Wirtschaft

Für den Bau des ICE-Werks könnten im Nürnberger Hafen ein Becken und ein Schwerlastkai zugeschüttet werden. (Foto: wraneschitz)

04.03.2022

Utopisch oder machbar?

Ein ICE-Werk im Nürnberger Hafen

Der Bund Naturschutz Bayern (BN) geht in die Offensive: In einer Pressekonferenz konkretisierte der Umweltverband am Montag die kürzlich durchgesickerte Idee, das von der Deutschen Bahn AG (Bahn) geplante ICE-Werk Nürnberg im Hafengelände der Frankenmetropole unterzubringen.

Klimaschutz kontra Waldabholzung: Auf diesen einfachen Nenner lassen sich bislang das von der Bahn als notwendig betrachteten ICE-Werks in und um Nürnberg bringen. Wie berichtet, argumentiert die Bahn, mit dem Werk die Verkehrswende vorantreiben zu wollen. Jedoch: Alle drei Standorte, die das jetzt von der Bahn bei der Regierung von Mittelfranken angestoßene Raumordnungsverfahren (ROV) vorsieht, liegen im streng geschützten Nürnberger Reichswald.

Vertraulichkeit zugesichert

Der Verkehrskonzern des Bundes spricht aber seit Monaten von einem „weiteren Standort, den wir prüfen, und zu dem wir Vertraulichkeit zugesichert haben“. Doch bei einem Treffen politisch Verantwortlicher mit Bahnmanagern hinter verschlossenen Türen im Verkehrsmuseum Nürnberg hat sich ein Eingeweihter wohl verplappert. Und am nächsten Tag stand in regionalen und überregionalen Medien zu lesen: Das Gelände des Bayernhafens im Süden der Frankenmetropole werde auf seine Tauglichkeit als Standort für das ICE-Werk untersucht – der Alternativstandort zum Reichswald.

Konkret geht es um ein Hafenbecken, das wohl selbst aus Sicht der freistaatlich dominierten Bayernhafen-Gruppe für den Umschlag von Schiffsgütern nicht mehr notwendig ist. Seit längerer Zeit ist von Hafenplänen zu hören, das fast zwei Kilometer lange Becken solle verfüllt, die Fläche anderweitig genutzt werden.
Dieses Gelände hätten im Oktober letzten Jahres BN-Aktive gemeinsam mit dem Chefplaner der bayerischen Bahngroßprojekte, Carsten Burmeister, begutachtet. Und beide Seiten seien zum Ergebnis gelangt: Die Beckenfläche und einige Flächen rundherum zusammen würden für das ICE-Werk ausreichen. So zumindest erklärt es Klaus-Peter Murawski, (Grüne) seit Kurzem Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Nürnberg, auf besagter Pressekonferenz.

Eine Bahnsprecherin bestätigt auf Nachfrage „gerne vertrauliche Gespräche zum Nürnberger Hafen. Aufgrund der von uns zugesagten Vertraulichkeit äußern wir uns jedoch inhaltlich derzeit nicht.“ Nur so viel verrät die DB-Frau weiter: „Wir nehmen die Prüfung von alternativen Standortvorschlägen sehr ernst.“ Zumal es sich am Hafengelände „um bereits bestehende Industrieflächen handelt. Ein Raumordnungsverfahren wäre dort nicht notwendig.“

Brache ist überplant

Glaubt man Bayernhafen-Geschäftsführer Joachim Zimmermann, dann ist „die Brache überplant“, das noch nicht aufgefüllte Hafenbecken und die rundum liegenden Flächen also bereits vergeben. „Ich habe mehrmals gesagt, dass das ICE-Werk hier nicht möglich ist“, erklärt Zimmermann.

Anders sehen es die Verantwortlichen des BN. Man habe die Fläche von einem Nürnberger Planungsbüro mit Bahnerfahrung bewerten lassen. Ergebnis: Wenn die Bahn von ihren vorgegebenen ICE-Werkskonzepten abweiche, sei das Werk als eine Art Kopfbahnhof sogar ohne die Flächen rundherum zu verwirklichen. Auch das normale Werkslayout sei möglich. „Dann aber müsste eine Reihe von Betrieben entlang der Wiener an die Rotterdamer Straße umgelagert werden“, so Murawski. Dort seien Flächen frei. Ob die Umsiedlung vier, 23 oder 100 Betriebe treffen würde, mit der Klärung dieser Frage sei gerade der Bayernhafen beauftragt.

Vorschlag prüfen

Denn im Januar hatte Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) alle Beteiligten zu einem Gespräch geladen. Danach „wurde Vertraulichkeit vereinbart, um den Standortvorschlag unaufgeregt und gründlich prüfen zu können“, so König. Er bestätigt aber: „Welche Auswirkungen die Ansiedlung eines ICE-Werks haben würde, wird derzeit geprüft.“ Beim bereits geplanten nächsten Treffen – nach Kenntnis der Staatszeitung am 22. März – sollen Hafen- und Bahnmitarbeitende die Ergebnisse präsentieren, wird allgemein bestätigt.

OB König spricht in seiner Antwort offenbar bewusst vom „Güterverkehrszentrum (GVZ) Hafen. Ein funktionierendes, genutztes Gewerbegebiet mit intensiver Logistik zwischen Schiene und Straße, abnehmend auch Wasser.“ Bayernhafen selbst beschreibt das Nürnberger Schienennetz am Hafen so: „Eine leistungsfähige teilelektrifizierte Hafenbahninfrastruktur mit Stellwerk und insgesamt 54 Kilometer Gleislänge, davon sind bereits 12,5 Kilometer elektrifiziert.“ Kein Wunder also, wenn der BN erklärt: „Das GVZ ist ein Güterbahnhof. 93 Prozent des Güterumsatzes werden am Containerterminal abgewickelt, ein verschwindend kleiner Anteil am Wasser. Wir wollen das GVZ weder beeinflussen noch abschaffen“, stellt BN-Mann Murawski ausdrücklich heraus.

Ein BN-Ehrenamtler bringt eigene Erfahrungen ein: Weder das besagte Hafenbecken noch der quer dazu befindliche neue Schwerlastkai seien nötig, weil die richtig schweren Güter wie Turbinen von Siemens am alten Schwerlastkai verfrachtet würden. Hafenchef Zimmermann dagegen spricht von „lediglich einem Viertel des Güterumschlags im GVZ. Ich bin gerne bereit, Argumente mit Zahlen zu untermauern.“

Hubert Weiger bringt dagegen Umweltschutzgründe vor. Bayerns Umweltministerium habe festgelegt, Bannwald habe Priorität vor Infrastruktur. So stehe es im Bodenschutzprogramm der Staatsregierung, Laut dem habilitierten BN-Ehrenvorsitzenden sei die Verringerung des Flächenverbrauchs „eine zentrale Forderung des Natur- und Umweltschutzes in Deutschland“.

„Bayernhafen und Bahn müssen sich entscheiden, ob sie der Aufforderung des Umweltministeriums folgen, den Wald zu erhalten“, der an den drei Standorten des ROV zweifellos gefällt werden müsste, so Klaus-Peter Murawski. Der frühere Staatskanzleichef von Baden-Württemberg sieht deshalb die Standortfrage als Grundsatzentscheidung: „Halten wir nur politische Sonntagsreden, oder setzen wir das um, was wir selber formuliert haben?“

Bestärkt fühlt sich der BN dabei von über 50.000 Bürger*innen, deren Unterschriften gegen ein ICE-Werk im Reichswald dieser Tage der Bezirksregierung von Mittelfranken übergeben wurden.
(Heinz Wraneschitz)

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