Wie alle Städte und Gemeinden steht auch das oberfränkische Bamberg vor der Herausforderung, die Stadt nachhaltig weiterzuentwickeln. Der Abzug der US-Army im Jahr 2014 bot eine besondere Chance, ein 22,5 Hektar großes Gelände zukunftsorientiert zu gestalten.
Eine der größten Stellschrauben, um ein neues Stadtquartier zukunftsorientiert aufzustellen, ist die Wärmeinfrastruktur. Wobei im innerstädtischen Bereich der Aufbau einer möglichst autarken ressourcenschonenden Versorgung jedoch ungleich komplexer ist als am Stadtrand oder in ländlichen Regionen. Denn Raum ist knapp und wertvoll, Platz für dezentrale Energieerzeugungsanlagen kaum vorhanden. Gleichzeitig reihen sich moderne Neubauten mit niedrigem Energiebedarf an denkmalgeschützte nicht gedämmte Altbauten – der Wärmebedarf ist entsprechend heterogen.
Dieses Bild zeigt sich auch auf dem Lagarde-Gelände in Bamberg, das sich inmitten des Ostteils der Stadt befindet. Dort entstehen Wohngebäude für 2400 Menschen, Geschäfts-, Büro- und Kulturräume sowie soziale Einrichtungen, ein digitales Gründerzentrum und ein Gesundheitszentrum. Für ihren Bedarf an Wärme (und Kälte) heißt es eine umweltfreundliche und vor allem platzsparende Lösung zu finden. Die Stadtwerke Bamberg haben sie entwickelt und sind dabei, sie umzusetzen.
Zwei
Blockheizkraftwerke
Die Wärmeinfrastruktur fußt zu 70 Prozent auf erneuerbaren Energien, die direkt vor Ort erzeugt werden. Erzeugt und gesammelt wird die Wärme mithilfe von oberflächennaher Erdwärme unter den Gebäuden und in der Freifläche, Abwasserwärme sowie Wärmepumpen, die mit Sonnenstrom betrieben werden, der auf den Dächern produziert wird. Gespeichert wird die Wärme über Pufferspeicher in den Gebäuden (Tagesspeicher), einen Großpufferspeicher in der Energiezentrale (Wochenspeicher) sowie anhand der Regeneration des Erdreichs über die Erdkollektoren und -sonden (Saisonalspeicher). Weil die Heizungen der denkmalgeschützten Gebäude höhere Vorlauftemperaturen benötigen, wird die regenerative Wärmeerzeugung mit zwei Blockheizkraftwerken in der Energiezentrale sowie dem Anschluss ans Bamberger Fernwärmenetz flankiert.
Mit ihrem zukunftsweisenden Wärmekonzept schaffen die Stadtwerke Bamberg regelmäßig Superlative – beispielsweise mit ihrem Abwasserwärmetauscher, der bisher der größte in ganz Bayern ist.
Er wurde 2021 am Boden des Sammelkanals unterhalb der Zollnerstraße angebracht und erstreckt sich über eine Länge von 250 Metern. Auf einer Fläche von 720 Quadratmetern nimmt ein Sole-Wasserkreislauf in den Stahlmatten die Restwärme des darüber fließenden Abwassers auf. Die Temperatur bewegt sich je nach Jahreszeit zwischen 5 und 25 Grad Celsius und steht damit ganzjährig konstant zur Verfügung.
Die gewonnene Energie wird über eine rund 1 Kilometer lange Anbindung zunächst zur Energiezentrale und von dort zu den Wärmepumpen in den Neubauten transportiert, die mithilfe von Sonnenstrom die gewonnene Wärmeenergie aufbereitet und dem Heizkreislauf in den Häusern zur Verfügung stellt. Auf diesem Weg produzieren die Stadtwerke jährlich rund 2 300 000 Kilowattstunden Wärme und sparen damit umgerechnet 230 000 Liter Heizöl ein.
Eine Blaupause
für ähnliche Projekte
Im Sommer, wenn wenig Wärme fürs Heizen gebraucht wird, dient die überschüssige Wärme des Abwassers der Regeneration des Erdreichs unter den Gebäuden, dem die auf Lagarde verbauten Erdkollektoren während der Heizperiode Wärme entziehen. Damit trägt die Abwasserwärme entscheidend zur langfristigen Funktionstüchtigkeit des gesamten Wärmekonzepts bei. Denn würde dem Erdreich im Sommer keine Wärme zugeführt, würde es mittelfristig dauerhaft auskühlen und stünde als Wärmequelle nicht mehr optimal zur Verfügung. Die Inbetriebnahme ist für die Heizsaison 2023/24 geplant.
Wie dringend alternative Energiekonzepte gebraucht werden, zeigt nicht zuletzt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise. Die Rufe nach Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und den Entwicklungen auf den Energiemärkten sind lauter denn je.
Während das Wärmekonzept für den Lagarde-Campus als Blaupause für andere ähnliche Projekte herangezogen werden kann, besteht für den Gebäudebestand ebenfalls dringender Handlungsbedarf. Um gemeinsam mit den Betroffenen bedarfsgerechte Konzepte zu entwickeln, arbeiten die Stadtwerke Bamberg mit Wohnungsbaugesellschaften wie der Stadtbau Bamberg GmbH zusammen.
In einem Vertrag, der im Beisein von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) im August 2022 unterschrieben wurde, setzen sie sich zum Ziel, die Liegenschaften des städtischen Wohnungsanbieters bis zum Jahr 2040 nahezu ohne klimaschädliches Kohlendioxid zu beheizen. Die Mieten sollen gleichzeitig auf bezahlbarem Niveau gehalten und die Heizkosten weitestgehend von Preisentwicklungen fossiler Brennstoffe entkoppelt werden.
Möglich wird das, weil die Wohnungen künftig mit erneuerbaren Energien aus der Erde, dem Abwasser und dem Bamberger MHKW beheizt werden sollen. Das Wärmeversorgungskonzept hierfür entwickelt sie gemeinsam mit den Stadtwerken. Damit will die Stadtbau GmbH eine der ersten großen klimaneutralen Wohnungsbaugesellschaften Deutschlands werden.
Für Stadtplaner*innen und Infrastrukturdienstleister, die selbst vor der Herausforderung stehen, eine Gemeinde zukunftsfähig zu machen, aber auch für Fachleute aus der Energiebranche, die sich für innovative Energiekonzepte interessieren, bieten die Stadtwerke Bamberg Fachführungen mit dem Projektleiter an. Er gibt Gruppen ab fünf Personen tiefere Einblicke in die Herausforderungen rund um das richtungsweisende Infrastrukturprojekt. Die Anmeldung ist über die Homepage der Stadtwerke Bamberg (www.stadtwerke-bamberg.de/lagarde) möglich. (BSZ)
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