Wissenschaft

Scott Tucker, Archäologe, sitzt an einer Ausgrabungsstelle neben einem Skelett aus dem Mittelneolithikum auf dem Gelände der Winzer Genossenschaft Franken. Immer öfter suchen auch Kriminelle Grabungsstätten auf, um selbst an irgendwelche Bodenschätze zu gelangen. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

19.01.2023

Bayern will archäologisches Erbe besser gegen Raubgräber schützen

Früher kannte man antike Münzen und antiken Schmuck fast nur aus Museen. Inzwischen ist es ein begehrtes Feld für Sammler und Händler. Das wissen auch Kriminelle. Behörden wollen verhindern, dass die mit moderner Technik Beute auf den Feldern machen

Für manche ist es nur ein harmloses und spannendes Hobby, das viele Menschen während der Corona-Pandemie für sich entdeckt haben. Auf den Wiesen und Äckern neben den Straßen kann man seither häufiger Sondengänger beobachten: Menschen, die mit Metallsuchgeräten nach Wertgegenständen im Boden suchen. Doch Archäologen betrachten diesen Trend mit Argwohn - und das nicht nur, weil auch Kriminelle mit den Suchgeräten losziehen und mitunter ganz gezielt antike Fundstellen plündern.

Im oberbayerischen Manching hatten Raubgräber im vergangenen Jahr mehr als 100 Löcher auf einem Gelände gegraben, das zu dieser Zeit gerade von Wissenschaftlern auf keltische Siedlungsspuren untersucht wurde. Zuletzt war Manching im November auch wegen des spektakulären Diebstahls eines etwa 2000 Jahre alten Goldschatzes aus dem dortigen Museum international in den Schlagzeilen.

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gibt sich zwar grundsätzlich offen gegenüber der Mitarbeit von Interessierten bei Bodendenkmälern. Doch von Sondengängern hält man bei der Behörde nichts. Das Suchen von Funden mittels Metallsonde gehöre "nicht zu den vom Landesamt unter "Ehrenamt & Engagement" subsummierten Tätigkeiten", stellen die Denkmalschützer nüchtern fest.

Auch der Augsburger Stadtarchäologe Sebastian Gairhos verweist darauf, dass Sondengänger leicht wertvolle Geschichte zerstören könnten. Denn: Wenn Funde einfach mit nach Hause genommen würden, dann seien die Gegenstände aus ihrem Kontext gerissen. "Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden minimiert", sagt Gairhos. "Die Gesellschaft verliert einen Teil der Geschichte."

Er betont, dass Erkenntnisse aus bestimmten Epochen nur aus der Archäologie kamen und die Fundstellen begrenzt seien. Gerade Metallobjekte wie Münzen, Schmuck oder Waffen sind für die Expertinnen und Experten zur Datierung besonders wertvoll. "Bei Bestattungen beispielsweise ordnet man Waffen meist Männern und Schmuck eher Frauen zu", erklärt Gairhos. Zwar könne man das Geschlecht auch über die Knochen bestimmen, aufgrund des schlechten Zustandes der Überreste sei das aber oft schwierig.

Nicht alle Sondengänger über einen Kamm scheren

Gairhos warnt allerdings davor, alle Sondengänger über einen Kamm zu scheren. Immer wieder gebe es historisch Interessierte, die ihre Informationen meldeten und gefundene Gegenstände abgeben würden. "Wenn sie bei der Bergung feststellen, dass sich die Objekte noch in ihrem historischen Kontext befinden, hören Sie auf zu graben und ziehen die Fachbehörde hinzu", sagt er. So könnten unter Umständen auch bislang unbekannte Fundstellen entdeckt werden.

Die sogenannten Raubgräber, die bewusst nachts auf Grabungsstellen suchen und Objekte mitnehmen, sind eine andere Dimension. Anfang Mai 2022 hatten Unbekannte im Oppidum Manching, einer keltischen Stadt, rund 140 Löcher gegraben und wohl auch Gegenstände entwendet. Damals arbeitete dort ein Fachunternehmen im Auftrag des Freistaats, weil eine Bundesstraße gebaut werden soll. Archäologische Grabungen sind in sensiblen Gebieten im Vorfeld solcher Projekte üblich.

Die Staatsanwaltschaft in Ingolstadt will derzeit keine Informationen über den Stand der Ermittlungen zu dem Fall bekannt geben. Das Denkmal-Landesamt in München sieht ein bislang einzigartiges, dreistes Vorgehen während einer laufenden Grabung. Dabei wissen die Experten auch nicht genau, welchen Schaden die Täter angerichtet haben. Denn bislang ist nicht bekannt, was diese wirklich ausgegraben und mitgenommen haben.

Um gegen Kriminelle besser vorzugehen, hat das bayerische Kabinett bereits eine Verschärfung der Vorschriften beschlossen. "In den letzten Jahren ist ein starker Anstieg an illegalen Raubgrabungen mit Metallsonden festzustellen", betont die Staatsregierung.

Künftig soll das Sondengehen im Bereich von Bodendenkmälern für Privatpersonen generell verboten sein. Zudem werden vergrabene Schätze und andere archäologische Funde Eigentum des Freistaats. Bislang gehörten die Gegenstände je zur Hälfte dem Finder und dem Grundstückseigentümer. In Zukunft kann der der Eigentümer gegebenenfalls noch einen finanziellen Ausgleich verlangen, für den Entdecker gibt es eine Belohnung. Der Landtag muss dem Gesetz nun noch zustimmen.

Dem Augsburger Archäologen Gairhos reicht das noch nicht. "Raubgrabungen sind keine Kavaliersdelikte", sagt er. In Deutschland sei es wegen der Gesetzeslage deutlich leichter als in anderen Ländern, antike Gegenstände zu verkaufen.

Das nutzen die Täter aus. Nach Angaben eines Sprechers des Bundeskriminalamtes werden solche Objekte oft bei sogenannten Schatzsucher-Treffen, auf Flohmärkten, im Antikenhandel, in Auktionshäusern und vor allem auf Internet-Plattformen angeboten.

Diese Fälle kennt auch Gairhos: "Viele stellen sich die Entdeckungen auch einfach nur in die Vitrine und wissen nicht, dass mit jedem Objekt, das aus dem Kontext gerissen ist, ein Stück Geschichte stirbt." (Lina Schönach, dpa)

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