Wirtschaft

Die Bedeutung der Digitalisierung für die Wirtschaft hat man in Bayern längst erkannt. Jedes Jahr zeigt die Messe Communication World in München die neuesten, vor allem mobilen Trends der Branche. (Foto: Messe München)

05.07.2013

Wertschöpfung durch Bits und Bytes

Neue vbw Studie: Digitalisierung beschleunigt das Wirtschaftswachstum in Deutschland und Bayern

Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Treiber des Wirtschaftswachstums in Deutschland und im Freistaat. 10 Milliarden Euro und damit ein Drittel des jährlichen Anstiegs der Bruttowertschöpfung wird hierzulande durch die zunehmende Digitalisierung über alle Wirtschafts-
bereiche hinweg erzielt. In Bayern beträgt die zusätzliche Wertschöpfung laut vbw 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
„Wir sehen große Chancen in der Digitalisierung für unseren Wirtschaftsstandort insbesondere für Bayern“, sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., in München bei der Vorstellung der Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie, die die Prognos AG im Auftrag der vbw erstellt hat.
Laut der neuen vbw Studie ist der Digitalisierungsgrad über alle Branchen hinweg von rund 15 Prozent Anfang der 1990er Jahre auf knapp 23 Prozent im Jahr 2011 angestiegen. Die Produktion in Wirtschaftsbereichen mit einem hohen Anteil an digitalen Technologien ist in dieser Zeit überdurchschnittlich gewachsen. „Bei einigen für den Freistaat wichtigen Branchen, wie der Maschinenbau, der Straßenfahrzeugbau und die chemische Industrie, besteht aber noch großes Potenzial. Damit Hersteller, Zulieferer und industrienahe Dienstleister bestehende Chancen ausschöpfen können, müssen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft noch stärker auf die Digitalisierung ausgerichtet werden“, mahnt Brossardt. Gerade Bayern mit seinem überdurchschnittlich hohen Industrieanteil und seinen höchst innovativen Unternehmen hat nach Auffassung des vbw Hauptgeschäftsführers die besten Voraussetzungen, in den kommenden Jahren weiter von der Digitalisierung zu profitieren.
Hoch-digitalisierte Wirtschaftsbereiche
Zu den heute hoch-digitalisierten Wirtschaftsbereichen mit einem Digitalisierungsgrad von über 50 Prozent zählen die audio-visuellen Medien und der Rundfunk, die Telekommunikation, Hersteller von Datenverarbeitungs-, Elektronik- und Optikgeräten, Hersteller elektrischer Ausrüstungen sowie diverse Dienstleistungsbranchen.
Einige Industriezweige haben der Studie zufolge einen mittleren Digitalisierungsgrad von 20 bis 50 Prozent, viele einen geringen von unter 20 Prozent. Das gilt unter anderem für die Hersteller von Metallerzeugnissen (21 Prozent), den Maschinenbau (17,4 Prozent) und den Kraftwagenbau (14 Prozent).
Die Gründe für die noch schwache Digitalisierung der meisten Industriezweige sind laut Studie zum einen die im Vergleich zum Dienstleistungsgewerbe hohe Anzahl nicht digitaler Patente und zum anderen die bislang rein produktbezogene Betrachtung.
Wie die Analyse der Patentbeschreibungen und die Experteninterviews gezeigt haben, sind die für das produzierende Gewerbe wichtigen technologischen Entwicklungen in innovative Produkte und in die Prozessoptimierung eingegangen. Dazu haben Industrieunternehmen beispielsweise Steuerungssoftware, Logistik-Dienstleistungen oder Storage-Lösungen eingekauft, aber nicht selbst patentieren lassen, so Brossardt.
Bezieht man diese technologisch relevanten Zulieferungen und Vorleistungen aus anderen Branchen mit in die Analyse ein, verändert sich der Digitalisierungsgrad in den Wirtschaftszweigen. In den großen Industriebereichen steigt er:
• im Maschinenbau von 17,4 Prozent auf 20,4 Prozent,
• im Straßenfahrzeugbau von 14,0 Prozent auf 17,3 Prozent,
• in der Chemie von 8,0 auf 12,6 Prozent.
Damit ist das produzierende Gewerbe immer noch nicht Vorreiter der Digitalisierung, der Grad der Digitalisierung steigt allerdings in den meisten Industriebranchen seit Jahren überdurchschnittlich.
„Eine Gegenüberstellung von Digitalisierungsgrad und Wachstum der Wertschöpfung ergibt einen eindeutigen Zusammenhang: Branchen mit einem hohen Digitalisierungsanteil verzeichnen ein überdurchschnittliches Produktionswachstum“, erläutert Brossardt.
Die jährliche Wachstumsrate der Bruttowertschöpfung über alle Wirtschaftsbereiche hinweg lag in Deutschland im Untersuchungszeitraum 1998 bis 2010 bei 1,5 Prozent. 0,5 Prozentpunkte davon lassen sich direkt auf die Digitalisierung zurückführen. Das sind mehr als 10 Milliarden Euro.
In der Industrie liegt der Wachstumsbeitrag der Digitalisierung ebenfalls bei 0,5 Prozentpunkten; im Fahrzeugbau, Maschinenbau und der Elektrotechnik fällt er mit je 0,4 Prozentpunkten etwas niedriger, in der Chemie- und Metallindustrie mit jeweils 0,7 Prozentpunkten etwas höher aus.
In Bayern liegt der Wachstumsbeitrag der Digitalisierung sowohl im gesamtwirtschaftlichen Schnitt als auch in der Industrie bei 0,4 Prozentpunkten pro Jahr. Das sind 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Beitrag zum technischen Fortschritt
„Unsere Untersuchung zeigt, dass die zunehmende Durchdringung aller Wirtschaftsbereiche mit digitalisierten Produkten und Prozessen in den letzten Jahren einen erheblichen Beitrag zum technischen Fortschritt und zum Wachstum der deutschen und bayerischen Wirtschaft geleistet hat“, so der vbw Hauptgeschäftsführer.
„In einer reifen Volkswirtschaft mit einer schrumpfenden Bevölkerung wie unserer, gehen Wachstumsimpulse in erster Linie vom technischen Fortschritt aus“, sagt Brossardt.
Die bayerische Wirtschaft hat mit 27 Prozent einen überdurchschnittlich hohen industriellen Wertschöpfungsanteil. Im Vergleich dazu: In Deutschland liegt er bei 22 Prozent, in der EU insgesamt bei 15 Prozent und in den USA bei 12 Prozent.
Zudem sind die Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Freistaat sehr innovativ und exportorientiert. „Damit haben wir die besten Voraussetzungen, von der Digitalisierung zu profitieren und damit unsere industrielle Spitzenposition und damit Arbeitsplätze und Wohlstand zu erhalten“, so der vbw Hauptgeschäftsführer.
Um die vorhandenen Wachstumspotenziale nutzen zu können, müssen Brossardt zufolge die Rahmenbedingungen allerdings noch viel stärker und besser auf die Digitalisierung ausgerichtet werden.
„Vor allem in Bayern brauchen wir dringend den Ausbau einer hochleistungsfähigen IT-Infrastruktur. Denn eine Anbindung an die weltweiten Kommunikationsnetze ist die Grundvoraussetzung für die weitere Digitalisierung unserer Wirtschaft“, unterstreicht Brossardt mit Nachdruck. Dazu muss vor allem auch im ländlichen Raum eine flächendeckende und schnelle Breitbandversorgung gewährleistet sein.
Wirksame Ansätze für einen beschleunigten Breitbandausbau seien die Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit auf nationaler und europäischer Ebene, damit mehr private Investitionen in den Netzausbau fließen einerseits und bestehende Synergien mit vorhandenen Infrastrukturen besser nutzen andererseits.
Unternehmen brauchen digital versierte Mitarbeiter, um die Chancen der Digitalisierung für sich nutzen zu können. „Wir müssen mit unserem Bildungssystem sozusagen ein Update fahren und es auf die Herausforderungen der digitalen Welt besser abstimmen“, so Brossardt. Dazu gehört:
• Die Entwicklung neuer Bildungsangebote zur Förderung der digitalen Kompetenz von der frühkindlichen Bildung über Schule, berufliche Bildung, Hochschule bis zur Weiterbildung.
• Die Anreicherung der Ausbildungsinhalte, insbesondere in den Studiengängen der Ingenieurwissenschaften, IT und Betriebswirtschaft sowie der Lehrinhalte in der beruflichen Ausbildung.
• Ein besonderer Fokus muss auf den Ausbau der IT-Fachbereiche an bayerischen Hochschulen gelegt werden.
• Die Aus- und Weiterbildungsangebote selbst müssen stärker digitalisiert und vernetzt werden. Erzieher, Lehrer und Ausbilder sind viel stärker als bisher gefordert, Medienkompetenz und neue Arbeitsweisen zu vermitteln.
Ein bayerisches
„Digital Valley“
„Die Forschung an unseren Universitäten und Hochschulen muss stärker am Bedarf der digitalen Wirtschaft ausgerichtet werden“, fordert Brossardt. In Bayern bräuchte man:
• mehr Forschungsvorhaben zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und digitaler Dienstleistungen in Zusammenarbeit mit Unternehmen,
• mehr Projekte zur Förderung der Qualitäten Bayerns als digitaler Standort (beispielsweise im Bereich Cloud Computing, Sicherheitstechnologie oder Big Data) und
• neue Projekte zu den Auswirkungen der Digitalisierung entlang länderübergreifender Wertschöpfungsketten im Haus der Forschung (Nutzung des aktuellen EU-Programms Horizon 2020). Das "Isar Valley"
Um die Jahrtausendwende galt Bayern als „Isar Valley“, so Brossardt. „Wir müssen jetzt die Chancen der Digitalisierung und die vorhandenen Strukturen nutzen, um unseren Standort für Existenzgründer und Investoren aus dem Ausland attraktiv zu machen.“ Hier sei die Staatsregierung gefragt, sich mehr zu engagieren – über Förderprogramme für innovative Geschäftsideen, eine konsequente Ansiedlungspolitik sowie ein neues Cluster „Digitalisierung“ als Innovations- und Informationsplattform für Firmen.
Kern eines bayerischen „Digital Valley“ ist und bleibt Brossardt zufolge die Industrie: „Die Digitalisierungsimpulse gehen insbesondere von den Bereichen Automotive, Energietechnik, Informationstechnologie, Mechatronik und Automation aus.“ Industrieunternehmen würden hybride IT-gestützte Geschäftsmodelle weiterentwickeln und ihren Digitalisierungsgrad auf Produkt- und Prozessebene stetig erhöhen. „Dass hier aus heutiger Sicht noch „Luft nach oben ist“, hat unsere Studie gezeigt“, so der vbw Hauptgeschäftsführer.
„Die bayerische Staatsregierung kann und muss die bayerische Wirtschaft in ihrer weiteren Entwicklung unterstützen. Nicht nur über den dringend nötigen Breitbandausbau und die Forschung, sondern auch durch E-Government-Lösungen und beim Thema Cybersicherheit“, verdeutlicht Brossardt.
„Wir sehen eine große Chance für die bayerische Wirtschaft in der Digitalisierung und wir wollen sie nutzen.“ Die vbw werde das Thema deshalb in den nächsten Monaten stark vorantreiben und den Austausch mit Politik und Unternehmen dazu intensivieren. Die vorliegende Studie liefere dafür die Grundlage.
(Ralph Schweinfurth)
Studie zum Download unter: www.vbw-bayern.de

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