Wirtschaft

Franz Xaver Peteranderl fordert eine verlässliche Öffnungsstrategie und vor allem aber Planungssicherheit. (Foto: Handwerkskammer für München und Oberbayern, Michael Schuhmann)

28.04.2021

Peteranderl fordert Planungssicherheit

Handwerkskonjunktur mit verhaltenem Auftakt im laufenden Geschäftsjahr

Die Corona-Pandemie beeinflusst weiterhin den Konjunkturverlauf im Handwerk. „Es spricht einiges dafür, dass erst in der zweiten Jahreshälfte eine nachhaltige Erholung einsetzt“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT).

Mit der Bundes-Notbremse sieht Peteranderl ein neues Höchstmaß an Unübersichtlichkeit erreicht: „Anstatt Wege aus dem Dauer-Lockdown aufzuzeigen, wird das ohnehin schon verwirrende Geflecht aus Regelungen und Verordnungen nochmal erweitert.“ Kritisch sieht der Handwerkstag auch den Umstand, dass die Notbremse allein auf den Inzidenzwert ausgerichtet ist, anstatt beispielsweise den R-Wert oder die Situation auf den Intensivstationen mit zu berücksichtigen.

Für zusätzliche Verwirrung bei den Betrieben sorgt laut Peteranderl, dass die bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vielfach strengere Regeln vorsieht, als das Infektionsschutzgesetz des Bundes. „Aus meiner Sicht muss die Notbremse des Bundes auch zu bundesweit einheitlichen Regelungen führen. Wenn der Freistaat aber härter regelt als der Rest, droht den bayerischen Unternehmen ein Wettbewerbsnachteil.“ Das könne nicht im Sinn der bayerischen Politik sein. Recht müsse anwendbar bleiben. „Unsere Betriebe brauchen eine verlässliche Öffnungsstrategie und vor allem Planungssicherheit. Die zwei Schritte nach vorne-, einen Schritt zurück-Politik muss endlich ein Ende haben.“

Verworrene Rechtslage

In die gleiche Kerbe schlug auch Frank Hüpers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Auch er kritisierte die verworrene Rechtslage und den Wettbewerbsnachteil für bayerische Handwerksbetriebe. Daher sieht Hüpers dringenden Handlungsbedarf.

Dagegen begrüßt das bayerische Handwerk den Beschluss des Bundeskabinetts zum Bürokratieabbau, wo viele Vorschläge des Handwerks aufgegriffen wurden. „Das wird unsere Betriebe spürbar entlasten, etwa bei verbindlichen Auskünften bei Steuerfragen, für zeitnahe Betriebsprüfungen oder für die Vereinheitlichung der Umlagesätze der Kranken- und Mutterschutzumlagen“, so der BHT-Präsident. Die Vorschläge umsetzen muss die neue Bundesregierung. „Wir hoffen, dass dies zügig geschieht und erst der Auftakt für eine Reihe von Entlastungen sein wird, damit unsere Handwerksbetriebe nach der Corona-Krise durchstarten können.“

Zusätzliche Bürokratie, ungerechtfertigte Belastungen und eine weitere praxisferne Regelung für Unternehmen mit Sitz in Deutschland befürchten das bayerische Handwerk durch das sogenannte Lieferkettengesetz. „Auch wenn das Gesetz eigentlich auf größere Unternehmen abzielt“, so Peteranderl, „ist damit zu rechnen, dass diese ihre Verpflichtungen auf alle Betriebe in ihrer Zuliefererkette – und damit auch auf das Handwerk – abwälzen werden. Wir unterstützen grundsätzlich das Ziel, Sozial-, Arbeits- und Menschenrechtsstandards in der Lieferkette zu verbessern. Entsprechende gesetzliche Vorhaben müssen jedoch die tatsächliche Leistungsfähigkeit und die begrenzten Einflussmöglichkeiten der Betriebe berücksichtigen und dürfen keine unrealistischen Anforderungen an die Nachverfolgung entlang der Lieferkette stellen.“

Hohe gesetzliche Standards

Angesichts des Konjunktureinbruchs hat das bayerische Handwerk die Gesetzesinitiative ohnehin für verfehlt gehalten, zumal sowohl Deutschland als auch die Europäische Union bereits über ein hohes Schutzniveau an gesetzlichen Standards verfügen. „Da das Gesetz aber bereits auf dem Weg ist, fordern wir nun, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren Erleichterungen für kleine und mittlere Betriebe geschaffen werden. Dazu muss unter anderem eine gesetzliche Beschränkung der Verpflichtungen auf die erste Zulieferstufe sowie die Streichung der viel zu weitreichenden Regelungen zu den mittelbaren Zulieferern erfolgen, betont Peteranderl.

Im 1. Quartal 2021 gab es bei den bayerischen Betrieben keine Verbesserung der Einschätzung zur wirtschaftlichen Lage: 42 Prozent der Befragten bewerteten ihre aktuelle Lage als gut (-2 Punkte gegenüber dem Vorjahreszeitraum), 34 Prozent als befriedigend (-1 Punkt). Wie nahezu alle Durchschnittwerte der Umfrage wurde auch die Lageeinschätzung durch die überaus positive Situation in den Bau- und Ausbauhandwerken nach oben gezogen. Die durchschnittliche Auslastung stagnierte im 1. Quartal bei 75 Prozent. Im Berichtszeitraum hatten Bayerns Handwerkerinnen und Handwerker noch Aufträge für die nächsten 10,2 Wochen in ihren Büchern stehen. Das ist ein Plus von 1,0 Wochen. Auch hierbei handelt es sich um einen Durchschnittswert, der stark vom guten Baugeschäft geprägt wird.

Die Umsatzentwicklung im bayerischen Handwerk wurde im 1. Quartal von mehreren Sondereffekten beeinflusst: Zu Jahresbeginn 2020 gab es mindestens zwei Monate, die noch nicht von der Corona-Pandemie geprägt waren. Hinzu kam dieses Jahr ein schnee- und frostreicher Winter, der im Bau- und Ausbauhandwerk zu deutlich stärkeren Beeinträchtigungen auf den Baustellen geführt hat, als im Vorjahr. Ein weiterer Sondereffekt ist das Auslaufen der temporären Mehrwertsteuersenkung zum Jahresende 2020. Dadurch kam es im Baugewerbe und im Kfz-Handwerk zu starken Vorzieheffekten von Lieferungen und Leistungen, die sonst im 1. Quartal 2021 abgewickelt worden wären.

Nach ersten Schätzungen wurde im bayerischen Handwerk zwischen Januar und März ein Umsatzvolumen von rund 25 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das Vorjahresniveau wurde damit nominal um etwa fünf Prozent verfehlt. Inflationsbereinigt steht ein Minus von real 7,8 Prozent.

Mittlerweile macht sich die Corona-Pandemie auch bei den Beschäftigtenzahlen bemerkbar: Während es in den baunahen Gewerken in 2020 sogar noch einen leichten Beschäftigungsaufbau gab, mussten vor allem die Lebensmittelhandwerke und die verbrauchernahen Dienstleister zuletzt ihre Belegschaften verkleinern. Vorsichtig geschätzt waren Ende März rund 949 700 Menschen im bayerischen Handwerk tätig. Binnen Jahresfrist ist das ein Minus von 0,9 Prozent.

Der Anteil investierender Betriebe blieb im Berichtszeitraum unverändert bei 38 Prozent. Nach Schätzungen steckten Bayerns Handwerksbetriebe zwischen Januar und März etwa 720 Millionen Euro in neue Fahrzeuge, Maschinen und Gebäude. Gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahrs entspricht dies einem Plus von 6,7 Prozent. Weiterhin sind aber hohe Zuwächse nötig, um den schweren Investitionseinbruch aus 2020 wieder auszugleichen.

Die Zuversicht steigt

Obwohl die dritte Infektionswelle eine Normalisierung des Alltags weiter verzögert, steigt im bayerischen Handwerk die Zuversicht: Immerhin 20 Prozent der Befragten erwarten, dass sich ihre Geschäftslage in den nächsten Monaten verbessert (+ 8 Punkte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum), 65 Prozent erwarten gleichbleibende Geschäfte (+ 15 Punkte). Hinzu kommt eine kleine „Gründungswelle“ zu Jahresbeginn: Ende März lag die Zahl der Handwerksbetriebe im Freistaat bei 207 000 – ein Plus von 1,0 Prozent.

Wenn der Fortschritt bei den Impfungen anhält und ab der zweiten Jahreshälfte breitgefächerte Lockerungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben möglich werden, ist für das Gesamtjahr 2021 ein Umsatzwachstum von nominal 2,0 Prozent im bayerischen Handwerk möglich, erklärt Peteranderl. Die Zahl der Beschäftigten dürfte in etwa gleich bleiben das Investitionsvolumen um bis zu zehn Prozent steigen.

In diesem Zusammenhang beklagte der BHT-Präsident das große Defizit an Lehrstellenbewerbern, obwohl der Bedarf in den Betrieben groß sei. Die Jugendlichen sollten selbst aktiv werden und auf die Betriebe zugehen, denn es gibt laut Peteranderl genügend Lehrstellenplätze für das kommende Ausbildungsjahr.
(Friedrich H. Hettler)

 

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