Bauen

Rollstuhlfahrer im Deutschen Bundestag. (Foto: Herbert Luy)

17.06.2016

Bayern geht mit gutem Beispiel voran

Barrierefreies Bauen für Gebäude: Der Freistaat hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetz

Als es noch den Wehrersatzdienst gab, haben Gruppen junger Leute die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum getestet und sich selbst in einen Rollstuhl gesetzt. Das stärkte nicht nur das Verständnis für Menschen mit Behinderung, sondern zeigte auch manche Mängel deutlich auf. Seither waren der Gesetzgeber und die Normung nicht untätig. Die Planungsgrundlagen im Barrierefreien Bauen in DIN 18040 Teil 1 „Öffentlich zugängliche Gebäude“, Teil 2 „Wohnungen“ und Teil 3 „Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ wurden gründlich überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Mit der letzten Novelle der Bayerischen Bauordnung (BayBO) 2013 sind DIN 18040 Teil 1 und 2 als technische Regeln bauaufsichtlich eingeführt worden und damit verbindlich. Dadurch konnten die Bestimmungen in der Bayerischen Bauordnung auf die Anforderungen reduziert werden, da die technischen Einzelheiten in die Normen ausgelagert sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass die gleichen technischen Regeln in der gesamten Bundesrepublik gelten.
Im November 2013 hat Ministerpräsident Horst Seehofer das Programm „Bayern barrierefrei“ in einer Regierungserklärung verkündet und die Umsetzung im öffentlichen Bereich innerhalb von zehn Jahren bis zum Jahr 2023 vorgegeben. Ein eigentlich ehrgeiziges Ziel angesichts der erforderlichen Investitionen für öffentliche Gebäude sowie die Infrastruktur an Straßen und Schienenwege.

Ausgesuchte Kommunen


Begleitet wird dieses Ziel mit Förderung von Planungsleistungen und Zuschüssen in verschiedensten Programmen. Ausgesuchte „Modellkommunen“ haben bislang erste Erfahrungen gesammelt. Bayern geht hier mit gutem Beispiel voran. Zwar gelten schon seit der Novelle der BayBO von 1974 Anforderungen an öffentlich genutzte Gebäude, dass Personen mit Kleinkindern, behinderte und alte Menschen diese zweckentsprechend aufsuchen und benutzen können. Dies hat sich inzwischen auf Wohnungen und Einrichtungen der Pflege und Unterbringung erweitert. Die Behindertenrechtskonvention der UN vom 13. Dezember 2006 und ihre Umsetzung in nationales Recht hat der Beachtung der Belange behinderter Menschen den letzten entscheidenden Impuls verliehen.
Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Dies ist Leitsatz und Ziel zugleich. Es gilt dies nach dem Behindertengleichstellungsgesetz allgemein für bauliche Anlagen, Verkehrsmittel, Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen. Die Erneuerungsrate im Wohnungsbau liegt weit hinter dem derzeitigen Bedarf. Damit wird es lange dauern, bis ein ausreichendes Angebot barrierefreier Wohnungen auf dem Markt angekommen ist. Rollstuhlgerechte Wohnungen werden dabei gar nicht verlangt. Im Wohnungsbestand braucht nicht nachgerüstet werden, außer dies geschieht freiwillig. Bei barrierefreiem Duscheinbau geben zum Beispiel die Krankenkassen oder die KfW Zuschüsse. Nur bei erheblicher Gefahr verfügt der Gesetzgeber eine Nachrüstung, wie bei der Nachrüstung von Rauchmeldern bis 31. Dezember 2017.
In Wohnanlagen dürfen barrierefreie Wohnungen übereinander angeordnet werden. Dies erleichtert die Planung, da die Grundrisse insbesondere der Bäder dort von der üblichen Gestaltung abweichen. Auch in der Treppenanlage muss zwischen den beidseitigen Handläufen ein Meter Abstand verbleiben.
Ein Problem für Bauherrn bleibt das vereinfachte Genehmigungsverfahren und das Anzeigeverfahren, in dem materiell-rechtliche Anforderungen nicht geprüft werden. Hier bietet die Architektenkammer mit ihren Beratungsstellen inzwischen bayernweit Hilfe zur Kontrolle der Planung an. Sonst sind im normalen Genehmigungsverfahren die Behindertenbeauftragten an den Landratsämtern und kreisfreien Städten tätig. Es sind dies Mitglieder des VKIB (Vereinigung Kommunaler Interessenvertreter von Menschen mit Behinderung in Bayern e.V.). In der Regel handelt es sich um Bauanträge zu Sonderbauten nach Art. 2 BayBO und Bauten nach Sonderbauverordnungen wie Versammlungsstätten, Beherbergungsstätten und Verkaufsstätten. Auch zählen zum Beispiel dazu Einrichtungen des Bildungs- und Gesundheitswesens, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude.

Umfangreiches Feld


Eine wichtig zu lösende Frage ist: Können Menschen mit Behinderung sich in einem ausreichend lange brandgeschützen Raum aufhalten und von dort aus bemerkbar machen? Eine besondere Anforderung liegt in der Barrierefreiheit bei Denkmälern. Dazu erscheint in Kürze eine Arbeitshilfe bei der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau mit vielen Hinweisen zum Vorgehen in der Planung und praktischen Beispielen. Denn hier handelt es sich um ein umfangreiches Feld für kreative Lösungen.
Das Instrument der Beantragung von Abweichungen in der BayBO hilft mit für den Einzelfall angepasste, nicht überzogene aber gute Lösungen zu erzielen. Erst kürzlich konnte ich einen Projektvorschlag für einen Aufzug in einem Parkschlösschen mit Versammlungsraum machen, bei dem neben einer schmäleren Kellerwand nur die Deckendurchbrüche als Eingriff in die Bausubstanz erforderlich werden. Für die Denkmalpflege eine akzeptable Lösung und für die Gemeinde ein erfreulicher Gewinn und dies noch zu optimalen Kosten. (Herbert Luy - der Autor ist Mitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau) (Taktiles Bodenleitsystem am Berliner Hauptbahnhof; Rollstuhlfahrer auf einer Rampe - Fotos: DB AG/Privat)

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