"Wir gehen einem Wandel der Zeiten entgegen. Die restlichen Ressourcen richtig und schonend zu verwenden, erfordert ein Umdenken, auch in der Landnutzung", sagte Franz Rösl, Erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft gesunder Boden, beim Bodentag 2021, der vor Kurzem als hybride Veranstaltung in Neunburg vorm Wald (Landkreis Schwandorf) und online stattfand. Die Lebensgrundlage für die Gesundheit von Mensch, Tier, Pflanze, Luft und Wasser sei der Boden. Durch eine extreme Änderung der Landnutzung seien 99,7 Prozent der Wälder in Deutschland gerodet und Sumpfgebiete trockengelegt worden. Deutschland verfüge noch über 3 Prozent der ursprünglichen Wasserfläche, da Flüsse begradigt und Ufer verfestigt worden seien. Strahlenauswirkungen auf die Wasserqualität würden genauso ausgeblendet wie die Wirkung von Flugzeugabgasen und menschengemachte Wetterveränderungen. Von anfänglich 10 bis 30 Prozent Humus seien 2 Prozent bei Ackerfläche und 8 Prozent bei Wiesen verblieben. Oberflächenwasser sei als erster Trinkwasserleiter nicht mehr als Trinkwasser nutzbar. Deshalb habe die EU Deutschland wegen anhaltender schlechter Wasserqualität verklagt.
Fataler Irrweg
Laut einer Schweizer Studie seien von 46 Pestiziden im Boden nach 20 Jahren noch 20 Pestizide nachweisbar. Die Böden enthielten doppelt so viel Mikroplastik wie die Meere. „Die Forderung nach Bewässerungstechnik ist ein fataler Irrweg. Bewässerung ist Luxus für die Pflanzen. Sie entwickeln weniger Wurzeln, gehen weniger Symbiosen ein, nehmen weniger Nährstoffe auf und bauen weniger Schadstoffe ab“, so Rösl. Zumal zur Bewässerung oft Wasser minderer Qualität genutzt würde. Die Grundwasserneubildung sei in den letzten zehn Jahren um 19 Prozent geschrumpft. Die Aufgabe sei es, weg von Problemdiskussionen und Schuldzuweisungen hin zu Lösungen zu kommen. Hier sei die Vergütung der unterirdischen Frucht und der Wasserqualität als Ökosystemleistungen für die Landwirte von entscheidender Bedeutung.
Neunburgs Bürgermeister Martin Birner (CSU) hob denn auch die Bedeutung eines Wildlebensraumberaters hervor. „Der Mensch braucht keine Freizeitparks. Dem ländlichen Raum gehört die Zukunft“, sagte Birner. Die Schautafeln für Artenvielfalt würden heute schon Kinder und Städter anziehen und zu einem Spaziergang einladen. So könnten die Menschen entspannen. Obstbäume seien eine Möglichkeit, CO2 zu reduzieren. So pflanze die Stadt für jeden Schuljahrgang einen Obstbaum und für jeden Teilnehmer des Bodentags 2021. Diese Obstbäume könnten im Herbst von den Erholungssuchenden abgeerntet werden, was wiederum die Beziehung zur Natur vertiefe.
Steigende Temperaturen
"Die bayerischen Böden können in den ersten 30 Zentimetern noch Kohlenstoff aufnehmen und speichern", sagte Ingrid Kögel-Knabner von der TU München. Das hätte die Untersuchung von 1460 Bodenprofilen ergeben. Das sei notwendig, um das Fließgleichgewicht an den Klimawandel anzupassen. Je höher die Temperaturen, desto höher sei der Verlust, denn organische Substanz werde bei steigenden Temperaturen schneller mikrobiell abgebaut. Das erfordere, die Zufuhr an organischer Substanz zu erhöhen, um das Level halten zu können. Bis 2095 sei ein Plus von 30 Prozent nötig. Um die Kohlenstoffzufuhr zu erhöhen, müsste demnach der Boden mit organischen Resten gefüttert werden. Das könne durch Zwischenfruchtanbau, Änderung von Fruchtfolge und Landnutzung sowie durch organische Bewirtschaftung geschehen. Allein der Anbau von Zwischenfrüchten könnte die Kohlenstoffvorräte um 1 Prozent pro Jahr erhöhen.
Doch auch Pilze könnten laut Aussage von Christoph Felgentreu, Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft gesunder Boden, die Bodenqualität verbessern. „Sie nehmen in großer Geschwindigkeit Stickstoff auf.“ Eine weitere Möglichkeit für die Bodengesundung sei der Anbau von Hanf. Versuche hätten gezeigt, dass Hanf eine optimale Vorfrucht und Zwischenfrucht sei, mit großer Wurzelleistung und viel Biomasse. Zudem sei sie dem Pilzwachstum förderlich. Doch den Anbau von Hanf müsse man bei der Bundesdrogenstelle und der Agrarförderstelle anmelden. Diese Hürde schrecke die Landwirte ab.
"Ohne Bodenbedeckung stirbt unser Boden", bestätigte Dieter Helm, Landwirt und Politiker aus Bückwitz (Ortsteil der Gemeinde Wusterhausen/Dosse im Landkreis Ostprignitz-Ruppin). Bei 21 Grad Celsius werden 100 Prozent des Wassers vom Boden aufgenommen. Doch brachliegende Böden hätten im Sommer bis zu 66 Grad Celsius. Eine Bodenbedeckung während des ganzen Jahres sei somit die Grundlage für Feuchtigkeit und Temperatur der Böden. Ein Forschungsprojekt mit der Universität Minsk hätte ergeben, dass mit Bakteriendünger in einem Zeitraum von zehn Jahren eine 25-prozentige Steigerung des Ertrags möglich sei. Der Humusgehalt hätte sich in dem Zeitraum um 40 Prozent erhöht, der biologische Bodenindex um mehr als 50 Prozent verbessert.
Pathogene Keime
Pathogene Keime im Boden könnten zu einem Ertragsverlust von bis zu 15 Prozent führen. Eine kleine Stellschraube sei die „Beregnung des kleinen Mannes“. Es gehe um die Aufrechterhaltung des Kalium-Gehalts, damit der osmotische Druck in der Zelle aufrechterhalten werden könne. Das Kalium könne über den Blattdünger gegeben werden. So könne man die Auswirkungen der Trockenzeit um bis zu eine Woche reduzieren.
"Die Nutzungskonflikte von Wasser nehmen zu. In den Trockenjahren 2018/19 stieg der Wasserbedarf in der Landwirtschaft. Gemüse anzubauen ohne Bewässerung ist kaum möglich", merkte Alexander Dümig von der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau aus Veitshöchheim (Landkreis Würzburg) an. Die Bewässerung sei der intensivste Kostenfaktor. Dann ginge es schnell mal um die Rentabilität. Trockene Böden hätten außerdem eine Nährstoffproblematik durch zu hohe Stickstoffmengen. Sickerniederschlag auf den Böden müsse vermieden werden, da er zu Nitratauswaschung führe. Das Ziel sei eine Bodenfeuchte von 80 Prozent. Humus habe eine große Wasserbindungskapazität. Weiterhin könne man die Infiltrationsraten durch die Gabe von Magnesium und Calcium erhöhen. Jede Bewässerungstechnik habe ihre Vor- und Nachteile. Durch die Digitalisierung und Automatisierung böten sich viele Chancen. Optimierte Systeme könnten die Wasserverteilungsgenauigkeit erhöhen und damit die Beregnungsdauer um die Hälfte reduzieren.
Unterstützung beim Beregnen erhielten die Bauern durch die Bewässerungs-App von der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern (ALB) und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Die einfach zu bedienende Online-Anwendung wurde 2015 in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen erweitert und umfasse inzwischen zehn Kulturarten. Mit der Bewässerungs-App lasse sich der Wasservorrat im Boden feststellen und angepasst an den Bedarf der Ackerfrüchte und unter Berücksichtigung der verfügbaren Betriebskapazitäten gezielt bewässern.
Bodenfeuchtesensoren und digitale Niederschlagsmesser sowie Windsensoren könnten die Lage auf den Feldern mehr entschärfen als die Düngemittelverordnung. So müssten nur bei Bedarf geringe Gaben mineralischer Düngung ausgebracht werden. Auch eine automatische Leckage-Erkennung sei von Vorteil. Die Erstellung von Konzepten zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen mit dem Ziel einer wasserwirtschaftlich nachhaltigen und umweltverträglichen Bewirtschaftung der Wasserressourcen werde vom Freistaat Bayern durch Zuwendungen unterstützt. Zuständig für die Abwicklung der staatlichen Förderung seien die Wasserwirtschaftsämter. "Technik ist immer nur das Kratzen an Symptomen", so Dümig. An erster Stelle stünde die Erhöhung der Wasserspeicherkapazität und die Verbesserung der Infiltration.
Kurzfristiges Denken
"Ohne Pflanzen gibt es keine Fotosynthese und damit keinen Sauerstoff. Die Pflanze ist unser Beatmungsgerät", mahnte Meteorologe und ARD-Wettermoderator Sven Plöger. Für die Böden sei die Veränderung des Wetters am schwierigsten. Von den 40 Monaten vom Januar 2018 bis April 2021 seien 29 Monate zu trocken und elf Monate zu nass gewesen. Das habe zu Waldsterben geführt. Drei Jahre Dürre seien außergewöhnlich, doch in Zukunft würden zehnjährige Dürren erwartet. "Wir denken zu kurzfristig", so Plöger. Warum soll erst ab 2030 nicht mehr abgeholzt werden? Eine Schweizer Studie zeige, dass man das 1,5-Grad-Ziel mit der Pflanzung von neun Millionen Hektar Wald erreichen könnte. Das Thema Klima werde so viel diskutiert, wie noch nie. Aber es gebe auch so viele Flüge und Kreuzfahrtschiffreisen, so viel SUVs und so viel Plastik, wie nie zuvor. Plöger fordert ein Umdenken: "Jeder Euro, den wir heute nicht investieren, wird uns in der Zukunft zwei bis elf Euro kosten."
Demeter-Landwirt Sebastiaan Huismann aus Niedersachsen erläuterte am Beispiel des Dorfprojekts Juchowo, wie man Wasser in der Fläche halten könne, zum Vorteil der Landwirtschaft. Man habe auf 2000 Hektar Fläche Senken unter Wasser gesetzt und zur Taubildung Wald um die Seen gepflanzt. Neben dem Anlegen von Retentionsbecken habe man alle 40 Meter eine Hecke gepflanzt. So konnte man die Temperaturunterschiede von plus 35 und minus 35 Grad Celsius deckeln. Frei nach dem Spruch "Sorge für das Land und das Land sorgt für dich", so Huismann.
Der Preis bestimmte zu lange die Holzwirtschaft
"Wir müssen die Land- und Forstwirtschaft zusammen sehen. Ein lebendiger Boden ist die Grundlage", ergänzte Ludwig Pertl, Revierförster in Kaufering (Landkreis Landsberg am Lech). Der Holzpreis hätte lange bestimmt, wie die Holzwirtschaft auszusehen habe. Das führe zu sterbenden Nadelwäldern. Sei der Kipppunkt bei der Biomasseproduktion bis jetzt die Temperatur gewesen, so sei nun das Wasser in der Vegetationszeit der ausschlaggebende Faktor. Die steigenden Stickstoffeinträge würden zu einer Versauerung des Bodens führen, der Ozongehalt steige. Doch trockengestresste Vegetation würde bis zu 70 Prozent weniger Ozon aufnehmen. Während der Vegetationszeit würden 60 bis 80 Prozent des Niederschlags über die Verdunstung in der Landschaft, nicht über die Meeresverdunstung erzeugt. Die extrem heißen Spätsommer würden so zu einem großen Problem.
Die Lösung sei ein Mischwald. Bäume seien während der Wachstumszeit 50 Prozent stehendes Wasser. Diese stehende Wassersäule sei ein natürliches Kühlsystem. Man könne die Baummischung danach ausrichten. Laubbäume hätten eine deutlich größere Verdunstungsleistung und durch das feinere Wurzelgeflecht könne der Niederschlag im Winter im Boden ankommen. Eine 50-jährige Fichte habe 10 bis 15 Millimeter Feinwurzeln, ein Ahorn nach 20 Jahren schon einen Meter. Das führe zu einem Mehr an Sickerwasser in der Jahresbilanz.
Doch diese positiven Trinkwasserwälder seien ein defizitäres Geschäft für den Forst. Deswegen müssten Ökosystemleistungen endlich einen Wert und damit einen Preis bekommen. Es dauere 20 bis 70 Jahre, um aus einem versauerten wieder guten Boden zu generieren. Hier könne der Regenwurm als einheimische Tierart hervorragende Arbeit leisten. Er löse durch seine Schleimstoffe die Versauerung, fördere den Nitratabbau und verdoppele den Wasserspeicher. Doch Regenwürmer brauchen Feinwurzeln und müssen vor Fressfeinden, wie Schalenwild, geschützt werden.
(Antje Schweinfurth)
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