Ausschreibung und Vergabe

In einem Realisierungswettbewerb gab es Streit. (Foto: dpa/Jens Kalaene)

13.11.2020

Wettbewerbssieger darf bevorteilt werden

Vergabekammer Hessen zur Richtlinie für Planungswettbewerbe 2013

Eine Vergabestelle schrieb einen Realisierungswettbewerb mit nachfolgendem Verhand-lungsverfahren europaweit aus, für den erste bis dritte Preise und entsprechende Preisgelder ausgelobt waren. Die Verteilung der Preise war einem Preisgericht vorbehalten, das nach der Richtlinie für Planungswettbewerbe 2013 (RPW 2013) besetzt war. Das Wettbewerbsergebnis beziehungswseise die Empfehlungen des Preisgerichts sollten im anschließenden Verhandlungsverfahren zu 60 Prozent als Zuschlagskriterium berücksichtigt werden. Die drei Preisträger wurden zu Beginn des Verhandlungsverfahrens zur Abgabe eines Angebots aufgefordert und darüber unterrichtet, dass bei den insgesamt fünf Zuschlagskriterien jeweils null Punkte für die schlechteste Bewertung und bis zu fünf Punkte für die beste Bewertung erreicht werden konnten.

Bewertungskriterien gerügt

Der erste Preisträger erzielte beim Zuschlagskriterium „Wettbewerbsergebnis (gesetzt)“ somit 300 Punkte, der zweite Preisträger 240 Punkte und der dritte Preisträger 180 Punkte. Insgesamt konnten für die fünf Zuschlagskriterien maximal 500 Punkte erzielt werden. Der zweite Preisträger rügte die Bewertung des Zuschlagskriteriums „Wettbewerbsergebnis (gesetzt)“ mit 60 Prozent als vergaberechtswidrig und beantragte nach erfolgter Nichtabhilfe die Nachprüfung. Die Vergabekammer Hessen (Beschluss vom 21. Januar 2020 – 69d-VK-17/2019) wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück.

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 RPW 2013 ist bei der Umsetzung der Wettbewerbsaufgabe einer der Preisträger, in der Regel der Gewinner, unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Preisgerichts mit den weiteren Planungsleistungen zu beauftragen, sofern kein gewichtiger Grund entgegensteht. Danach besteht bei einem – wie hier – Realisierungswettbewerb mit nachfolgendem Verhandlungsverfahren für den Auslober die Verpflichtung, aus dem Kreis der Preisträger regelmäßig den Gewinner des Wettbewerbs zu beauftragen. Obwohl diese Vorschrift eine Regelbeauftragung des ersten Preisträgers vorsieht, führt dies nicht automatisch dazu, dass er zwingend zu beauftragen ist.

Besonders privilegiert

Aus der Regelbeauftragung folgt allein, dass sich das Wettbewerbsergebnis im Verhandlungsverfahren niederschlagen muss. Dieser Umstand ist im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien in geeigneter Weise zu berücksichtigen. Die das Wettbewerbsergebnis berücksichtigende Gewichtung von Zuschlagskriterien kann dergestalt geschehen, dass der erste Preisträger bei der Gewichtung in besonderem Maße privilegiert wird, indem das Wettbewerbsergebnis als eines von mehreren Kriterien vorgegeben wird und eine relativ hohe Gewichtung erhält, so die hessische Vergabekammer. Denn die Gewichtung gibt den Grad der Bedeutung an, das heißt die Maßzahl, die das Zuschlagskriterium im Rahmen der Angebotswertung zur Ermittlung des für den Zuschlag vorgesehenen Angebots hat. Diese kann im Vergleich zu den übrigen Kriterien etwa 50 Prozent oder mehr betragen.

Hier war der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 RPW 2013 gebotenen Privilegierung des ersten gegenüber den weiteren Preisträgern hinreichend Rechnung getragen, indem das Wettbewerbsergebnis mit 60 Prozent gewichtet und mit der Bestpunktzahl von fünf Punkten zu multiplizieren war, sodass bei der Auswertung schon 300 Punkte gesetzt waren. Dass der Punkteabstand beim Zuschlagskriterium „Wettbewerbsergebnis (gesetzt)“ mit 60 Punkten genauso hoch war, wie der Punktabstand zwischen dem zweiten und dritten Preisträger, war zulässig. Eine Differenzierungsmöglichkeit zwischen den einzelnen Preisträgern in Höhe von zwölf Prozent der Gesamtpunktzahl ist nach Meinung der Darmstädter Nachprüfungsbehörde unschädlich. Im vorliegenden Fall ist wegen der Gewichtung und der aufgrund der Wertung vergebenen Punkte die Möglichkeit eröffnet, dass der gesetzte Punktevorsprung des ersten Preisträgers, durch die übrigen Kriterien zumindest ausgeglichen oder sogar eingebüßt werden konnte. Dem Wettbewerbserfordernis wurde dadurch ausreichend Rechnung getragen.
(Holger Schröder)
(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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