltagssituationen. Alkoholfreie Biere sind als Alternative zum herkömmlichen, alkoholhaltigen Bier anerkannt. Auch, weil es den Herstellern gelungen ist, es als isotonischer Durstlöscher mit einem Zusatznutzen als kalorienarmes Getränk nach dem Sport, vor allem Ausdauersport aufzuladen und dem Bier insgesamt dadurch auch neue Verwendergruppen zuzuführen.

„Wenn ich in alkoholkritischen Kolumnen, die dem Deutschen pauschal ein problematisches Verhältnis zu alkoholhaltigen Getränken jeder Art andichten, lese, man müsse sich in Deutschland rechtfertigen, wenn man nur ein alkoholfreies Bier bestellt, dann weise ich das als Quatsch zurück. Alkoholfreies Bier genießt mittlerweile hohe Akzeptanz bei den Verbrauchern. Vielleicht ist es auch gerade deshalb der Wegbereiter für andere alkoholfreie Varianten eigentlich alkoholhaltiger Getränke wie Wein oder Sekt. Und ich behaupte: Auch geschmacklich sind wir Brauer hier Wegbereiter – mit deutlichem Abstand …“, erklärte Schneider.

Die Politik leistet
eine Art Sterbehilfe

Es gelinge den Braumeistern nicht nur, durch weit entwickelte, extrem schonende Entalkoholisierungsverfahren sehr nah an den Geschmack alkoholhaltiger Biere heranzukommen. Es kommen darüber hinaus auch neue Hefestämme zum Einsatz, die Alkohol im Bier in relevantem Umfang gar nicht erst entstehen lassen.

„Wir setzen auf die Möglichkeit der sogenannten Kalthopfung, bei der der Hopfen der Würze erst nach der Kochung zugesetzt wird und die leicht flüchtigen, fruchtigen Aromen des Hopfens im Bier verbleiben“, betont der Brauerpräsident. „So lässt sich das Fehlen des Aromaträgers Alkohol kaschieren und schaffen wir ein besonderes, alkoholfreies Bier-Genusserlebnis, an dem eben auch kleine Brauereien teilhaben können, die sich eine aufwendige Entalkoholisierung nicht leisten können.“

Wenn die bayerische Brauwirtschaft in den vergangenen Jahren extrem vom „Hell-Bier-Boom“ profitiert hat, zeichnet sich nun eine hieran anschließende alkoholfreie Hell-Bier-Welle ab.
Dennoch ist Brauerpräsident Schneider überzeugt: Gerade weil bayerisches Bier im Freistaat zum Lebensgefühl gehört, Bier Spaß macht und für bayerische Genusskultur und Lebensfreude steht, wird bayerisches Bier auch in seinen alkoholfreien Varianten einen festen Platz im Bierland Bayern einnehmen und neue Zielgruppen erobern.

Harsche Kritik äußerte Schneider an den Verantwortlichen in der Politik. Die Berliner Ampelkoalition leiste der Brauwirtschaft aktuell eine „Art Sterbehilfe“. Unter anderem schaue sie der Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel tatenlos zu. Hier werden nach Ansicht der Brauerpräsidenten irreversible Machtstrukturen geschaffen.

Ferner habe die Bundesregierung ihr Versprechen gebrochen, die abgesenkte Mehrwertsteuer auf den Verzehr von Speisen in der Gastronomie dauerhaft zu erhalten. Wer nicht mehr oder seltener ins Wirtshaus geht, weil ihm das Essen dort zu teuer geworden ist, der trinkt dort auch kein Bier mehr. Mit sinkender Brauereigröße steige aber der Grad der Abhängigkeit vom Absatzweg Gastronomie. Viele kleine Brauereien würden selbst ein Wirtshaus, vor allem in ländlichen Regionen, betreiben und setzen hier einen großen Teil ihres Bieres ab. „Wie so oft, so ist es auch hier: Hauptleidtragende politischer Fehlentscheidungen sind vor allem die kleinen und mittelständischen Brauereien.

Zusätzlich habe die Bundesregierung die Lkw-Maut deutlich angehoben und dehnt sie zur Jahresmitte auf Fahrzeuge ab 3, Tonnen technisch zulässige Gesamtmasse aus – alles unter dem Siegel des Umweltschutzes. Das bedeutet laut Schneider: Dieselben Politiker, die von uns ein Bekenntnis zum Mehrweggebinde erwarten, verteuern durch die Mautanhebung den Transport des Bieres in der schweren Mehrwegglasflasche deutlich, zumal wir das Leergut ja auch wieder zur Brauerei zurückführen müssen. Wer also sein Bier in der federleichten Aluminiumdose durchs Land fährt, das leere Gebinde auch nicht wieder zurückschaffen muss, hat einen wachsenden Wettbewerbsvorteil – und das ist politisch gewollt.

Bier macht für Schneider Spaß, ist Genusskultur und ein Stück Lebensfreude. Schneider brachte es auf einen Nenner: „Wer nicht genießne kann, wird ungenießbar.“ (Friedrich H. Hettler)
 

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