Wirtschaft

So sah es im März 2007 in Bodelsberg (Landkreis Oberallgäu) aus, als der österreichische Mineralölkonzern OMV dort nach Erdgas suchte. Im süddeutschen Molassebecken, das für die Nutzung der Geothermie sehr geeignet ist, gibt es auch Erdgasvorkommen. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

01.07.2022

Wenn der Bohrplatz fehlt

Unter Holzkirchen lagern 650 Millionen Kubikmeter Erdgas

Angesichts des drohenden Erdgasmangels im kommenden Winter sollte man meinen, dass die Politik alles dafür tut, genügend Erdgas für Deutschland zu haben. Weit gefehlt. Allein in Bayern könnten 2,65 Milliarden Kubikmeter Erdgas konventionell, also ohne Fracking, gefördert werden.

„Wir haben bei Holzkirchen ein Erdgasfeld entdeckt, das 650 Millionen Kubikmeter Erdgas enthält. Damit könnte man entweder die gesamte Metropolregion München ein Jahr lang oder Holzkirchen zehn Jahre lang versorgen“, sagt Marcus Endres, Geschäftsführer der Terrain Energy Germany GmbH aus München. Doch eine Fördererlaubnis ist schwer zu bekommen. Zu groß sei die Angst der Politik vor Bürgerprotesten.

Das ist kein Einzelfall. Bei Irlach (Landkreis Rosenheim) hat sich laut Endres Wintershall DEA von einem eine Milliarde Kubikmeter umfassenden Feld zurückziehen müssen, weil sich Bürgerproteste formiert hatten und man zu wenig Unterstützung seitens des Wirtschaftsministeriums erhielt. Und die österreichische RAG biss auf Granit beim Versuch, eine Erlaubnis für die Förderung von einer Milliarde Kubikmeter Erdgas im Raum Chiemsee zu bekommen.

Dabei gibt es bei der konventionellen Erdgasförderung im Gegensatz zum Fracking kaum Risiken, da es jahrzehntelang erprobte Verfahren sind. „Für die Zeit der Bohrung und der Bohrvorbereitung bräuchten wir Zufahrtswege. Aber nach Abschluss der Förderung nach ungefähr zehn Jahren wäre alles wie zuvor, es gäbe keine negativen Folgen für die Landschaft“, betont Endres.

Bürgermeister ist nicht begeistert

Doch Holzkirchens Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) ist von der Erdgasförderung nicht begeistert: „Wir haben in den letzten Jahren für 70 Millionen Euro eine Geothermieanlage realisiert und erzeugen mit ihr vorwiegend Strom. Niemand kann uns sagen, ob wir durch die Erdgasförderung seismische Aktivitäten auslösen, die die Geothermie schädigen.“ Schmid ist in dieser Angelegenheit besonders vom bayerischen Wirtschaftsministerium enttäuscht, denn niemand der dortigen Fachleute sah sich imstande, entweder persönlich in den Gemeinderat zu kommen oder sich online zur Gemeinderatssitzung zuschalten zu lassen, um über Risiken aufzuklären. Darum könne die Gemeinde derzeit keinen Bohrplatz für die Erdgasförderung zur Verfügung stellen.

Enttäuscht vom Wirtschaftsministerium ist auch Terrain Energy-Geschäftsführer Endres. Denn er betrachtet das bayerische Alpenvorland im Hinblick auf Erdgasvorkommen im Wesentlichen als ausexploriert. „Aus den bekannten Lagerstätten wurden in der Vergangenheit insgesamt circa 18,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert“, so eine Ministeriumssprecherin. Es sei nach den bekannten Erkenntnissen unwahrscheinlich, noch neue größere gewinnbare Erdgasvorkommen zu finden. Nicht auszuschließen sei dabei, dass gegebenenfalls kleinere Vorkommen noch vorhanden sind, die aufgrund ihrer geringen Ausdehnung jedoch nur mit sehr hohem Risiko und erheblichem Explorationsaufwand zu erschließen wären.

Aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben

„Die Aktivitäten der letzten 30 Jahre mit circa zehn nichtfündigen Bohrungen richteten sich insbesondere auf die Wiederschließung aufgegebener Lagerstätten, in denen die Förderung aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben wurde, jedoch noch Restgasvorkommen vermutet wurden“, erläutert die Ministeriumssprecherin. Allerdings hätten die Bohrungen gezeigt, dass das Porenvolumen nicht mit Gas, sondern mit Wasser gefüllt war und somit eine technische Förderung nicht sinnvoll war.

Das Potenzial an neuen gewinnbaren Erdgasvorkommen in Bayern dürfte nach den vorliegenden Erkenntnissen insgesamt sehr gering sein und erscheint somit nicht geeignet, einen substanziellen Beitrag zur Bedarfsdeckung zu leisten, lautet die Einschätzung aus dem Wirtschaftsministerium. Laut der Sprecherin würde die Terrain Energy aber eine Probebohrungs- und Fördererlaubnis erhalten, wenn sie einen Bohrplatz hat.
„Angesichts der dramatischen Versorgungslage und der geschätzten circa drei Milliarden Kubikmeter fracking- und somit risikofrei förderbaren heimischen Gases ist das eine fast grotesk anmutende Stellungnahme aus dem Wirtschaftsministerium“, sagt Endres.
(Ralph Schweinfurth)

Deutschlands Erdgaspotenzial
Rund 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas benötigt Deutschland pro Jahr. Würde es eine Genehmigung geben, das etwa 60 Milliarden Kubikmeter umfassende Erdgasfeld vor der ostfriesischen Insel Borkum zu heben, könnten ab 2024 pro Jahr fünf Milliarden Kubikmeter Gas fließen. Das entspricht der Menge, die Deutschland bisher selbst pro Jahr fördert. Doch das ist nicht alles. Ebenfalls in Niedersachsen gibt es Deutschlands größtes Vorkommen an Schiefergas. Damit könnte man theoretisch 20 Prozent des deutschen Bedarfs decken. Nach Schätzungen des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) ist etwa die Hälfte der Menge wirtschaftlich nutzbar – allerdings via Fracking. Dieses Verfahren ist aber wegen des Trinkwasserschutzes hierzulande verboten.

 

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