Wirtschaft

Diese PV-Freiflächenanlage bei Cadolzburg ging jüngst in Betrieb. (Foto: Wraneschitz)

24.09.2021

Was steigende Börsenstrompreise bewirken

Wenn das EEG nicht mehr greift, bekommen Solaranlagenbetreiber mehr Geld

Seit gut einem Jahr gehen die Börsenstrompreise stetig nach oben. Und damit steigen auch die Chancen, dass vor allem Solarstromanlagen nach 20 Jahren EEG-Vergütung (Ü20) weiterhin in Betrieb bleiben können.

Vergangene Woche ging in Cadolzburg (Landkreis Fürth) ein neuer 9,5-Megawatt-(MWp-)Solarpark offiziell in Betrieb. Dessen Betreiber setzen alleine auf die Direktvermarktung des Ökostroms. Solche PV-Neubauprojekte, bei denen die EEG-Vergütung überhaupt keine Rolle mehr spielt, sind zumindest in Nordbayern noch die Ausnahme: Gerade mal fünf PV-Freiflächenanlagen mit zusammen etwa 30 MWp speisen in die Leitungen der N-Ergie Netz GmbH ein, das von Würzburg bis fast nach Ingolstadt reicht.

Bekanntlich wünscht gerade Bayerns Landesregierung sich jede Menge neuer PV-Großprojekte im Freistaat; wohl auch, um vom faktischen Windkraftverhinderungsgesetz 10H abzulenken. Deshalb dürfen in Bayern im Verhältnis auch wesentlich mehr PV-Freiflächenanlagen per EEG-Ausschreibung zum Zuge kommen als in anderen Bundesländern. Und dann gehen zusätzlich noch solche Projekte wie in Cadolzburg ans Netz. Die 8,5 Hektar umfassende PV-Anlage passe genau an dieser Stelle, erklärte Cadolzburgs Bürgermeister Bernd Obst (CSU). Er dachte zurück an den Tag, als vor gut zwei Jahren der Bebauungsplan aufgestellt wurde. Damals hatte es zwar drei Gegenstimmen im Gemeinderat gegeben. Nun aber scheinen die Wogen geglättet: „Auch aus der Bevölkerung kam wenig Kritik“, konstatierte Ortschef Obst anlässlich der Einweihungsfeier. Zwar erwähnte Fürths Landrat Matthias Dießl (CSU) „die Konkurrenz zur Landwirtschaft und den Siedlungsdruck. Aber wir müssen in Bayern auf PV auch auf Freiflächen setzen, um die Ziele zu erreichen.“

Mangel an Bauteilen

Auch wenn sich der Bau vor allem wegen des überall in der Elektronikindustrie und auch bei den Solarfirmen herrschenden Bauteile-Mangels etwas verzögert hat: Die 19.386 Solarmodule hatten bereits vor der Feier über eine Million Kilowattstunden (kWh) Solarstrom produziert. 30 Jahre lang soll die Anlage mindestens laufen und dabei Ökostrom für etwa 3000 Haushalte produzieren, haben die Planer errechnet.

Aber diese Energie verschwindet nicht einfach so im Netz. Dafür sorgen die Fürther Stadtwerke Infra. Denn der Strom wird nicht aus den Umlagen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG vergütet, sondern „direkt und regional vermarktet“, wie Infra-Geschäftsführer Marcus Steurer betonte. Er bezeichnete diese Art der Vermarktung „als Herausforderung. Aber für mich ist die Stromerzeugung vor Ort die große Zukunft.“

Wobei die Herausforderung an die Käufer*innen von direktvermarktetem Ökostrom zurzeit recht gering scheint. Klar müssen sie den Produzierenden pro kWh etwas mehr zahlen, als wenn diese ihre PV-Anlage wie bislang üblich über eine Ausschreibung mit EEG-Vergütung finanziert bekommen hätten. Für um die fünf Cent/kWh hatte die Bundesnetzagentur zuletzt Zuschläge für den Betrieb von Anlagen erteilt. Die Verträge zwischen Betreiber und Direktvermarkter dürften also etwas darüberliegende Werte beinhalten.

Ökostromlücke wird größer

Doch die Börsenstrompreise liegen seit einigen Monaten wesentlich höher. Am 21. September nachmittags beispielsweise stand an der Leipziger Strombörse ein kWh-Preis von 12,9 Cent zu Buche; übers Jahr 2021 gemittelt wurde die kWh für um die acht Cent gehandelt.

„Der rasante Anstieg der Brennstoffimportkosten von Erdgas- und Steinkohlekraftwerken und die größer werdende Ökostromlücke lassen die Strompreise im Großhandel auf Rekordhöhen steigen“, analysiert Raimund Kamm, der Landesvorsitzende Bayern im Bundesverband Erneuerbare Energien BEE, die Entwicklung: „Das belastet die Verbraucher*innen und bringt die Stromgroßverbraucher der Industrie in Schwierigkeiten.“

Darüber freuen dürften sich dagegen Vermarkter wie die oben genannte Infra Fürth, die ihre Einkaufspreise per Vertrag festgelegt haben, PPA genannt. Doch auch all jene Besitzer*innen von PV-Anlagen unter 100 kWp, die in den letzten Jahren entstanden sind, profitieren von der Situation: Deren durch das EEG festgelegte, recht niedrige Vergütungen gelten nämlich nicht mehr, wenn der Börsenpreis höher liegt. Dann muss der zuständige Übertragungsnetzbetreiber den Ökostrom zum Börsenpreis abkaufen – und darf selbst eine Vermarktungsgebühr kassieren.

Ende der EEG-Finanzierung

Diese Regelung trifft aber auch auf PV-Anlagen zu, die nach der 20-jährigen (Ü20) EEG-Phase weiter Strom ins Netz einspeisen: Nicht der im vergangenen Jahr 2020 festgestellte durchschnittliche Börsenpreis von etwa zwei, sondern der diesjährige von etwa acht Cent pro kWh wird Ende 2021 bei Ü20-Anlagen zur Anrechnung kommen.

Und nicht zuletzt Hoffnung macht der rasante Börsen-Strompreisanstieg den Betreibern jener größeren Ökostrom-Kraftwerke, die demnächst das Ende der EEG-Finanzierung erreichen. Sie können wahrscheinlich Verkaufspreise mit Vermarktern aushandeln, die den wirtschaftlichen Weiterbetrieb der bereits abgeschriebenen Anlagen möglich machen. Vielleicht wird so die – laut Raimund Kamm – „wegen des in den letzten zwei Bundestagswahlperioden stark gedrosselten Ausbaus von Solar- und Windkraftwerken immer größer werdende Ökostromlücke“ nicht noch mehr anwachsen.

Ganz nebenbei führt die wegfallende Zahlung der EEG-Vergütung an Großanlagenbetreiber seit Jahresbeginn zu einem Anwachsen des sogenannten EEG-Kontos. Die Verbraucher zahlen dort inzwischen mehr EEG-Umlage über ihre Stromkosten ein, als den Anlagenbetreibern überwiesen werden muss. Das zeigt die laufend aktualisierte Statistik der Bundesnetzagentur.
(Heinz Wraneschitz)

 

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