Wirtschaft

Zur Supermarktkette Simmel gehören 20 Läden in den neuen Bundesländern sowie vier in Bayern. (Foto: Paul)

06.02.2024

Supermarkt-Chef gegen "Nazis": Erst hü, dann hott

Peter Simmel machte einen Rückzieher, nachdem ihm seine Kundschaft das Statement übel nahm

Er wollte ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus setzen – und erntete einen Shitstorm sondergleichen im Internet: der aus Bayern stammende Supermarkt-Unternehmer Peter Simmel, der aber vor allem im westlichen Sachsen und im östlichen Thüringen aktiv ist. Fragen lassen muss sich der Firmenchef allerdings, warum er Neo-Nazis in seiner jetzigen Heimat bekämpft, in seiner alten aber nicht.

Nach der Wiedervereinigung ging der heute 64-jährige Peter Simmel nach Ostdeutschland und baute dort eine Supermarkt-Kette auf, die mit Edeka verbunden ist. Inzwischen nennt er 20 – flächenmäßig meist sehr große – Einzelhandelsläden in den neuen Bundesländern sein eigen. Die vier Märkte im heimischen Bayern – München, Pullach, Unterhaching und Glonn im Landkreis Ebersberg – spielen dabei firmenintern eher eine untergeordnete Rolle. Privat ist der Unternehmer in Chemnitz daheim.

Der große rote i-Punkt auf dem Namenslogo „Simmel“ wurde zum optischen Markenzeichen. Das Erfolgsrezept: Peter Simmel baut häufig ganze Center, in denen dann neben seinem Supermarkt dann auch zahlreiche andere Geschäfte als Mieter präsent sind: dazu gehören unter anderem Frisöre, Textil- und Schuhgeschäfte, Drogerien, Zeitungs- und Tabakgeschäfte sowie Mobilfunkläden. Das funktioniert betriebswirtschaftlich wohl auch ganz gut, selbst wenn sich die Lebensmittel bei Simmel eher im oberen Preissegment bewegen.

 

Bisher nicht politisch in Erscheinung getreten


Der bisher nicht politisch in Erscheinung getretene Unternehmer hatte auf dem neuen Werbeprospekt seiner insgesamt 20 ostdeutschen Filialen mit dem Statement „Für Demokratie – gegen Nazis“ für seine Produkte geworben. Im Umfeld der vier bayerischen Filialen wurde der entsprechende Flyer aber nicht verteilt. In Sachsen und Thüringen, wo heuer im Herbst Landtagswahlen stattfinden, liegt die AfD in den Umfragen mit deutlich über 30 Prozent vor allen anderen Parteien. Aber auch in Bayern landete die Partei zur Landtagswahl 2023 mit 14,6 Prozent immerhin noch auf Platz 3.

Doch kurz darauf brach ein Shitstorm über Peter Simmel herein. In den sozialen Medien und auf der Website der örtlichen Heimatzeitung wurde zum Boykott seiner Läden aufgerufen. Der noch von der Meinungsfreiheit gedeckt Post eines Users – „Ich bete, dass Sie möglichst bald Pleite gehen“ – gehörte zu den harmlosen Reaktionen. Es gab im Netz auch Reaktionen wie „Wenn wir an der Macht sind, werden wir dich nicht vergessen“ oder auch „Guten Abgang ihr Parasiten.“

Kurz darauf machte Peter Simmel einen Rückzieher: Er entschuldigte sich bei seiner Kundschaft für die erste Äußerung – sowohl auf der Facebook-Seite seines Unternehmens wie auch gedruckt auf den Prospekten mit den neuesten Angeboten und Rabatten. „Entschuldigung, es tut mir leid, dass sich mit meinem Begriff „,Nazis‘ Leute angesprochen fühlten, welche mit unserer jetzigen Regierung nicht einverstanden sind. Deshalb ist man kein Nazi.“ Auch er sei nicht mit der jetzigen Regierung einverstanden, schreibt er weiter. Und er hoffe auf Neuwahlen, die „unsere Demokratie stärken“.

 

Kein Eingehen auf konkrete Fragen


Allerdings: Auch das gefiel einigen nicht – und wieder hagelte es Beleidigungen, beispielsweise: „Zum Kotzen, Ihr Kniefall vor den Nazis“. Die Staatszeitung wollte nun von Peter Simmel wissen, ob er sich zum einen von seiner ersten Äußerung lediglich aus politischen oder kaufmännischen Gründen wieder distanzierte – oder auch aus Angst um Leib und Leben von ihm und seiner Familie. Interessant wäre jedoch auch zu erfahren, warum er nur vor Rechtsextremen in Ostdeutschland, nicht aber in Bayern warnte. Doch er wollte auf konkrete Fragen nicht mündlich eingehen.

Statt dessen schickte er auf die Anfrage an seine Firmenzentrale nur eine schriftliche Stellungnahme, betitelt mit „Selbst eingebrockt klar, viel gelernt – danke dafür!“ Dann folgt ein ausführliches Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie – doch später im Text auch der Satz: „Den Menschen stinkt, dass wir zu viele Regeln und Bürokratie aufgezwungen bekommen, unser Staatsapparat ständig wächst, die Leistungen aber weniger werden und die Kosten steigen, wir zu viel Zuwanderung von Menschen haben, die sich nicht am Gelingen unseres Landes beteiligen.“

Man kann über die Gründe für die Kehrtwende des Unternehmers nur mutmaßen, ebenso über seine konkrete politische Verortung. Vielleicht wollte er zunächst von der positiven medialen Begleitung der Demonstrationen gegen Rechtsextremismus partizipieren, indem er Unterstützung signalisierte – wohl unterschätzend, dass der Anteil der AfD-Wähler an der Gesamtbevölkerung in etwa auch deren Anteil an seiner Kundschaft entspricht. Interessant: Während der gesamten Aktion gab es keine Stellungnahmen von sächsischen Landespolitikern. (André Paul)

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