Wissenschaft

Die verschiedenen Schriftformen der Gendersprache mit Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt sollen nach dem Willen ihrer Befürworter möglichst alle geschlechtlichen Identitäten einschließen. (Foto: dpa/Uli Deck)

08.09.2021

Ein Vorbild auch für Bayern?

Sachsens Kultusministerium verbietet das Gendern an Schulen

Lehrer_Innen, Schüler*Innen oder Rektor: Innen – mit solchen Schreibweisen ist an sächsischen Schulen künftig Schluss. Der weiß-grüne Freistaat verbietet das Gendern im Unterricht wie in dienstlichen Schriftstücken an den Bildungseinrichtungen. In einer Dienstanweisung von Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) heißt es: „Die Verwendung von Sonderzeichen, wie Gender-Stern, Gender-Doppelpunkt, Gender-Unterstrich oder Doppelpunkt im Wortinneren, erfüllt weder die Kriterien für eine gendergerechte Schreibung noch entspricht sie den aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks, welches die Grundlage für die deutsche Rechtschreibung bildet und somit auch für die Schulen gilt.“ SPD und Grüne, die in Dresden mit der Union in einer sogenannten Kenia-Koalition regieren, haben keinen Protest eingelegt. In den sozialen Netzwerken freilich muss sich Christian Piwarz Anfeindungen von Leuten gefallen lassen, die proaktiv für die Gendersprache eintreten.

Könnte ein solches Verbot auch in Bayern kommen? Das ist wohl gar nicht mehr notwendig, denn hier geht man einen weniger konfrontativen Weg, ohne ein explizites Verbot auszusprechen. „Grundlage für die Rechtschreibung in Schulen, öffentlicher Verwaltung und Rechtspflege ist das Amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung, das vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben wird“, erläutert auf Nachfrage Daniel Otto, stellvertretender Sprecher von Ressortchef Michael Piazolo (FW). „Die in Bayern zugelassenen Schulbücher unterliegen ebenfalls diesen amtlichen Regelungen.“ Und daraus ergibt sich für das Kultusministerium eine klare Antwort auf die Frage, ob Lehrkräfte die Kinder dazu anhalten können, in einer nicht dem besagten Amtlichen Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung – also der sogenannten verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern – zu schreiben: „Nein!“, so Ministeriumssprecher Otto. Umgedreht dürfen Kinder auch nicht so schreiben.

Das ist insofern interessant, weil hier das Kultusministerium und das für die Hochschulen zuständige Wissenschaftsministerium eine unterschiedliche Linie fahren. Auch aus bayerischen Universitäten wurden zuletzt Fälle bekannt, wo es für Bachelor- oder Masterarbeiten – ungeachtet der eigentlichen fachlichen Leistung – Punktabzüge und eine schlechtere Bewertung gab, wenn in dieser nicht gegendert wurde. Bis jetzt hat der zuständige Ressortchef Bernd Sibler (CSU) sich dazu noch nicht zu Wort gemeldet. Allerdings genießen Hochschulen einen deutlich größeren Grad an innerer Autonomie als Schulen. Doch selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestags, der sich in einem Gutachten vom 27. Februar 2020 mit der Frage beschäftigt, kommt zu keinem verbindlichen Urteil. Universitäten, heißt es, befänden sich „in einem Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaftsfreiheit und Loyalität gegenüber dem Staat“. Vereinfacht: Ein Professor, der fürs Nicht-Gendern bestraft, handelt vielleicht fies – aber noch legal.

Die Grünen hätten es lieber wie in Baden-Württemberg

Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) sagte zur Staatszeitung, zwar versuche sie bei öffentlichen Äußerungen, alle Geschlechter und sexuellen Identitäten bewusst und wertschätzend anzusprechen. Das praktiziere man auch in der schriftlichen Kommunikation des Verbands so. Aber mit dem sprachlichen Gender-Gap – also der bewussten Pause beispielsweise zwischen „Zuhörer“ und anschließendem „Innen“, wie es zuletzt immer stärker im öffentlich-rechtlichen Rundfunk angewendet wird – tue sie sich schwer, so Fleischmann. Das sei mitunter auch eine Gratwanderung, berichtet die Präsidentin. Vor allem jüngere Lehrkräfte würden den Gap anmahnen, Ältere täten sich dagegen schwer, wenn sie statt „Lehrerinnen und Lehrer“ nur eine Pause mache. „Aber eigentlich haben wir an den Schulen ganz andere Probleme“, findet Simone Fleischmann, „vom Lehrkräftemangel über die Auswirkungen von Corona bis zur mangelhaften digitalen Ausstattung.“

Das an den Schulen gegendert werden kann, befürworten die Grünen im bayerischen Landtag. „Vielfalt der geschlechtlichen Identität und der sexuellen Orientierung sind wesentliche Charakteristika von demokratischen Gesellschaften und gehören damit auch in unsere Schulen“, so Landtagsvizepräsident Thomas Gehring zur Staatszeitung. „Wir finden es extrem wichtig, dass Schüler*innen in der Schule für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert werden, und das Thema Geschlechtergerechtigkeit ist ja auch im Bildungsplan verankert.“ Er verweist auf seine Parteifreundin Theresa Schopper, die Kultusministerin von Baden-Württemberg. Die sprach sich dafür aus, dass Lehrkräfte und Kinder an jeder Schule für sich entscheiden, wie sie es mit dem Gendern im Unterricht halten wollen – und dass niemand Punktabzüge bekommt, wenn er es tut. „Ganz ohne landesweiten Erlass. So geht’s also auch“, meint Thomas Gehring. (André Paul)

 

 

Kommentare (1)

  1. Gendern verwirt in der Aussprache, unterdrückt die männliche Form am 21.09.2021
    Wir haben deshalb die aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks für die deutsche Sprache, damit sie angewendet werden. In den Schulen soll, meiner Meinung nach, Gendern auch verboten werden, da es die Kinder bei der Schreibweise und Aussprache verwirt, noch dazu wird die maskuline gramatische Endung somit unterdrückt. Wenn der Lehrer betont, dass die Bezeichung z.B. eines Berufes für alle Geschlechte, auch divers, gilt, dann finde ich es am besten. Wie fit sind die Kinder in Sachsen in den Schulen? Dort wurde Gendern ja verboten. Ein tolles Vorbild, bei Pisa ist Sachsen an der Spitze, ja warum wohl....
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