Bauen

Die moderne Sancaklar-Moschee. (Foto: Wiegand)

01.06.2016

Bauten aus drei Jahrtausenden

Architekturtour durch Istanbul

Bauten aus mehr als drei Jahrtausenden prägen Istanbul, die Stadt auf zwei Kontinenten. Das älteste Bauwerk, ein 3500 Jahre alter ägyptischer Obelisk, platziert am ehemaligen Hippodrom, ist jedoch ein Import. Pharao Thutmosis III. hatte ihn um 1500 v. Chr. anfertigen und vor dem Karnak Tempel in Luxor aufstellen lassen. Theodosius I., Kaiser des Byzantinischen Reichs, auch Oströmisches Reich genannt, brachte ihn 390 n. Chr. nach Konstantinopel, ins heutige Istanbul. Für den Transport musste der 33 Meter lange Granitriese auf 25 Meter gekürzt werden. Die Hieroglyphen künden noch von den Heldentaten des Pharao. Eine eigene Großtat folgte, der Bau der Theodosianischen Landmauer. Der erste Mauerring war 413 fertig, wurde aber durch ein Erdbeben zerstört. Da die Hunnen anrückten, wurde in knapp zwei Monaten das Bollwerk unter Einsatz von 16 000 Mann wieder errichtet, höher und stärker als zuvor. Stücke der 20 Kilometer langen Mauer, die Konstantinopel bis 1453 schützte, sind erhalten und teilweise restauriert. Weit mehr bewundert wird jedoch die Hagia Sophia (Kirche der Göttlichen Weisheit), die Kaiser Justinian nach fast sechsjähriger Bauzeit am 26. Dezember 537 einweihte. Mitsamt der Altstadt gehört sie nun zum UNESCO-Weltkulturerbe. Für den Bau verantwortlich waren der Architekt Anthemios von Tralleis und der Mathematiker Isidor von Milet. Nach Berichten des Historikers Prokopius soll sich der Kaiser an der Planung beteiligt und die Baustelle täglich besucht haben.
Justinian ließ in unmittelbarer Nähe auch die 140 Meter lange und 65 Meter breite Yerebatan Zisterne, Fassungsvermögen rund 80 000 Kubikmeter Wasser, bauen. Geschmückt mit 336 Säulen in zwölf Reihen wirkt sie wie ein versunkener Wasserpalast. Größere Probleme bereitete jedoch die Hagia Sophia, insbesondere die Lagerung der runden, 56 Meter hohen Kuppel – Durchmesser 31 Meter – auf dem rechteckigen Kirchenkörper. Zweimal stürzte sie bei Erdbeben ein. Erst als man sie stärker wölbte und Eckzwickel (Pendentifs) einfügte, ruhte sie sicher auf den vier Pfeilern. Pendentifs wurden zum Merkmal byzantinischer Baukunst. Bald galt die Hagia Sophia als achtes Weltwunder. „Glanz und Harmonie der Maße schmücken sie, kein Zuviel und kein Zuwenig ist an ihr festzuhalten“, lobte Prokopius. Sie wurde zum Vorbild, selbst für den heutigen Stararchitekten Santiago Calatrava. Sein „Saint Nicholas National Shrine“ auf dem Gelände des durch Terrorakte zersprengten World Trade Centers bezieht sich auf die Hagia Sophia und ihre Kuppel. Nur die vier Minarette fehlen. Fast 1000 Jahre lang war sie die größte christliche Kirche weltweit. Nach der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmet II diente sie, entsprechend umgewandelt, von 1453-1931 als Moschee. Mittlerweile ist sie das Ayasofya Müzesi und zeigt 1500 Jahre Geschichte. Übertünchte Mosaike und Malereien aus christlicher Zeit wurden freigelegt. Im Innenraum laufen weitere Restaurierungen. Ganz anders die weltberühmte Blaue Moschee (Sultanahmet Camii) von 1616, ein Meisterwerk osmanischer Architektur und Istanbuls Hauptmoschee. Ihren Namen verdankt sie den blau-weißen Fliesen an der Kuppel und den oberen Mauerteilen. Von außen zieren sie sechs Türme, die jedoch nicht von überall zu sehen sind. Angeblich hatte sich Baumeister Mehmet Agha, ein Schüler des berühmten Mimar Sinan, bei der Zahl verhört. Damit machte sie jedoch Mekka Konkurrenz, sodass Sultan Ahmet geschwind den Bau eines siebten Turms für die dortige Moschee finanzierte.

Wie eine wachsame Glucke


Die von Sinan erbaute Süleymaniye Moschee, ein architektonisches Meisterwerk, thront wie eine wachsame Glucke auf einem Hügel hoch über dem Bosporus. Der 67 Meter hohe Galata-Turm (von 1349) am gegenüberliegenden Ufer, wirkt dagegen fast zierlich. Von beiden Ufern pendeln die Fähren unaufhörlich zu den asiatischen Stadtteilen Üsküdar und Kadiköy.
Während in Üsküdar noch traditionelle Holzhäuser erhalten sind, imponiert in Kadiköy der Haydarpasa von 1908, geplant durch Otto von Kühlmann und Hellmuth Cuno. Der Kopfbahnhof, früher der Start nach Anatolien und Endstation der Bagdad-Bahn, ist seit 2012 außer Betrieb. Für die Verbindung zu den europäischen Stadtteilen sorgt seither eine moderne Metro, die den Bosporus unterquert.
Trotz des perfekten öffentlichen Nahverkehrs wird manches zur Entdeckungstour. So die Chora Kirche von 575 im Stadtteil Edirnekapi, nun ein Museum namens Kariye Müzesi. Der jetzige Bau aus dem 14. Jahrhundert ist berühmt für den umfänglichen Freskenzyklus und herrliche Mosaike aus spätbyzantinischer Zeit, die zu den bedeutendsten weltweit gehören. Auch hier laufen Restaurierungen. Und die Moderne? Die prägt Istanbuls „Wilden Westen“, zum Beispiel im Stadtteil Büyükçekmece. Dort schießen – mit Metrobus-Anschluss – die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden, beeindrucken mitunter durch Farben und Formen wie das Kaya Millenium Plaza oder die Ginza Corner Suites von ZEMA Architecture. Fast zum Abenteuertrip gerät schließlich das Finden der hochmodernen Sancaklar-Moschee (Sancaklar Camii) in Büyükçekmece, eröffnet 2014. Selbst der Taxifahrer muss suchen. Zuerst ist nur der dunkle kantige Turm zu sehen. Emre Arolat, einer von Istanbuls Stararchitekten, hat diesen minimalistischen Bau ideenreich in die Natur eingefügt. Flache Stufen führen in leichtem Schwung zu Wasserbecken und Wandformationen bis zur unterirdischen Moschee, einem schmucklosen Raum in Beigetönen mit naturbelassenen Wänden. Ein Bau, der Konzentration einfordert. (Ursula Wiegand) (Die Süleymaniye Camii; die Theodosianische Stadtmauer und der Kaya Millenium Plaza - Fotos: Wiegand)

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