Wirtschaft

Johannes Maibom auf der Windfläche bei Emskirchen-Mausdorf: Im Biotopverbund unter den Windrädern soll möglichst viel Photovoltaik installiert werden – doch genehmigt werden soll diese nur im dreifachen Rotordurchmesser um die Windräder („3D-Regel“). (Foto: Wraneschitz)

04.08.2023

Wenn man in den Amtsstuben kreativ wird

Auf 10H folgt 3D: Bayern bremst mit einer erfundenen Regelung den Photovoltaikausbau

Auf Druck von Bundeswirtschafts- und Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hat die bayerische Staatsregierung die bayerische Verhinderungsregel für den Bau von Windkraftanlagen (10H) zumindest teilweise entschärft. Doch nun haben die Ministerialbürokraten aus München augenscheinlich den Ausbau von Solarkraftwerken ins Visier genommen: mit der selbst erfundenen 3D-Regel.

Diese besagt, dass im Freistaat nur im Umfang des dreifachen Rotordurchmessers rund um ein Windkraftwerk die Aufstellung von Photovoltaikmodulen erlaubt wird. Das jedenfalls hat Johannes Maibom erfahren, als er vor einiger Zeit mittelfränkischen Beamt*innen die Idee einer Dreifachflächennutzung in seinem Heimatdorf vortrug. Für Photovoltaikanlagen müssen die Gemeinden bekanntlich jeweils Bebauungspläne aufstellen. Diese wiederum können von den jeweils zuständigen Landratsämtern und im Fall von kreisfreien Städten sowie Großen Kreisstädten von den jeweiligen Bezirksregierungen geprüft und genehmigt – oder abgelehnt – werden.

Mausdorf mit Wärme und Strom aus Sonne, Wind, Bioenergie versorgen

Das Dorf heißt Mausdorf, ist ein Ortsteil von Emskirchen im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Winds-heim und grenzt direkt an die Gemarkung der Industriestadt Herzogenaurach. Maibom ist einer der Eltern von „Mausdorf hat Energie“ mit der Idee, den Ort selbst mit Wärme und Strom aus Sonne, Wind, Bioenergie zu versorgen. Schon 2013 gab es für die erfolgreiche Umsetzung den Bayerischen Staatspreis für das dortige Bürgerhaus, in dem bis heute neue Ideen geboren werden.

Die jüngste Idee ist, in dem zwischen Windrädern der Gesellschaft Reuthwind etablierten Biotopverbund Photovoltaikanlagen zu errichten. Denn die Flächen sind ja schon durch die Windkraftnutzung vorbelastet, so die Idee. Das Projekt für die Planung dieser Doppel- beziehungsweise Dreifachnutzung war sogar von der Zentralstelle für ländliche Entwicklung vom Freistaat gefördert worden. Das Ergebnis: Der Platz würde ausreichen, um aufgeständerte Photovoltaikanlagen mit 12,5 Megawatt Leistung zu errichten.

Für den damit erzeugbaren Solarstrom haben die Mausdorfer sogar schon einen Abnehmer. Ein Industrieunternehmen in der Nachbarstadt will sich damit über eine Direktleitung zum Werkstrafo zu großen Teilen selbst versorgen. Power Purchase Agreement (PPA) nennt sich so ein langfristiger Stromliefervertrag.

Ein Projektentwickler hat in Lonnerstadt eine Vereinbarung getroffen

Doch die Tücke liegt im Detail, gerade im Freistaat. Klar: Wo Windräder auf Vorbehalts- oder Vorrangflächen stehen oder errichtet werden sollen, da darf es keine konkurrierende Nutzung geben. Doch Photovoltaikanlagen unter und um Windräder herum behindern ja die Windkraft nicht, dachten zumindest die Mausdorfer Solarprojektentwickler. Aber da hatten sie nicht mit weiß-blauer Bürokratie gerechnet. Die beharrte zunächst grundsätzlich auf „Wind und sonst nix“.

Bis ein ebenfalls mittelfränkischer Projektentwickler in Lonnerstadt (Landkreis Erlangen-Höchstadt) eine Vereinbarung traf, im Umgriff des dreifachen Durchmessers der Rotoren Photovoltaikanlagen aufstellen zu dürfen. Und auf diese „3D-Regel“ berufen sich offensichtlich Bayerns Behörden nun auch andernorts – so zum Beispiel in Mausdorf.

Denn die Windräder, die sich hier drehen, stehen auf drei für Windkraftnutzung reservierten Flächen. Die eine gehört zum Regionalen Planungsverband 8 (Westmittelfranken), die anderen beiden zum Regionalen Planungsverband 7 (Region Nürnberg).

„Weitere Windräder könnten hier nicht aufgestellt werden, da ist nicht genug Platz“, stellt Maibom klar. Von möglicher Wind-konkurrenz durch Photovoltaik könne also keine Rede sein. Ob Photovoltaikmodule allein im Bereich dreier Rotordurchmesser um die Windräder oder darüber hinaus aufgestellt werden, mache doch keinen Unterschied. Doch die Behörden würden nur 3D gestatten. Dann aber fiele von den geplanten 12,5 Megawatt Solarleistung etwa ein Drittel weg – und der PPA-Vertrag mit dem Abnehmer würde womöglich platzen.

Doch wie kommen die Behörden überhaupt darauf, sich auf die „3D-Regel“ bei einer möglichen Aufstellung von Photovoltaikanlagen in Windgebieten zu berufen? Offiziell zu finden ist diese Vorgabe anscheinend nur in einem Rundschreiben vom 27. Juli 2023 mit dem Titel „Vollzug des Bau- und Energierechts; Gesetzesänderungen unter anderem durch das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (Wind-an-Land-Gesetz)“. Das hat das bayerische Bauministerium per Mail an die Bezirksregierungen sowie Unteren Bauaufsichtsbehörden verschickt, und „nachrichtlich an Kommunale Spitzenverbände“. Darin steht: In einem entsprechenden „Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Wind- und Sonnenenergienutzung“ müsse der „Umgriff der Photovoltaikfreiflächenanlagen auf das nähere Umfeld einer bestehenden Windenergieanlage beschränkt (maximal innerhalb eines Radius entsprechend dem dreifachen Rotordurchmesser der gegenständlichen Windenergieanlage)“ werden.

Aus dem für Energiefragen eigentlich zuständigen bayerischen Wirtschaftsministerium heißt es auf Nachfrage der Staatszeitung: „Der sogenannte Umgriff (räumliche Geltungsbereich eines Bauleitplans) der PV-Nutzung muss sich auf den dreifachen Rotordurchmesser bestehender Windenergieanlagen (WEA) – das ist wohl die 3D-Regel – beschränken, da innerhalb dieses Abstands gesichert keine weiteren WEA errichtet werden können.“ Die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums bestätigt aber auch: „Es wurden keine Festlegungen im Rahmen der Bundesgesetzgebung getroffen.“

Bundeswirtschafts- und -klimaschutzministerium kennt die Regelung nicht

Jedoch sehe man sich „als Vorreiter in der Bundesrepublik“, der „einen Weg gefunden hat, Vorranggebiete Windenergie in Einzelfällen mit einer Freiflächen-photovoltaik-Nutzung zu vereinbaren. Andere Bundesländer sind inzwischen nachgezogen.“

Auf Nachfrage der Staatszeitung schreibt das Bundeswirtschafts- und -klimaschutzministerium (BMWK) zur „3D-Regel“: Zwar hätten die zuständigen Gremien der Länder jüngst einen Vollzugsleitfaden zum „Wind-an-Land-Gesetz“ beschlossen. Daran seien auch die bayerische Staatsregierung und Bundesministerien beteiligt gewesen. Doch „die 3D-Regel war nicht Gegenstand der Gespräche“, so BMWK-Pressesprecherin Susanne Ungrad.

Und zu einer möglicherweise zwischen Bund und Freistaat vereinbarten Regelung, die Photovoltaikanlagen in Windgebieten auf einen Umgriff des dreifachen Rotordurchmessers um bestehende oder geplante Windkraftanlagen beschränkt („3D-Regel“), schreibt Pressesprecherin Ungrad: „Die Regelung ist dem BMWK nicht bekannt und sie geht auch nicht auf die Bundesregelungen zurück. Gespräche zu dieser Regelung zwischen BMWK und Bayern sind uns ebenfalls nicht bekannt.“

Dagegen schreibt die Sprecherin des bayerischen Wirtschaftsministeriums, dass das BMWK dieses Vorgehen sogar „ausdrücklich unterstützt“ habe.
(Heinz Wraneschitz)

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