Das wirtschaftliche Umfeld für das bayerische Handwerk bleibt nach wie vor schwierig. Vor allem die tiefgreifende Krise im Wohnungsbau drückt auf Stimmung und Umsätze. In der Konjunkturumfrage der bayerischen Handwerkskammern für das 2. Quartal 2024 bewerteten 81 Prozent der befragten Betriebe ihre aktuelle Lage als gut oder befriedigend. Das sind 4 Punkte weniger als noch vor einem Jahr. Von der im Handwerk saisonal üblichen Frühjahrsbelebung war im Berichtszeitraum nur wenig zu spüren: 16 Prozent der Betriebe vermeldeten gegenüber dem Vorjahresquartal eine anziehende (minus 3 Punkte) und 30 Prozent eine sinkende Nachfrage (unverändert).
Das schwache Neubaugeschäft macht sich zunehmend auch im Ausbauhandwerk bemerkbar. Viele Betriebe aus den Bereichen Elektro, SHK oder Schreinerei haben aber noch die Möglichkeit, auf Sanierungen und Umbauten auszuweichen. Die Betriebsauslastung lag zwischen April und Juni bei immer noch respektablen 79 Prozent. Das sind 2 Punkte weniger als im Vorjahr.
Durch die schwächelnde Nachfrage nimmt auch der Auftragsbestand im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weiter ab. Ende Juni lag dieser im bayerischen Handwerk bei durchschnittlich 9,2 Wochen (minus 0,5 Wochen). „Auch wenn die vorhandenen Aufträge noch als Stabilitätsanker wirken, braucht es dringend ein Anziehen der Konjunktur und eine höhere Nachfrage“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT). In der Konjunkturumfrage der Handwerkskammern meldeten 38 Prozent der Befragten gestiegene Einkaufspreise, ein deutlicher Rückgang von 11 Punkten gegenüber dem Vorjahresquartal. Die schwache Nachfrage schränkt allerdings auch die Möglichkeit der Kostenweitergabe stark ein: Im 2. Quartal gelang dies nur 22 Prozent der Betriebe. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 8 Punkten. Trotz der schwierigen Lage legte die Investitionsneigung im Berichtszeitraum um 2 Punkte auf 40 Prozent zu, so Peteranderl.
Parallel zur wirtschaftlichen Lage bereitet auch die Umsatzentwicklung im Handwerk Sorgen. 26 Prozent der Befragten meldeten im Berichtszeitraum sinkende Umsätze. Binnen Jahresfrist ist das ein Zuwachs um 4 Punkte. Nach BHT-Schätzungen wurde im bayerischen Handwerk im 1. Halbjahr 2024 ein Umsatz von 68,4 Milliarden Euro erzielt. Binnen Jahresfrist ist dies ein Rückgang um 1 Prozent. Nach Abzug der Preissteigerung verbleibt laut Peteranderl ein reales Minus von etwa 4 Prozent.
Auch von der Beschäftigungsseite kommen keine positiven Signale. Nach BHT-Berechnungen waren im bayerischen Handwerk zur Jahresmitte rund 943 500 Menschen tätig. Dies entspricht einem Rückgang von rund 7500 Beschäftigten. Dagegen legte die Zahl der Handwerksbetriebe in den ersten sechs Monaten leicht um 0,5 Prozent auf 210 500 zu.
Die Aussichten für die kommenden Monate bleiben verhalten. Nur 9 Prozent der befragten Handwerksbetriebe rechnen in den kommenden Monaten mit einer verbesserten Geschäftslage. Für das Gesamtjahr wird mit einem leichten nominalen Umsatzwachstum von bis zu 2 Prozent gerechnet. Nach Abzug der Preissteigerung ist nach den Worten des BHT-Präsidenten aber maximal eine schwarze Null drin. Bei der Beschäftigung scheint für 2024 ein Minus von etwa 1 Prozent unvermeidlich. „Um die deutsche Wirtschaft und mit ihr die Handwerkskonjunktur anzukurbeln, muss die Politik kräftig an mehreren Stellschrauben drehen. So brauchen wir beispielsweise dringend eine Flexibilisierung der Arbeitszeit.“ In diesem Zusammenhang forderte Peteranderl eine wöchentliche Höchstarbeitszeit nach europäischem Vorbild. Eine der größten Baustellen bleibt für ihn die Steuerpolitik. Der angepeilte Abbau der Kalten Progression wird vom Handwerk zwar grundsätzlich positiv bewertet, bedeutet unterm Strich aber lediglich, dass es für Beschäftigte und Betriebe keine steuerlichen Mehrbelastungen gibt.
„Eine grundlegende Steuerreform, die Bürger und Unternehmen spürbar entlastet, bleibt dagegen Wunschdenken“, so der BHT-Präsident. Die Pläne zum Bürokratieabbau klingen für ihn mit dem jährlichen Bürokratieentlastungsgesetz, Erleichterungen beim Datenschutz und der Ausweitung von Praxis-Checks zunächst einmal vielversprechend. „Wenn man sich aber zum Beispiel die Verzögerungen beim Bürokratieentlastungsgesetz IV anschaut, löst sich der Optimismus schnell wieder in Luft auf. Natürlich brauchen unsere Betriebe deutlich weniger Bürokratie – aber umgehend und nicht erst mit monatelanger Verspätung.“
Wenn nicht endlich die Axt an den Bürokratiedschungel gelegt werde, so Peteranderl, wirke sich das auch negativ auf die Betriebsnachfolge im Handwerk aus: „In Bayern sprechen wir von rund 34 000 Unternehmen, die in den nächsten Jahren eine neue Chefin oder einen neuen Chef suchen. Gleichzeitig hören wir aus immer mehr Meistervorbereitungskursen, dass die überbordende Bürokratie vielen der angehenden Meisterinnen und Meistern die Selbstständigkeit verleidet.“
Die Belastung des Faktors Arbeit mit Sozialabgaben und Steuern bildet für Peteranderl ein besonders dickes Brett. „Wenn den Menschen mehr Netto vom Brutto bleibt, profitieren auch verstärkt unsere Betriebe, die hauptsächlich vom Binnenkonsum abhängig sind.“ Einzelne Gruppen steuerlich zu begünstigen, sei aus Handwerkssicht nicht ratsam. „Wir brauchen Entlastungen in der Breite. Das Steuerrecht sollte wettbewerbsfähiger, verständlicher und praxisorientierter gestaltet werden. Vereinfachte Regelungen und unterstützende Digitalisierungsmaßnahmen wären ein erster Schritt in die richtige Richtung.“
Ein Problem des Handwerks ist auch der Fachkräftemangel, erklärte Frank Hüpers, BHT-Hauptgeschäftsführer. Nur durch Ausbildung werde sich der Fachkräftebedarf in Bayerns Handwerksbetrieben allerdings nicht bewältigen lassen, so Hüpers. Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte sei daher aus Sicht des Handwerks unverzichtbar. Doch die Umsetzung lasse vielerorts noch zu wünschen übrig. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurden laut Hüpers zwar die richtigen Weichen gestellt, doch die Regelungen müssten auch schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. (Friedrich H. Hettler)
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